Hamburg (dpa/lno). Der vor fünf Jahren von massiven Ausschreitungen begleitete G20-Gipfel in Hamburg erregt weiter die Gemüter. Vorwürfe der Linken, gegen mutmaßlich straffällig gewordene Polizisten werde milder vorgegangen als gegen Aktivisten, führt im Parlament zu einer hitzigen Debatte.
Knapp fünf Jahre nach dem von Gewaltexzessen begleiteten G20-Gipfel in Hamburg hat die Aufarbeitung der Geschehnisse in der Hamburgischen Bürgerschaft erneut zu einer heftigen Debatte geführt. Vorwürfe der Linken, dass zwar hart gegen linksextreme Straftäter vorgegangen werde, bis heute aber keine einzige Anklage wegen Polizeigewalt erhoben worden sei, empörte am Mittwoch im Parlament vor allem SPD, CDU und AfD. Innensenator Andy Grote (SPD) sagte: «Der Rechtsstaat hat sehr klar und erfolgreich reagiert, das war wichtig und hat auch Wirkung gezeigt.» Dass bislang keine Anklage gegen Polizisten erhoben worden sei, könne man zwar bewerten. Aber «man kann nicht das rechtsstaatliche Verfahren diskreditieren, weil einem das Ergebnis politisch nicht passt».
Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Deniz Celik, hatte zuvor eine juristisch ungleiche Behandlung von Aktivisten und Polizisten beklagt. Offensichtlich hätten Polizei und Justiz die Aussage des damaligen Bürgermeisters und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD), dass es keine Polizeigewalt gegeben habe, als Auftrag verstanden. So seien von 169 Ermittlungsverfahren gegen Polizistinnen und Polizisten - darunter 133 wegen Körperverletzung im Amt - bereits 147 Verfahren eingestellt worden. «Bisher hat es keine einzige Anklage gegeben, keine einzige», sagte Celik und schloss daraus ein strukturelles Defizit bei der Verfolgung von Polizeigewalt.
Es gehe aber auch um rechtswidrige Polizeieinsätze, die ohne Konsequenz blieben, sagte Celik. So habe das Verwaltungsgericht Hamburg zuletzt - noch nicht rechtskräftig - festgestellt, dass die Verhinderung eines Protestcamps in Entenwerder rechtswidrig gewesen sei. Gleiches gelte für eine Ingewahrsamnahme von Mitgliedern der sozialistischen Jugendgruppe Die Falken und die Einrichtung einer 38 Quadratkilometer großen Verbotszone für Demonstrationen während des G20-Gipfels am 7. und 8. Juli 2017.
Innensenator Grote wies die Vorwürfe zurück. Der G20-Gipfel sei intensiv - auch in einem Sonderausschuss - aufgearbeitet worden. Es habe zahlreiche Konsequenzen gegeben, etwa die Kennzeichnungspflicht für Polizisten bei Großereignissen. Grote betonte, Polizei und Justiz hätten genau das getan, was die Bevölkerung erwartet habe, nämlich die Verfolgung von Straftaten, bei denen unter anderem 600 Polizisten verletzt worden seien. «Dazu wurden in der Folge über 950 Verfahren gegen 1300 identifizierte Beschuldigte geführt.» Bis jetzt seien mehr als 240 Schuldsprüche erfolgt, etwa wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung oder räuberischer Erpressung, sagte Grote.
Der CDU-Innenexperte Dennis Gladiator warf den Linken vor, Ursache und Wirkung zu vertauschen. Organisierte Linksterroristen seien nicht Opfer, sondern Täter. Es gebe keine systematische Polizeigewalt und auch keinen Grund für Misstrauen gegenüber der Polizei. Innensenator Grote warf er jedoch vor, während des G20-Gipfels politisch komplett versagt zu haben und eigentlich hätte zurücktreten müssen. Ähnlich äußerte sich AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann.
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