Hamburg. Entführung, Schläge, K.-o.-Tropfen und Todesdrohungen - auf diese Weise soll ein 52-jähriger Hamburger um die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin gekämpft haben. Spezialkräfte der Polizei befreiten die Frau in Niedersachsen - jetzt steht der Mann vor Gericht.
Mit zwei Entführungen, Schlägen und Todesdrohungen soll ein Hamburger versucht haben, seine Lebensgefährtin zur Fortsetzung der Beziehung zu zwingen. Der 52-Jährige muss sich seit Montag wegen Geiselnahme in zwei Fällen und Körperverletzung vor dem Landgericht Hamburg verantworten. Sein 25 Jahre alter Sohn und dessen gleichaltriger Freund sind mitangeklagt. Der 52-jährige Deutsche soll seine Partnerin am 13. April 2020 in Hamburg-Eidelstedt in sein Auto gelockt haben und mit ihr in ein Waldstück bei Bad Bentheim (Niedersachsen) gefahren sein, wie der Staatsanwalt erklärte. Dort habe der Angeklagte die Frau geschlagen und gefesselt.
Wenige Tage zuvor hatte die damals 39 Jahre alte Frau erklärt, dass sie sich nach 23-jähriger Beziehung von ihm trennen wolle. Das Paar war nach Angaben einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft nicht verheiratet. Der Grund für die Trennung war laut Anklage eine Festnahme und zweimonatige Untersuchungshaft des Mannes. Weil die Frau aber auf Deeskalation gesetzt habe, sei sie dem Wunsch des Ex-Partners gefolgt, ihn zu einem Bekannten zu begleiten, um das Auto zurückzufahren. Auf einer Raststätte habe er ihr K.-o.-Tropfen in den Kaffee getan. Weil das Getränk dann jedoch bitter schmeckte, habe sie den Becher getauscht.
Im Wald bei Bad Bentheim habe er sie mit der Faust zu Boden geschlagen und ihre Hände auf dem Rücken gefesselt. Sie erlitt dabei eine Hautunterblutung und Abschürfungen an den Handgelenken. Er habe gedroht, sie zu töten, wenn sie nicht die Trennung zurücknehme und mit ihm nach Mexiko flüchte. Laut Anklage sagte er, er wolle sie mit einer Schaufel, die er im Kofferraum habe, begraben oder sie erschießen. Angesichts der Schläge und Drohungen fügte sich die Frau zunächst. Am folgenden Tag erstattete sie Anzeige bei der Polizei.
Die Beamten hätten eine Gefährderansprache bei dem Angeklagten gemacht, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Doch dieser plante daraufhin eine erneute Entführung, um die Frau zur Rücknahme ihrer Strafanzeige und zur Fortsetzung der Beziehung zu zwingen. Er mietete ein Auto und bat seinen Sohn und dessen Freund um Mithilfe. Dem Freund versprach er dafür 1000 Euro. Am 19. April 2020 lauerten die drei Männer der Frau in der Tiefgarage ihrer Wohnung auf.
Die 39-Jährige erschien in Begleitung des gemeinsamen Sohnes. Der 18-Jährige stellte sich vor seine Mutter. Der 25-jährige Sohn des Vaters schoss laut Anklage mit einem Elektroschocker auf seinen Halbbruder, traf aber nur dessen Jacke. In der folgenden Schlägerei ging der 18-Jährige zu Boden. Die Angeklagten hätten die Mutter auf die Rückbank ihres Mietwagens gezerrt und seien mit ihr davongefahren. Auf der Fahrt sagte der Freund des Sohnes laut Anklage, "das er kein Problem damit hätte, ihr eine Kugel in den Kopf zu jagen".
An einer Tankstelle stieg er aus, um das Auto des 52-Jährigen zu holen. In einem Wald bei Wedel (Kreis Pinneberg) hätten sich die Angeklagten wiedergetroffen. Nach der Zahlung der versprochenen Belohnung sei der 52-Jährige mit der Frau allein in seinem Wagen zu einem Feldweg bei Elmshorn gefahren, wo sie die Nacht verbrachten. Am folgenden Tag habe er sie in die Wohnung eines Bekannten in Nordhorn (Grafschaft Bentheim, Niedersachsen) mitgenommen. Dort versuchte er, sie zur Rücknahme der Anzeige und zur Fortsetzung der Beziehung zu überreden. Sechs Tage nach ihrer Entführung war die Hamburger Polizei dem 52-Jährigen auf die Spur gekommen. Ein Mobiles Einsatzkommando befreite die Frau am 25. April 2020 und nahm den Mann fest.
Die Angeklagten äußerten sich zunächst nicht zu den Vorwürfen. Ihre Verteidiger schlossen eine spätere Aussage nicht aus. Der Anwalt des 52-Jährigen, Jan Lam, sagte vor Prozessbeginn: "Ich gehe davon aus, dass sich der Vorwurf der Geiselnahme nicht bestätigen wird." Er beabsichtige, Freispruch zu beantragen. Sein Mandant sitze zurzeit in Strafhaft, erklärte er, ohne zu sagen, aus welchem Grund.
Nach Angaben eines Gerichtssprechers wurde der Angeklagte im Juni 2019 vom Amtsgericht Hamburg wegen Steuerhinterziehung zu einem Jahr und zwei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Am 19. Januar 2021 verurteilte ihn das Landgericht Oldenburg wegen Diebstahls, Brandstiftung und Betrugs zu drei Jahren und vier Monaten Haft. Beide Urteile sind rechtskräftig.
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