Hamburg. Eine neue kirchliche Service-Agentur sucht die Menschen dort auf, wo sie sind. Ob an Land oder im Wasser. Spontane Anmeldungen möglich.

Sonntags in die Kirche? Muss nicht sein. Die Agentur „st. moment“ der beiden Hamburger evangelischen Kirchenkreise geht neue Wege und sucht die Menschen dort auf, wo sie an heißen Sommertagen besonders gern sind – am Stadtparksee. Am kommenden Sonntag will Pastor Fabio Fried (35) interessierte Menschen im Wasser taufen. Das Abendblatt sprach mit ihm und der Leiterin von st. moment, Meike Barnahl (42).

Hamburger Abendblatt: Machen sich Pastoren nicht lächerlich, wenn sie mit Talar ins Wasser gehen?

Fabio Fried: Gar nicht. Ich erlebe, dass die Leute sagen: Wie schön, dass Kirche aufbricht. Es ist ein schönes Bild, wenn Pastorinnen und Pastoren im Talar ganz entspannt draußen sind. Ich fühle mich selbst pudelwohl, weil ich draußen am Ursprung der Taufe bin und auch dort, wo es mir selbst Spaß macht.

Wie viele Täuflinge wird es am kommenden Sonntag geben?

Fried: Wir wissen es noch nicht genau, weil die ganze Woche über noch Anmeldungen eintreffen. Ich rechne mit zehn bis 30 Täuflingen.

Kann man sich auch spontan melden?

Fried: Ja, das kann man. Wir halten es da mit der biblischen Geschichte vom Kämmerer aus Äthiopien. Der war unterwegs – und ließ sich nach einem Gespräch taufen. Auch wir werden vor der Taufe am Sonntag ein Taufgespräch führen. Wichtig sind aber die Formalien: Wer erwachsen ist, muss für die Taufe einen Personalausweis dabeihaben. Wer ein Kind taufen lassen möchte, braucht eine Kopie der Geburtsurkunde und das Einverständnis der Erziehungsberechtigten. Schließlich ist mit der Taufe eine Kirchenmitgliedschaft verbunden.

Was geschieht im Taufgespräch?

Meike Barnahl: Wir fragen natürlich nach dem Glauben, den Gründen für diese Entscheidung. Wir berufen uns auf den Taufbefehl Jesu: „Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“ Man muss für die Taufe nichts vorweisen, so wie wir das uns früher im Konfirmandenunterricht vorgestellt haben. Wenn jemand sagt, die Taufe ist richtig für mich, dann ist das ein guter Startpunkt.

Wie geht es danach weiter?

Barnahl: Wenn der Wunsch nach einer konkreten Gemeinde vorhanden ist, dann sind wir auf jeden Fall bei der Suche behilflich. Heute ist es mit der Wahl einer Kirchengemeinde nicht mehr wie früher. Es gibt nicht nur feste Ortsgemeinden, sondern Kirche im Internet und in den sozialen Netzwerken. Auch das sind gute Wege und Alternativen.

Das klingt nach Reformation. Wie kommt das in der Kirche an?

Barnahl: st. moment ist von den beiden Hamburger Kirchenkreisen getragen und wird von der Nordkirche unterstützt. Dass wir neue Wege gehen, ist also so gewollt, da macht die Kirche sich bewusst auf den Weg. Natürlich gibt es auch kritische Stimmen, wie immer, wenn Neues entsteht. Im Gespräch können wir jedoch die meisten überzeugen, dass wir nicht den Untergang der Kirche hervorrufen.

Fried: Wir erleben auch, dass viele Kolleginnen und Kollegen in Hamburg längst kreativ und bunt Kirche gestalten. Klar, einige haben ein traditionelleres Verständnis unseres Auftrags. Aber die meisten finden gut, was wir machen. Dass wir als Kirche rausgehen und die Orte in der Stadt entdecken und bespielen, trifft sich mit den Wünschen, mit denen sich Menschen an uns wenden. Es gibt eine große Sehnsucht der Menschen nach Segensmomenten an Orten, die ihnen etwas bedeuten – den Elbstrand, den eigenen Garten zum Beispiel. Das nehmen wir als Kirche wahr und sehen es als Chance. Die Familien werden kreativ, gestalten den Altar im Garten oder ein Kreuz. Ich hatte auch schon eine Taufe unterm Kirschbaum im Schrebergarten.

Barnahl: Kürzlich gab es sogar eine Taufe im Stadion am Millerntor von einem St.- Pauli-Fan.

Haben Sie einen Pastorenkoffer dabei, wo alles drin ist, was Sie brauchen, wenn Sie unterwegs zu den Menschen sind?

Fried: Ich habe einen Rucksack. Da ist mein Talar drin. Alles andere für die Taufe bereitet die jeweilige Familie vor, wie etwa die Taufkerze. Zur Taufe kann ein Kreuz aufgebaut werden, muss es aber nicht. Ich bin da, und ich predige von Gott.

Barnahl: Wenn es Familien gibt, die ein Kreuz wünschen, bringen wir es selbst­verständlich mit. Ich finde es aber auch schön, wenn Familien ihr eigenes Kreuz gestalten.

Wer von Ihnen als Erwachsener getauft wurde, landet in einer Kirche mit stark verfestigten Strukturen. Schreckt das ab?

Barnahl: Es gibt in der Tat noch viele Gemeinden, die sehr traditionell in Strukturen und Sprache verankert sind. Die Frage für die Zukunft ist: Werden sich die Getauften an den Gemeinden in ihrem Wohnumfeld orientieren? In Hamburg erleben wir, dass die Menschen de facto mit den Füßen abstimmen. Sie gehen dorthin, wo es ihnen gefällt. Unsere Aufgabe als Agentur ist es also, auf die Vielfalt der Angebote hinzuweisen und zu schauen, was zu den Getauften passt.

Was meint die Bezeichnung „st. moment?“

Barnahl: Der Name Sankt wird in Hamburg gut verstanden, denken wir nur an St. Pauli oder St. Georg. Uns ist wichtig, den besonderen Moment hervorzuheben, mit dem sich etwas verändert und im Umbruch ist. Diesen Moment wollen wir begleiten und gestalten.

Welche Momente sind das sonst noch?

Barnahl: Dazu gehören Hochzeiten, Bestattungen, ein Neuanfang, ein neuer
Beruf, Segen für eine Patchworkfamilie, Trennung, Scheidung und vieles mehr.

Muss man Kirchenmitglied sein, um Ihre Arbeit in Anspruch zu nehmen?

Barnahl: Nun, eine Taufe macht zum Kirchenmitglied – aber natürlich können auch Eltern ihr Kind bei uns taufen lassen, die der Kirche nicht oder nicht mehr angehören. Und Gottes Segen bekommt selbstverständlich auch ein Paar, das nicht der Kirche angehört – eine Trauung im kirchenrechtlichen Sinne ist es eben nur, wenn einer von beiden Mitglied ist. In erster Linie richtet sich unser Angebot also sicherlich an Kirchenmitglieder. Aber wir freuen uns auch über alle außerhalb der Kirche, die mit uns einen heiligen Moment feiern möchten, und suchen dann nach einem passenden Format.