Hamburg. Die Hamburger Stadthöfe sind so perfekt restauriert, dass sich ihre dunkle Geschichte leicht vergessen lässt. Jetzt haben zwei Künstlerinnen ein “Stigma“ vor der ehemaligen Gestapozentrale geschaffen. Es soll eine “Bruchspur“ sein - oder eine Blutspur?
Vor dem Stadthaus in der Hamburger Innenstadt, der ehemaligen Gestapo-Zentrale, ist eine großflächige Bodenskulptur mit dem Titel "Stigma" fertiggestellt worden. Das Künstlerinnenduo Andrea Knobloch und Ute Vorkoeper (missing icons) will mit dem "zerstörten Bürgersteig" an jene Menschen erinnern, die dort zwischen 1933 und 1943 verhört, misshandelt oder ermordet wurden.
Auf rund 200 Quadratmetern wurde der Fußweg aufgebrochen und entlang der Bruchkanten mit weichem, hellrotem Gummigranulat aufgefüllt. So sei eine ebene, markant federnde und farbige Oberfläche als deutlich sichtbare und spürbare Spur im Bürgersteig entstanden, teilte die Kulturbehörde am Dienstag mit. Die Künstlerinnen sprachen von einer "Bruchspur", Betrachter könnten aber auch an eine große Blutspur oder -lache denken.
"Direkt vor den Stadthöfen erinnert das Kunstwerk Stigma künftig weithin sichtbar und spürbar an die Verbrechen, die an diesem Ort begangen wurden. Andrea Knobloch und Ute Vorkoeper haben ein Denkzeichen geschaffen, an dem man buchstäblich nicht vorbei kommt", sagte Kultursenator Carsten Brosda (SPD).
Während der NS-Herrschaft war der Gebäudekomplex am Neuen Wall/Stadthausbrücke bis zu seiner Ausbombung 1943 die "Zentrale des Terrors" in Hamburg - hier waren das Polizeipräsidium sowie die norddeutschen Leitstellen von Kriminalpolizei und Gestapo untergebracht. Seit Anfang 2020 erinnert eine Dauerausstellung neben einer Fachbuchhandlung und einem Literaturcafé an die historische Bedeutung des Ortes. Wegen der Insolvenz der Buchhandlung ist sie zurzeit allerdings nicht zugänglich. Nach Angaben der Kulturbehörde soll die KZ-Gedenkstätte Neuengamme demnächst die Ausstellung übernehmen. Bereits 1981 war eine Gedenktafel an dem Gebäude angebracht worden.
Die beiden Künstlerinnen hatten 2019 mit ihrem Projekt "Stigma" einen Wettbewerb der Kulturbehörde gewonnen. Auf Vorschlag des Beirats zur Begleitung und Entwicklung des historischen Ortes hatte die Stadt 280.000 Euro für ein "Denkzeichen" bereitgestellt.
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