Hamburg. Die Lage in Hamburgs Krankenhäusern bleibt aber wegen der meist milden Verläufe entspannt – Impfquote nach oben korrigiert.
Der Sommer ist da, doch die Corona-Inzidenzen in Hamburg befinden sich wieder im Steigflug. Nachdem die Masken weitestgehend gefallen sind, die Hygienemaßnahmen gelockert, die Luftfilter in den Schulen schrittweise abgeschaltet, liegt der Sieben-Tage-Wert (pro 100.000 Einwohner) wieder über dem Bundesdurchschnitt. Zwei Aspekte bereiten daran Sorge: Da kaum getestet wird, dürfte die Dunkelziffer neuer Infektionen mit dem Coronavirus in Hamburg noch deutlich höher liegen.
Denn weder in den Schulen gibt es regelhaft Abstriche, noch werden sie routinemäßig zum Beispiel im Arztruf 116 117 gemacht. Ein PCR-Test ist bei einem positiven Antigen-Schnelltest nicht einmal gesetzlich geboten, sofern sich der oder die Betroffene isolieren. Zweitens steigen die Zahlen schneller als in anderen Regionen Deutschlands.
Corona Hamburg: Zahl der Neuinfektionen steigt wieder stark
Nach Angaben der Sozialbehörde lag die Sieben-Tage-Inzidenz vor zwei Wochen bei 286,3, vor einer Woche bei 337,9, am Dienstag bei 484,6. Das Robert-Koch-Institut (RKI) sah den Wert bei 501,9. Kleine Schwankungen sind durch unterschiedliche Meldefristen bedingt. Auffällig ist, dass nach den RKI-Daten die Differenz zum Vortag 4063 Fälle betrug. Im bevölkerungsreicheren Berlin waren es nur 3045. Dort lag die Inzidenz auch bloß bei 292,8.
Wie passen dazu die Einschätzungen der Schulbehörde? „Die Infektionen gehen immer weiter zurück“, heißt es in einem Tweet der Hamburger Schulbehörde vom 13. Juni. Die „positive Entwicklung der Corona-Infektionslage“ sei deshalb auch Anlass, das Serviceangebot über freiwillige Corona-Tests an den Schulen einzuschränken sowie auch schrittweise das Abschalten der Luftfilter anzuordnen.
Corona Hamburg: Stoßlüften bleibt an Schulen Pflicht
Seit Montag sind die Schulen also demnach lediglich dazu verpflichtet, stoßweise zu lüften. „Sollte die Situation sich im Herbst (jedoch) verändern, sind die Schulbehörde und die Schulen bereit, alle Maßnahmen des 5-Stufen-Sicherheitskonzeptes nach Bedarf wieder einzusetzen“, heißt es in einem zweiten Teil des Tweets. Aber erst im Herbst.
Vom Abendblatt befragte Ärztevertreter sprechen von einer „vermutlich größeren Infektionsdynamik“ in Hamburg. Genaue, belastbare Zahlen sind aufgrund des laxen Testregimes nicht vorhanden. Beobachter machen unter anderem Großveranstaltungen wie die Online Marketing Rockstars mit Zehntausenden Teilnehmern verantwortlich. Die Sozialbehörde kann auf Nachfrage keine „Cluster-ähnlichen“ Infektionsfälle bestätigen.
Corona-Inzidenz: Aktuell 14 Intensivpatienten in Hamburg
Dass viele Krankheitsverläufe mild sind oder gar nicht von den Infizierten bemerkt werden, erschwert die Einschätzung der Lage. Umgekehrt aber belasten diese Fälle auch nicht das Gesundheitswesen. 218 Krankenhauspatienten derzeit, davon 14 auf Intensivstationen, sind ein beherrschbarer Wert. Niemand wird aktuell zusätzlich künstlich beatmet.
Überhaupt scheint sich die Debatte um die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ immer weiter zu entspannen. Sie war gesetzlich verfügt worden für Mitarbeiter im Gesundheitswesen. In Hamburg haben sich nach Angaben von Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde, „viele Hundert Fälle in Wohlgefallen aufgelöst“. Heißt: Menschen im Gesundheitswesen, die bislang noch keinen Impfnachweis vorgelegt haben, konnten das nachreichen. Weitere Fälle würden weiter einzeln geprüft.
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Helfrich sagte: „Den Behörden liegen derzeit Meldungen von 954 Einrichtungen über insgesamt 4849 Personen vor. Das bedeutet: Für diese Anzahl von Menschen wurde ein Überprüfungsbedarf gemeldet. Das bedeutet nicht unbedingt, dass so viele Menschen auch tatsächlich ungeimpft sind.“
Etwa jeder dritte Gemeldete kommt aus dem Krankenhausbereich. Das ist kein Wunder, denn Hamburgs Kliniken haben Zehntausende Mitarbeiter. 1500 Meldefälle aus dem Gesundheitswesen konnten bislang abgeschlossen werden, weil jetzt Nachweise über Impfung oder Genesenenstatus vorliegen oder jemand nun woanders arbeitet. 1600 Fälle würden noch untersucht. Bislang hat es in Hamburg in keinem Fall Sanktionen wie ein Betretungsverbot oder ein Verbot der Berufsausübung gegeben. Das hatten viele bei der Einführung der Pflicht befürchtet.
Corona Hamburg: Impfquote wohl viel höher als gedacht
Unterdessen hat die Kassenärztliche Vereinigung erklärt, dass im Jahr 2021 erheblich mehr Corona-Impfungen von den Niedergelassenen abgerechnet worden seien, als an das RKI gemeldet wurden. Der Unterschied habe mehr als 100.000 Impfungen betragen. Hintergrund seien allerdings nicht etwa Abrechnungsmanipulationen, sondern Meldeverzögerungen. Die Ärzte mussten jede Impfung parallel an das RKI melden, wobei es auf der IT-Plattform zu technischen Problemen gekommen sei.
Die KV erklärte, die Zählsystematik sei zuletzt umgestellt worden. Die Zahlen würden sich in Kürze angleichen, weil viele Impfungen nachgemeldet würden. Nebeneffekt der unterschiedlichen Zahlen: Die Impfquote wird deutlich höher gewesen sein als bekannt.