Hamburg. Wehrbeauftragte Eva Högl diskutiert mit hochkarätigen Experten beim 16. Außenpolitischen Salon über Effekte auf Nato und Bundeswehr.
Der Ukraine-Krieg ist eine Zeitenwende und verändert alles. Darin sind sich die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Eva Högl, und der Kommandierende General des Multinationalen Korps Nord-Ost Jürgen-Joachim von Sandrart einig. Die beiden diskutierten auf dem 16. Außenpolitischen Salon der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und des Abendblatts über die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Nato und die Bundeswehr
Für Generalleutnant von Sandrart handelt es sich um einen mit ungeahnter Brutalität geführten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Der konventionelle zwischenstaatliche Krieg sei damit nach Europa zurückgekehrt. Es gehe um mehr als die Ukraine – Putin strebe eine grundlegende Revision der regelbasierten liberalen Ordnung an. „Das hat eine grundlegende Verschiebung der Koordinaten der europäischen und internationalen Sicherheitsarchitektur zur Folge“, sagte von Sandrart.
Ukraine-Krieg: Deutsche Bundeswehr rüstet auf
Nach Ansicht der Wehrbeauftragten des Bundestages macht der entsetzliche Krieg in der Ukraine deutlich, warum wir eine einsatzbereite voll ausgestattete Bundeswehr brauchen. „Unsere Soldatinnen und Soldaten verteidigen Frieden, Freiheit und Demokratie. Dafür verdienen sie unsere Anerkennung und unseren Respekt“, so Högl. Sie sei zuversichtlich, dass die zunehmende Unterstützung durch die Bevölkerung und die Politik von Dauer sei.
Mit einem schnellen Ende des Krieges ist nach Ansicht der Referenten indes nicht zu rechnen. Von Sandrart warnte davor, die Bedrohung durch Russland aufgrund bisheriger hoher Verluste, der Wirkung von Sanktionen und mangelnder operationeller Befähigung kleinzureden. Erforderlich bleibe eine nachhaltige und glaubwürdige Abschreckung, die sich in einer insbesondere aus russischer Sicht nicht überwindbaren Verteidigungsbereitschaft begründet.
100 Milliarden für Bundeswehr
Högl und von Sandrart sind sich der besonderen Rolle Deutschlands in dieser Situation bewusst. In vielen Gesprächen in den baltischen Staaten und Polen sei ihm die hohe Wertschätzung Deutschlands verdeutlicht worden, sagte von Sandrart. Natürlich gehe damit auch eine Erwartungshaltung einher, dass Deutschland sich weiter verlässlich für Sicherheit seiner Verbündeten engagiere. Die bereits ergriffenen Maßnahmen wie die schnelle und substanzielle Verstärkung der Bundeswehrkräfte in Litauen werde dabei überall anerkannt.
„Um ihren Auftrag erfüllen zu können, brauchen unsere Soldatinnen und Soldaten die besten Rahmenbedingungen“, sagte Högl. „Das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro und die Erhöhung des Verteidigungshaushalts sind dringend notwendig, um die volle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr wiederherzustellen. Wichtig ist, dass das Geld schnell und spürbar in der Truppe ankommt. Dafür müssen Beschaffungsprozesse beschleunigt, das Vergaberecht vereinfacht und Bürokratie abgebaut werden“, sagte die Wehrbeauftragte.
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Ob die politischen Abläufe die notwendigen Beschleunigungen darstellen könnten?, wurde in der anschließenden Diskussion gefragt. Natürlich brauchen Entscheidungen Zeit, zumal in Demokratien. Dies dürfe gerade angesichts des sensiblen Themas „Waffenlieferungen“ auch niemanden überraschen, so von Sandrart. Seiner Ansicht nach greife es auch zu kurz, die vielfältige Unterstützung der Ukraine nur auf dieses Feld zu verengen. Angesichts der Dynamik des Kriegsgeschehens sei es allerdings erforderlich, zeitgerecht zu Ergebnissen zu kommen.
Hier sei bereits viel erreicht worden, und er sei optimistisch, dass dies auch künftig gelinge, so der General weiter. Die verantwortungsdiffundierende Prozesskultur sollte nicht uns bestimmen, sondern wir den Prozess. „Und dafür braucht es klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten“, ergänzte die Wehrbeauftragte.
Nato als Sicherheitsgarant
So entließen die beiden Referenten die Zuhörer trotz der ernsten Lage nicht ohne Hoffnung. Die Nato habe sich schon vor dem 24. Februar auf die zunehmende Bedrohung durch Russland eingestellt, die spätestens mit der Annexion der Krim deutlich geworden sei. Die seither zusätzlich veranlassten Maßnahmen verdeutlichen die Geschlossenheit der Allianz.
Die jüngsten Beitrittsersuchen Schwedens und Finnlands zeigten zudem, wie attraktiv die Nato als Sicherheitsgarant sei. Der vorsichtigen Zuversicht konnte sich auch Alexander Blümel vom ukrainischen Generalkonsulat in Hamburg anschließen, der die Grüße der Generalkonsulin übermittelte, zeitnahe Entscheidungen anmahnte und für die vielfältige Unterstützung seines Landes durch Deutschland dankte.