Hamburg. Mit perfider Geschichte überzeugten die Betrüger einen Rentner, ihnen Wertgegenstände und Geld zu überreichen. Rettung in letzter Sekunde.

Er warf nur schnell einen Bademantel über. Dann eilte der Mann nach draußen, nur notdürftig bekleidet und barfuß. Der 80-Jährige war bemüht, schnell zu sein, denn er war aufgewühlt und in großer Sorge. Es ging um seine Tochter, die in Not war; da wollte er helfen. Deshalb hatte er Geld dabei, Schmuck und Goldbarren, alles, was er auf die Schnelle von seinen Wertsachen zusammenraffen konnte. Das wollte er hergeben, um die Tochter vor dem Gefängnis zu bewahren. 

Tatsächlich war allerdings niemand aus dem Umfeld von Heinz P. (Name geändert) in Gefahr, hinter Gitter zu kommen. Das Ganze war die abgefeimte Täuschung einer Bande, die mit dem sogenannten Enkeltrick Kasse machen wollte. Immer wieder legen Betrüger vorwiegend ältere Opfer herein, die sie mit unterschiedlichen Varianten des Enkeltricks abzocken.

Enkeltrick in  Hamburg: Frauen wollten 80-Jährigen um 100.000 Euro erleichtern

Jetzt sitzen zwei Frauen als Angeklagte im Prozess vor dem Landgericht, denen die Staatsanwaltschaft vorwirft, Mitglieder einer solche Bande zu sein. Ihre Rolle soll die der Abholerinnen gewesen sein, die tätig werden, nachdem ein sogenannter „Keiler“ den Geschädigten ein Märchen von einer angeblichen Notlage eines Verwandten aufgetischt hat.

So sollen die 33 Jahre alte Agnieszka D. und ihre zwei Jahre ältere mutmaßliche Komplizin Edyta W. Senioren zu Hause aufgesucht haben, um deren Erspartes abzuholen. Laut Anklage gab es zwischen dem 16. November vergangenen Jahres und dem 20. Januar vier Opfer. Bei einem der Geschädigten erbeutete die Bande demnach 80.000 Euro, bei einem weiteren 8000 Euro und in einem Fall wiederum 17.000 Euro. Der Betrug an Heinz P. indes, einem Mann aus dem wohlhabenden Nienstedten, den sie um mehr als 100.000 Euro erleichtern wollten, flog in allerletzter Sekunde auf. 

Prozess in Hamburg: Wert-Übergabe sollte im Newsmans Park stattfinden

Laut Anklage ging die Bande im Fall des 80-Jährigen so vor: Der Mann wurde von einem Mittäter der beiden Frauen telefonisch kontaktiert. Dieser Komplize behauptete, er sei ein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft und habe schlimme Nachrichten für Heinz P. Dessen Tochter habe nämlich einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht und müsse dafür wohl ins Gefängnis. Der Vater könne allerdings verhindern, dass die Tochter in Haft komme, wenn er 100.000 Euro als Kaution zahle.

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Der Geschädigte begab sich daraufhin Hals über Kopf mit 1,7 Kilo Goldbarren, Schmuck und Bargeld, die er in eine Tasche gestopft hatte, zum vereinbarten Übergabeort im Newmans Park. Dort hatten sich den Ermittlungen zufolge die beiden Angeklagten ihm bereits genähert, um die Wertsachen mitzunehmen. Dann allerdings, so die Anklage weiter, brachen sie ihr Vorhaben ab, weil sie befürchteten, sie würden beobachtet, und der Schwindel könnte auffliegen.

Haushälterin bemerkte die fiese Masche der Betrüger

Die beiden Angeklagten möchten zum Prozessauftakt zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen. Und das mutmaßliche Opfer Heinz P. selber ist zu krank, um als Zeuge auszusagen. Doch seine Haushälterin hat viel von der bösen Masche mitbekommen.

Sie sei an jenem Morgen zum Einkaufen losgegangen und habe den Herrn bei ihrer Rückkehr vor dem Haus stehen sehen, erzählt die 51-Jährige. „Er war im Morgenmantel und barfuß und trug einen Jutesack in der Hand.“ Auf ihre Frage, wo er hinwolle, habe der Senior ihr aufgelöst erzählt, er müsse seine Tochter mit Hilfe von 100.000 Euro vor dem Gefängnis bewahren. „Ich muss eine Kaution zahlen und warte auf die Polizei“, habe der Mann gesagt. 

Doch die Haushälterin ahnte, dass an der Geschichte etwas mächtig faul ist. Sie brachte Heinz P. dazu, zurück ins Haus zu gehen und sperrte kurzerhand die Tür zu. Dann lief sie zurück zum Supermarkt, vor dem sie zuvor zufällig einen Polizeiwagen gesehen hatte, und kam in Begleitung eines Beamten zurück zu ihrem Arbeitgeber. Dort im Haus habe der Polizist eine Fangschaltung einrichten können, und es sei gelungen, ein Telefonat mit den Betrügern über Stunden aufrecht zu erhalten. Schließlich hätten die Täter wohl befürchtet aufzufliegen und hätten sich zurückgezogen.

Ringe im Wert von 30.000 bis 40.000 Euro

Die Beute, die sie andernfalls gemacht hätten, wäre beträchtlich gewesen, erzählt die Haushälterin. „Das, was in dem Beutel war, war mehr wert als die 100.000 Euro.“ Heinz P. habe neben den Goldbarren und Bargeld mehrere  Ringe übergeben wollen, die allein 30.000 bis 40.000 Euro wert seien. Die Betrüger hätten, als sie merkten, dass bei dem Mann offensichtlich etwas zu holen ist, gesagt, es könne noch teurer werden. Daraufhin habe der 80-Jährige erzählt, er habe noch Bilder an der Wand. Nach Darstellung seiner Haushälterin ist Heinz P. „eigentlich ein sehr gestandener Mann, der nicht so leicht hinters Licht zu führen ist. Aber er glaubte, die Stimme seiner Tochter erkannt zu haben.“

Dies zeigt, wie raffiniert Enkeltrick-Betrüger häufig vorgehen. Neben der Variante der sogenannten Schock-Anrufe gibt es die Methode, dass der Anrufer vorgibt, ein naher Verwandter zu sein, der sich mal wieder meldet. „Rate mal, wer am Apparat ist“, heißt es dann. Und wenn der Senior am Telefon glaubt, beispielsweise mit seiner Nichte Inge zu sprechen, schlüpft der Anrufer in die Rolle eben dieser Inge, täuscht eine finanzielle Notlage vor und versucht, dem besorgten Verwandten möglichst viel Geld zu entlocken.

Enkeltrick: Viele Varianten des Betrugs

Eine weitere Variante ist, dass Leute von einem angeblichen Polizisten angerufen werden. Dieser warnt, dass in der Nachbarschaft des Seniors oder der Seniorin eine Einbrecherbande unterwegs sei und man wisse, dass speziell dieser Hamburger als nächstes Opfer auf einer Liste stehe. Um seine Wertsachen in Sicherheit zu bringen, solle der Angerufene Bargeld, Schmuck und Gold einem Polizisten übergeben. Kurz danach klingelt jemand an der Tür und nimmt die Wertsachen im Empfang. Es ist dann mitnichten ein Freund und Helfer. Es sind Betrüger.