Hamburg. Opfer Samira M. wurde auf einer Party heimlich gefilmt. Das Bildmaterial wurde beim beliebten Streaming-Dienst hochgeladen.

Die Stimmung ist ausgelassen. Es ist wird Musik gespielt, gelacht und getanzt. Eine junge Frau, die zu der fröhlichen Gruppe in einer Harburger Wohnung gehört, trägt ein bauchfreies Shirt und Shorts. Alles nichts Besonderes. Eigentlich. Doch die Ereignisse nach dieser privaten Feier haben eine Dynamik entwickelt, die jetzt zu einem Strafprozess geführt haben. Denn auf dem kleinen Fest wurde von der leicht bekleideten tanzenden Frau ein kurzes Video gedreht, das schließlich auf dem Portal TikTok landete und vielfach angeklickt wurde.

TikTok ist, wie andere Plattformen auch, im Internet beliebt. Sie werden als Bühne genutzt von Menschen, die sich mitteilen wollen, die die Öffentlichkeit suchen. Bei manchen spielt wohl auch der Gedanke eine Rolle, so ein kurzes Video könnte die Initialzündung für eine Karriere sein, als Influencer, als Model, als Star. Das Internet ist ein äußerst potenter Multiplikator. So etwas bietet unendliche Chancen.

Prozess Hamburg: Opfer kommt aus einer streng religiösen Familie

Doch es birgt auch Gefahren. Denn so mancher landet im Netz, der niemals in die Öffentlichkeit wollte. Samira M. (alle Namen geändert) ist so eine Person, die großen Wert darauf legt, dass Privates unbedingt privat bleibt. Als sie erfuhr, dass der kleine Film von ihr, auf dem sie bauchfrei und mit nackten Beinen tanzend zu sehen ist, auf TikTok veröffentlicht wurde, war sie entsetzt. Und nicht nur die junge Frau selber, sondern vor allem ihre Angehörigen. Denn Samira M. kommt aus einer streng religiösen Familie. Die junge Frau erstattete Anzeige.

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Von Jens Meyer-Wellmann und Christoph Rybarczyk

Jetzt im Prozess vor dem Amtsgericht muss sich die Urheberin des kurzen Videos verantworten. Nadja D. wird vorgeworfen, den Film der tanzenden Frau auf ihrem Kanal im Portal TikTok, bei dem sie mehr als 2000 Follower hatte, bis Ende vergangenen Jahres veröffentlicht und zum Download bereitgestellt zu haben. Die Staatsanwaltschaft legt der 29-Jährigen deswegen Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz sowie Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen zur Last. Dieses Video sei Anfang 2020 zwar mit Einverständnis von Samira M. aufgenommen worden, heißt es in der Anklage. Doch einer Veröffentlichung auf TikTok habe die Geschädigte nicht zugestimmt und hätte es auf Anfrage auch nicht getan. Außerdem wirft die Staatsanwaltschaft Nadja D. Fahren ohne Fahrerlaubnis vor.

Zum Prozess ist es gekommen, weil die 29-Jährige gegen einen Strafbefehl, also gewissermaßen ein schriftliches Urteil ohne Hauptverhandlung, Einspruch eingelegt hat. Das Gesetz lässt es zu, dass Angeklagte in solchen speziellen Fällen nicht selber vor Gericht erscheinen müssen. Und so ist an diesem Mittwoch Nadja D. nicht anwesend, sondern lässt sich von ihrer Verteidigerin vertreten. Und diese führt an, dass ihre Mandantin die Vorwürfe einräumt und bedauert, so etwas getan zu haben.

Hamburgerin rechtfertig ihr Handeln mit Drogenkonsum

Die Angeklagte sei damals in einer sehr schwierigen Situation gewesen, habe unter anderem erhebliche Beziehungsschwierigkeiten gehabt, sei damals wie heute arbeitslos und habe seinerzeit Marihuana konsumiert, auch um ihre Probleme zu verdrängen. Damals habe die 29-Jährige nicht erkannt, welche Folgen das Video für ihre Bekannte haben könnte. Heute setze sie sich ernsthaft mit ihren Problemen auseinander, habe stationäre und ambulante Therapien in Anspruch genommen. „Sie hat sich stabilisiert“, betont die Verteidigerin.

Dies sei durchaus positiv zu bewerten, sagt die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Negativ auf das Strafmaß müsse sich allerdings auswirken, dass Nadja D. von den strengen Familienverhältnissen bei Samira M. wusste und dass sich die Familiensituation der jungen Frau nach der Veröffentlichung des Videos noch verschlimmert habe. Außerdem habe das Opfer unter Angstzuständen gelitten.

Am Ende verhängt der Amtsrichter eine Geldstrafe von 65 Tagessätzen zu zehn Euro gegen die Angeklagte. Anzuerkennen sei, dass Nadja D. ihr Verhalten bedauere und dass sie sich ernsthaft bemühe, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Dass sie damals das Video ohne Einverständnis veröffentlichte, sei „nicht die reine Boshaftigkeit“ gewesen, sondern „auch eine gewisse Orientierungslosigkeit“.