Hamburg. Der Denkmalverein stellt in einem Fotoband Beispiele vor, wie die Sanierung alte Gebäude in der Hansestadt vor dem Abriss rettet.
Die Abrissbirne wird es in den kommenden Jahren schwer haben – seitdem die Klimadebatte nach den Herzen auch die Hirne erreicht, könnte die alte Strategie des Ex-und-hopp-Bauens bald der Vergangenheit angehören. War vor Kurzem Abriss und Neubau noch der Normalfall in der Stadtentwicklung, werden nun Umbau und Sanierung wichtiger. Denn mehr als die Hälfte des CO2 verbraucht ein Gebäude schon während des Baus. Höchste Zeit umzudenken.
Dass der Verzicht auf Abriss kein Verzicht an Baukultur ist, zeigt ein neuer kleiner Band, den der Denkmalverein im Dölling und Galitz Verlag herausgebracht hat: Er stellt in Wort und Bild beispielhafte Sanierungen vor. „Wir wollten als Denkmalverein nicht immer nur mahnen oder kritisieren, sondern endlich einmal ausdrücklich loben“, sagt Kristina Sassenscheidt vom Denkmalverein.
Denkmalschutz: Ermutigung zum Weiterbauen
„Mit der Publikation können wir schöne Projekte unterstützen und einer größeren Öffentlichkeit bekannt machen und damit zum Weiterbauen ermutigen.“ Rainer Nagel, der Vorstandsvorsitzende der Bundesstiftung Baukultur, fasst es in seinem Vorwort zusammen: „Der Erhalt unseres Gebäudebestandes und dessen bauliche Pflege und Weiterentwicklung sind so etwas wie die Grundlagen für ein gelingendes Leben.“ Es gehe darum, mit „Freude zu sanieren“.
Diese Freude spürt man in den Texten und Bildern, die acht vorbildliche Hamburger Sanierungs- und Umnutzungsprojekte präsentiert wie etwa den Brandshof an der Nahtstelle zum Grasbrook. Ihn hat der Unternehmer Joachim Doerks mit viel Liebe und Geld zu einem Kontorhaus umgebaut. Er sagt: „Ein Denkmal darf kein Museum werden.“ Beispielhaft ist die Wiederherstellung und -entdeckung der Tankstelle an den Grindelhochhäusern. Vergessen und verunstaltet schien das Kassenhäuschen dem Verfall preisgegeben, bis sich die Saga, der Denkmalverein und die Kulturbehörde gemeinsam ein Stück Stadtgeschichte wiederbelebten.
Auch ungewöhnliche Denkmäler werden vorgestellt
Eindrucksvoll ist auch die Umwandlung des Harburger Kaufhaus-Speichers zu einer Veranstaltungsfläche gelungen, die das spektakuläre Holzständerwerk nicht nur erhalten hat, sondern es als Event-Location öffnet. Mit viel Sensibilität und Liebe zum Detail ist ein Kleinod wiedererstanden – sogar inklusive der Chargennummer einst eingelagerter Güter. Dass es sogar möglich ist, ein Denkmal zu retten und den Wohnungsbau voranzubringen, zeigt die Umwandlung des ehemaligen AK Ochsenzoll von der Heilanstalt zum Wohnquartier, wo durch Neubauten das Ensemble gerettet und restauriert werden konnte.
Ebenso Teil des kleinen Bandes ist der „Glücksfall Dehmelhaus“ in Blankenese oder die Sanierung und Erweiterung der katholischen Kirche St. Ansgar in Niendorf. Auch eher ungewöhnliche Denkmäler finden in dem Bändchen Platz – die Umnutzung der ehemaligen Arrestanstalt in Wandsbek oder der Umbau eines ehemaligen Verwaltungsgebäudes in der City Nord zum Apartmenthaus.
"Abriss sollte zur Ausnahme werden"
Etwas nervig ist das zeitgeistige wie geistlose Gendern, wenn von „Fotograf:innen, Architekt:innen und Bauherr:innen“ die Rede ist. Müsste es nicht Baufrauen heißen? Sprache steht eben nicht unter Denkmalschutz. Mit dem Buch will der Denkmalverein Hamburg den Paradigmenwechsel vorantreiben – hin zu einer neuen, alten Form der Stadtentwicklung, die den Bestand bewahrt, weiterdenkt und fortentwickelt. „Sanierungen und Umnutzungen sollen der Normalfall werden und Abrisse zur Ausnahme“, sagt Sassenscheidt. „Die Stadt muss neu gedacht werden, denn die Zukunft liegt im Bestand!“
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Unterstützt haben die Publikation die Katharina und Gerhard Hoffmann Stiftung, die Hamburgische Architektenkammer und Stiftung Denkmalpflege Hamburg. „Wir haben das Büchlein bewusst ,Band 1‘ genannt – wir haben noch eine lange Liste mit vorbildhaften Projekten, die wir gerne in den kommenden Jahren vorstellen würden“, sagt Sassenscheidt. Die Zeit ist danach.
Denkmalverein (Hrsg.): „Stadt Neu! Beispielhafte Sanierungen aus Hamburg“, 72 Seiten, 80 Farbabbildungen, 12 Euro