Hamburg. Warum Hygienefachkraft Nicole Ohff vom Agaplesion Diakonieklinikum keine Hände schüttelt, Events meidet und die Abstandsregeln einhält.
Vor der Pandemie war es das Natürlichste der Welt, seinem Gegenüber zur Begrüßung die Hand zu geben. Jetzt, nachdem wir uns das zwei Jahre lang abtrainiert haben, fragen sich viele: Soll ich wieder oder soll ich nicht? Für Nicole Ohff ist die Antwort klar: „Ich schüttle noch keine Hände“, sagt die Leitende Hygienefachkraft im Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg in Eimsbüttel.
Die Expertin hält sich generell noch sehr an die Corona-Maßnahmen, meidet Innenraumveranstaltungen und hält die Abstände weiterhin ein. „Wir haben in Hamburg immer noch ein hohes Infektionsgeschehen“, sagt Ohff. „Eigentlich bin ich eine Händeschüttlerin – gerade ist das aber noch gar kein Thema für mich. Dafür müssen die Infektionszahlen noch weiter runtergehen.“
Corona Hamburg: Expertin rät vom Händedruck ab
Auch die oft genutzte Alternative, die Begrüßung mit der Faust, sieht Ohff skeptisch: „Es ist sicherer als Händeschütteln, weil es nur ein ganz kurzer Kontakt ist und sich die Handflächen nicht berühren. Dennoch würde ich, wenn man sich berühren möchte, eher den Ellenbogencheck empfehlen. Oder man lässt es einfach für eine Zeit noch ganz.“
Die Hygieneexpertin geht aber davon aus, dass die Begrüßung per Händedruck in einigen Monaten wieder normal sein wird. „Ich wurde schon vor Corona oft gefragt, ob man das nicht lieber lassen sollte“, sagt Nicole Ohff. „Aus hygienischer Sicht lautet die Antwort natürlich: ja. Aber ich finde, ein Händedruck macht so viel aus, er stellt eine Verbindung her, drückt Vertrauen und Nähe aus.“ Gerade im Krankenhaus finde sie es total wichtig, dass man sich berührt, und wenn man sich vorstellt, die Hand gibt. Das sei in unserer Gesellschaft einfach üblich. „Ich glaube, da gewöhnen wir uns schnell wieder um“, sagt Ohff. Und man könne sich danach ja immer noch die Hände desinfizieren.
Tragen der Maske weiterhin hilfreich
Grundsätzlich alles um sich herum zu desinfizieren, zum Beispiel beim Einkaufen, davon halte sie jedoch nichts. So bringe es gar nichts, den Griff eines Einkaufswagens zu desinfizieren, weil man ja trotzdem alle Produkte anfasse. „Ich denke, es ist völlig ausreichend, sich nach dem Einkauf zu Hause einmal gründlich die Hände zu waschen“, sagt Nicole Ohff. „Bis dahin muss ich mich dann disziplinieren, mir nicht ins Gesicht zu fassen. Auch aus diesem Grund ist das Tragen einer Maske momentan weiterhin hilfreich.“
Dass wir dazu übergehen werden, die Masken dauerhaft zu tragen, glaubt die Expertin aber ebenfalls nicht – und hält es auch gar nicht für erstrebenswert. Natürlich mache es auch unabhängig von Corona Sinn, beispielsweise in einer vollen U-Bahn eine Maske zu tragen, um sich gegen Erkältungsinfekte zu schützen. „Am allermeisten macht es aber Sinn, wenn das alle tun“, sagt die Ohff. „Aber wollen wir dauerhaft so leben? Ich wünsche es mir eigentlich anders – und muss den Schnupfen dann wohl in Kauf nehmen.“
Keime für Aufbau des Immunsystems wichtig
Gerade für junge Menschen sei es ihrer Ansichten nach wichtig, regelmäßig mit Keimen und Erregern in Kontakt zu kommen, um das Immunsystem zu trainieren und aufzubauen. Hier gebe es zwar unterschiedliche Meinungen, so Ohff. Sie aber halte ein übertriebenes hygienisches Handeln im Alltag, um sich vor allem zu schützen, nicht für sinnvoll.
Noch sei Corona aber eben nicht vorbei. Zwar sei es nachvollziehbar, dass die pandemische Lage jetzt ausgelaufen sei, da die meisten Infektionen moderat verliefen und die Bevölkerung durch die Impfung relativ gut geschützt sei, so Ohff. Doch gerade im Krankenhaus werde klar, dass das Infektionsgeschehen immer noch hoch sei – auch wenn die meisten Patienten nicht wegen, sondern mit Corona kämen. „Wir sind seit zwei Jahren sehr gefordert. Es ist für alle Beteiligten im Krankenhaus sehr mühsam, kostet viel Kraft und Nerven. Und es ist weiterhin eine große Herausforderung“, sagt Ohff, die dafür zuständig ist, die Mitarbeiter in allen Fragen zum Thema Krankenhaushygiene zu schulen und zu beraten sowie die Vorgaben zu kontrollieren.
Besuch im Krankenhaus ein großes Risiko
Alle Patienten würden nach wie vor bei der Aufnahme und in den folgenden drei Tagen getestet, per Antigen- und PCR-Test. Ist ein Patient positiv, müsse er isoliert werden, gegebenenfalls auch der Zimmernachbar, und die jeweiligen Nachbarbetten könnten nicht belegt werden. „Das ist weiterhin eine große Herausforderung“, sagt Ohff. Hinzu komme der zeitliche Aufwand für das Personal, sich jedes Mal die geforderte Schutzausrüstung mit Maske, Visier und Haube anzuziehen. Um diesen gesamten Aufwand geringer zu halten, plädiert die Expertin dafür, die Corona-Maßnahmen generell noch länger beizubehalten.
Das gelte auch für die Besuchsregelung im Krankenhaus – der „wunde Punkt“ in Zeiten von Corona. „Im Regelfall ist Besuch im Krankenhaus natürlich vollkommen in Ordnung und erwünscht“, sagt Ohff. „Aber jetzt, wo außerhalb des Krankenhauses wieder mehr erlaubt ist und gleichzeitig wieder mehr Besucher reinkommen, ist das ein großes Risiko.“ Es gebe eben immer auch Besucher, die ihre FFP2-Maske im Patientenzimmer nicht kontinuierlich trügen.
Corona Hamburg: Haut sollte desinfiziert werden
Die Sorge vieler Patienten, sich im Krankenhaus mit einem multiresistenten Erreger zu infizieren, ist laut der Fachfrau übrigens „unbegründet“. Bereits bei der Aufnahme würden Patienten, bei denen ein Risiko vorliegt, einen solchen Keim mitzubringen, herausgefiltert und wenn nötig isoliert. „Die meisten Krankenhausinfektionen, die auftreten, sind durch sensible Erreger begründet“, sagt Ohff. „Das sind meist Erreger, die der Patient selber mitbringt.“
Denn: Jeder Mensch trage drei Kilo Bakterien bei sich. Diese brauchen wir zum Beispiel für unsere Verdauung oder unsere Haut. Aber auch die kleinsten Hautkeime können, wenn sie an die falsche Stelle gelangen, eine Infektion auslösen. „Das kann zum Beispiel passieren, wenn ein Zugang für eine Infusion gelegt wird“, sagt Ohff. „Darum ist es wichtig, die Haut vorher zu desinfizieren und die Einwirkzeit des Desinfektionsmittels abzuwarten.“