Hamburg. Während der Lockdowns waren Kleintiere der Hit. Mittlerweile hat sich das Leben normalisiert – mit drastischen Folgen für die Tiere.
In der Hochphase der Pandemie sehnten sich die Menschen vor allem nach einem: Gesellschaft. Bei Lockdown, Kontaktbeschränkungen und der damit verbundenen Sorge vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus erlebten Tierhandlungen einen wahren Boom. Egal ob Hund, Katze oder Kaninchen: Der Absatz von Haustieren stieg in den vergangenen beiden Jahren rapide. Mittlerweile hat sich das soziale Leben vieler Menschen wieder normalisiert. Die Folge: Immer mehr Haustiere werden ausgesetzt. Der Hamburger Tierschutzverein (HTV) beobachtete in den vergangenen Wochen vor allem die hohe Anzahl an ausgesetzten Kaninchen mit großer Sorge.
Tierschutz Hamburg: Deutlicher Anstieg an ausgesetzten Kaninchen
Waren es im letzten Jahr noch 20 ausgesetzte Kaninchen bis zum 12.Mai 2021, so sind es dieses Jahr bis zum entsprechenden Tag bereits 45 Kleintiere. "Wir sind besorgt, dass uns in den kommenden Monaten eine Aussetzungswelle an Kleintieren überrollen wird. Es liegt nahe, dass die Tiere zum Kuscheln für die Kinder in Lockdownzeiten angeschafft wurden und jetzt, wo die Normalität wieder einkehrt, keine Zeit oder Lust mehr übrig ist, sich um die doch recht aufwendigen Kleintiere zu kümmern. Kaninchen oder Meerschweinchen werden leichtfertiger ausgesetzt als Hunde oder Katzen“, so Nicole Hartmann aus der Tierschutzberatung des HTV.
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Was die Tierschützer besonders schockiert, ist der häufig katastrophale gesundheitliche Zustand der Tiere. In Neugraben-Fischbek wurde beispielsweise ein weiß-schwarzes Löwenkopf-Kaninchen gefunden und zu einer Polizeiwache gebracht, das einen derart komplizierten Bruch eines Hinterlaufs hatte, dass es zu einer Amputation kommen musste.
Kein Einzelfall: Auch in Altona und Harburg wurden zwei schwer verletzte Kaninchen mit schrecklichen Wunden am Körper gefunden, die ein Überleben lange ungewiss machten. "Das größte Problem bei Kleintieren und eben auch Kaninchen ist, dass sie so einfach, günstig und ohne Vorerfahrung in der Tierhandlung gekauft werden können", erklärte Hartmann. Ein Kaninchen kostet im Zoo-Laden zwischen 15 und 60 Euro. "Dagegen setzen wir uns seit Jahren ein, aber es ist immer noch nichts passiert“, so Nicole Hartmann weiter. Der HTV sieht darin auch den Grund, weshalb viele Kaninchen nach dem Kauf schlechten Haltungsbedingungen ausgesetzt sind.
Tierhalter wissen häufig nicht, was zur artgerechten Haltung gehört
Die Folge: Nach dem Kauf verwahrlosen viele Tiere, weil die Halter oft nicht einschätzen können, was alles nötig ist, um dem Haustier ein schönes Leben zu bereiten. "Die Bereitschaft, für die medizinische Versorgung von Kleintieren Geld in die Hand zu nehmen, bringen viele nicht auf. Doch Kaninchen melden sich nicht, so wie Hunde oder Katzen, wenn sie Schmerzen haben, sondern leiden im Verborgenen. Viele Tiere sind auch stark übergewichtig, haben zu lange Krallen, zu lange Zähne oder stark verfilztes Fell. Das alles wäre schnell in den Griff zu kriegen – doch hierzu muss es zunächst einmal ein Bewusstsein für das stille Leid der Tiere geben“, erklärt Tierärztin Urte Inkmann.
Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. (TVT) weist daher genau daraufhin, wie man Kaninchen optimal hält. So sollen Kaninchen mindestens zu zweit gehalten und ihnen mindestens eine Fläche von sechs Quadratmetern zur Verfügung gestellt werden. Sie müssen in der Lage sein, mindestens drei aufeinanderfolgende Hoppelschritte à 80 Zentimeter zu machen. Des Weiteren müssen verschiedene Strukturelemente in der Unterbringung und ein erhöhter Liegeplatz pro Tier im Stall vorhanden sein und dieser täglich von Kot und Urin befreit werden. „Viele Leute wissen nicht, welche natürlichen Bedürfnisse Kaninchen haben. Sie sind eben kein Kinderspielzeug“, schließt Nicole Hartmann ab.
Der Appell der Tierschützer ist angesichts der aktuellen Entwicklung daher klar formuliert. "Aussetzen ist keine Lösung!"