Hamburg. BUND kritisiert neuen Hamburger Luftreinhalteplan des Senats als zu lasch. Werden jetzt die Dieselfahrverbote aufgehoben?

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) hat Kritik am neuen Hamburger Luftreinhalteplan geübt. „Der Entwurf enthält keine einzige neue Maßnahme zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung“, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Lucas Schäfer dem Abendblatt. „Er schreibt einzig den bisherigen, gesetzlich derzeit gerade noch zulässigen, Status quo fest.“

Offenbar spiele die Verwaltung „gleich doppelt auf Zeit“, so Schäfer. Erstens sei die durch das Bundesverwaltungsgericht erzwungene „dritte Fortschreibung“ des Plans so lange verzögert worden, „bis sich pandemiebedingt der Handlungsdruck von selbst in Wohlgefallen auflöste“, so Schäfer. „Zweitens wird gehofft, dass die EU dieses Jahr noch nicht die zu erwartende, strengere europarechtliche Vorgabe beschließt. Denn in dem Fall wäre die Fortschreibung des Luftreinhalteplans bereits Ende dieses Jahres wieder hinfällig.“

Schadstoffe: Richter forderten Verschärfung der Planung

Hintergrund: Im März hatte die Umweltbehörde von Senator Jens Kerstan (Grüne) die neue Version des Luftreinhalteplans vorgelegt. Dies war nötig, weil das Bundesverwaltungsgericht im Mai 2021 ein Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts von 2019 bestätigt hatte. Die Richter kritisierten, dass Hamburg seit 2010 gültige Grenzwerte für gesundheitsschädliches Stickstoffdioxid (NO2) erst 2025 einhalten wollte – und forderten eine Verschärfung der Planung. Eine Hauptquelle von Stickoxiden sind Dieselmotoren.

Die Umweltbehörde konnte bereits einen Erfolg verkünden in dem Entwurf, der bis zum 23. April öffentlich ausgelegt worden war, um Bürgern und Verbänden Kritik daran zu ermöglichen. Erstmals wurde im Jahr 2021 der Grenzwert von 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft an allen zwölf Messstellen des Luftmessnetzes eingehalten. Das galt auch für die Straßen, an denen die Werte seit vielen Jahren zu hoch waren – Habichtstraße, Max-Brauer-Allee, Stresemannstraße oder Kieler Straße.

WHO forderte Reduzierung des Grenzwerts

Allerdings bezieht sich die „Fortschreibung“ des Luftreinhalteplans nur auf die Habichtstraße und den Straßenzug Nordkanalstraße/Spaldingstraße/Högerdamm. Denn diese waren Gegenstand der Gerichtsurteile. Im Fall der Habichtstraße verweist die Behörde im neuen Planentwurf darauf, dass eine veränderte Ampelschaltung dafür gesorgt habe, dass 4000 Fahrzeuge weniger pro Tag den kritischen Bereich passierten. Diese zunächst außerplanmäßige Maßnahme sei nun auch offizieller Bestandteil des Plans. Im Straßenzug Nordkanalstraße/Spaldingstraße/Högerdamm prognostizierten die Modellrechnungen auch ohne weitere Maßnahmen, dass die Grenzwerte fortan eingehalten würden.

Das allerdings gilt nur für die aktuellen Werte – die vermutlich keinen Bestand haben werden. Im vergangenen Jahr hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine drastische Reduzierung des Grenzwertes von jetzt 40 auf 10 Mi­krogramm gefordert, da immer mehr Untersuchungen zeigten, dass auch geringere Belastungen mit NO2 die Gesundheit schädigten. Das EU-Parlament hatte sich der Forderung bereits angeschlossen – eine Entscheidung der Kommission wird für dieses Jahr erwartet.

"Weitere Maßnahmen bei den Feinstäuben nötig"

Darauf ist die Stadt laut BUND nicht ausreichend vorbereitet – auch wenn mit Übergangsfristen bis 2030 zu rechnen sei. „Kommt es zu einer gesetzlichen Verankerung der WHO-Empfehlungen, stellt dies auch Hamburg vor neue Herausforderungen“, schreibt der Umweltverband in seiner Stellungnahme zum Luftreinhalteplan.

Zwar sei durch die Elektrifizierung mit einem Rückgang der NO2-Belastung zu rechnen. Bei den Feinstäuben, deren Grenzwerte laut WHO ebenfalls sinken sollen, würden aber weitere Maßnahmen notwendig. Hamburg müsse in seinem Luftreinhalteplan bereits einen Pfad zur Einhaltung neuer Vorgaben aufzeigen. Es dürfe nicht sein, dass wie bei den seit 2010 geltenden NO2-Grenzwerten mehr als zehn Jahre bis zur Einhaltung vergingen.

Schadstoffe: Dieselverbot könnte aufgehoben werden

Die Umweltbehörde betonte, dass sie bereits Gespräche zu dem Thema führe und in einem zweiten Teil des erweiterten Luftreinhalteplans die Belastung in der gesamten Stadt analysieren werde. Die geplante „gesamtstädtische Betrachtung“ erfordere aber „umfangreiche Modellierungen und somit auch Zeit“, sagte Umweltbehördensprecherin Renate Pinzke. Dabei solle auch geklärt werden, ob die Durchfahrtsverbote für ältere Diesel an Max-Brauer-Allee und Stresemannstraße aufgehoben würden.

„Die Luftqualität in Hamburg verbessert sich fortlaufend“, sagte Pinzke. „Und es zeichnet sich weiter ein abnehmender Trend bei der Schadstoffbe­lastung ab.“