Hamburg. Nicht nur die Zahl der Erkältungskrankheiten ist zurückgegangen. Aktuelle Daten aus dem AOK-Gesundheitsreport 2022.
Die Corona-Pandemie hat die Gesundheitsversorgung stark belastet. Doch neben allen negativen Folgen hat sie auch positive Auswirkungen gehabt – und das nicht nur, weil die Zahl der Erkältungskrankheiten dank der Maskenpflicht zurückgegangen ist. Nach Daten des Gesundheitsreports 2022 der AOK Rheinland/Hamburg, der dem Abendblatt vorab exklusiv vorliegt, ist auch die Zahl der vermeidbaren Krankenhausfälle gesunken – und zwar gleich um mehr als 20 Prozent.
Gemeint sind Erkrankungen, bei denen eine frühzeitige und hochwertige ambulante Versorgung den Klinikaufenthalt unnötig macht, sie heißen im Fachjargon ambulant-sensitiven Krankenhausfälle (ASK). Die Zahl dieser vermeidbaren Krankenhausfälle ist seit Jahren groß, sank durch die Corona-Ausbreitung aber – vermutlich weil Patientinnen und Patienten in den Kliniken eine Ansteckung befürchteten. In Hamburg ging die Zahl der potenziell vermeidbaren Krankenhausfälle laut Gesundheitsreport sogar um 24 Prozent zurück.
Corona Hamburg: Atemwegserkrankungen seltener in Klinik behandelt
Die AOK-Zahlen zeigen, dass besonders in den Lockdown-Monaten häufiger auf eine Abklärung in der Klinik verzichtet wurde: Im April 2020 gingen die ASK-Fälle um 46 Prozent zurück, im Mai um 34 Prozent, im November um 28 Prozent und im Dezember um 32 Prozent. Am stärksten rückläufig waren laut AOK-Bericht Krankenhausfälle aufgrund von Atemwegs- und Grippe-Erkrankungen, aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schmerzen des Bewegungsapparats oder Sucht-Erkrankungen wurden deutlich seltener stationär behandelt als in den Vorjahren.
„Die Notwendigkeit einer Stärkung der ambulanten Versorgung ist im Gesundheitswesen und in der Politik inzwischen unbestritten“, sagt Günter Wältermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg. „Krankenhausaufenthalte sollten nur dann stattfinden, wenn sie medizinisch wirklich notwendig sind. Von einer qualitativ hochwertigen, sektorenübergreifenden Versorgung profitieren besonders die Patientinnen und Patienten.“
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Viele Medikamente nach Klinikaufenthalt – eine Gefahr
Auch zeigen die AOK-Daten, dass sich bei einem Krankenhausaufenthalt häufig Änderungen im Medikationsplan ergeben. Zwei von drei Versicherten ab 65 Jahren, die zuvor nur wenige oder keine Arzneimittel eingenommen hatten, bekamen im ersten Quartal nach einer stationären Behandlung fünf oder mehr Medikamente verschrieben. Sie trügen damit ein höheres Risiko, dass sich die verschiedenen Wirkstoffe gegenseitig beeinflussen und zu Problemen führen können.
„Unerwünschte Wechselwirkungen von Arzneimitteln stellen ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar, das nicht selten zu schweren Krankheitsverläufen führt. Unsere Analysen zeigen, dass 4,5 Prozent der Versicherten ab 65 Jahren im Un-tersuchungszeitraum eine potenziell schädliche Arzneimittelkombination verordnet bekommen haben“, sagt Frauke Repschläger, Pharmazeutin bei der AOK Rheinland/Hamburg. Bei der Auswertung nicht berücksichtigt wurden Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel, die rezeptfrei erworben wurden und somit noch hinzukommen.
Stürze durch bestimmte Medikamente
Bestimmte Medikamente wie Antidepressiva und Schlafmittel beispielsweise erhöhen bei älteren Patientin-nen und Patienten das Sturzrisiko. Die Daten der AOK zeigen: Bei mehr als jedem fünften Versicherten ab 65 Jahren, der wegen Knochenbrüchen im Krankenhaus behandelt wurde, waren zuvor solche Medikamente verordnet worden.
„Diese Zahlen belegen noch keinen ursächlichen Zusammenhang, sie sollen aber für das Thema sensibilisieren. Zu einer Sturzprophylaxe gehört auch die kritische Überprüfung der Medikamente“, sagt Frauke Repschläger.
Weniger Menschen bei Krebsvorsorgeterminen
In vielen Lebensbereichen hat die Pandemie die soziale Ungleichheit verstärkt. Nach der Datenauswertung der AOK ist dies im Gesundheitsbereich nicht der Fall. Zum Beispiel bei der Teilnahme an der Krebsfrüherkennung und zahnärztlichen Kontrolluntersuchungen haben sich vor allem Rentnerinnen und Rentner mit hohem sozioökonomischem Status eingeschränkt – und einige der Untersuchungen dann nach dem Lockdown nachgeholt.
Die Quote der Teilnehmerinnen, die zu einer Krebsfrüherkennungsuntersuchung der Frau gekommen sind, sank in Hamburg um fünf Prozent. Bei den Krebsfrüherkennungsuntersuchungen beim Mann gab es in der Hansestadt einen Rückgang von drei Prozent. In der Grippesaison 20/21 ließen sich in Hamburg 14 Prozent mehr Versicherte gegen Grippe impfen als in den Vorjahren. Die Zahl der Patienten mit Herzinfarkt und Schlaganfall ging in der Hansestadt um 13 Prozent zurück, die Zahl der Bauchoperationen um neun Prozent, die der orthopädischen Operationen um sieben Prozent. Dies betraf vor allem elektive Eingriffe.
Mehr Menschen lassen sich gegen Grippe impfen
Auf die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser wirkte sich das negativ aus – auch weil sie phasenweise immer wieder Betten freihalten mussten für mögliche Corona-Patienten und daher planbare Operationen verschoben. Extramittel des Bundes hatten laut Senat im Universitätsklinikum Eppendorf nur ein Viertel der Kosten gedeckt. 31 und 35 Millionen Euro schoss Hamburg in den beiden Pandemiejahren hinzu.
Die Grippeschutzimpfung wurde in der Saison 2020/2021 von deutlich mehr Versicherten als in den Vorjahren in Anspruch genommen. Die Inanspruchnahmequote stieg um 21 Prozent. Vor allem in der Altersgruppe der 50- bis 69-Jährigen haben sich mehr Menschengegen Grippe impfen lassen.
In Hamburg stellt sich die AOK neu auf. Mit einem speziellen Beratungs– und Raumkonzept bietet sie modernen Service in neu gestalteten Räumen an der Hoheluftchaussee, wo sich ab Anfang Mai sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um die Anliegen der Kunden kümmern.