Hamburg. Bei vielen Patienten wird Corona zufällig diagnostiziert. „Milde Verläufe“ sind die Regel. Was das für die Stadt bedeutet.
Die Omikron-Variante des Coronavirus sorgt in Hamburg für ein abenteuerliches Auf und Ab – und gleichzeitig für eine unerwartete Entspannung. Erneut sind rund um Ostern aktuell knapp 100.000 Menschen in der Stadt infiziert. Führende Ärzte geben jedoch eine vorsichtige Entwarnung, was die Krankheitsverläufe, die Sterberate und die Belastung des Gesundheitswesens betrifft.
So sagte der Intensivmediziner und UKE-Klinikdirektor Prof. Stefan Kluge dem Abendblatt, Omikron habe die Lage komplett verändert. „Auch dank Impfung und Booster sehen wir aktuell nur noch wenige schwere Krankheitsverläufe. Bei der Delta-Variante gab es schwere Lungenentzündungen und eine hohe Sterblichkeit. Das ist jetzt anders.“
Corona Hamburg: Patienten werden isoliert
Aus den Asklepios-Krankenhäusern, die mehr als 20 der derzeit 40 Corona-Intensivpatienten versorgen, heißt es: Die meisten Patienten seien nicht wegen, sondern mit Corona in einer der sieben Hamburger Kliniken. Ein positiver Test sei oft ein Zufallsbefund, die Patienten seien aufgrund anderer Erkrankungen oder Unfällen aufgenommen worden. Dennoch werden sie damit als Covid-Patienten geführt.
UKE-Experte Kluge weist darauf hin, dass auch die positiv getesteten Patienten auf den Normalstationen isoliert und mit großem Aufwand versorgt werden müssen. Das Bild, das sich Kluge in seiner Klinik bietet, hat sich verändert: „Auch auf den Intensivstationen haben wir Patienten, bei denen Corona eine Begleitinfektion ist. Sie kann die Grunderkrankung, zum Beispiel eine Lungenentzündung oder eine Herzerkrankung, verschlimmern. Dennoch sind diese Patientinnen und Patienten nicht wegen, sondern mit Corona ins Krankenhaus gekommen.“
Corona: Was bedeutet "milder Verlauf"?
Damit wollen die Ärzte weder die Pandemie noch die jeweiligen Erkrankungen bagatellisieren. Nach wie vor bringen die sogenannten „milden Verläufe“ bei der Omikron-Variante für die Betroffenen zum Teil Fieber, Halsweh, anhaltende Schlappheit und weitere Begleiterscheinungen mit sich. Diese Einschätzung bedeutet auch nur, dass mit diesen Symptomen niemand ins Krankenhaus muss.
Kluge verweist auch auf eine britische Studie, die im „Lancet“ veröffentlicht wurde und zeigt: Die oft mit Corona verbundene Geschmacksstörung tritt bei Omikron seltener auf als bei Delta. Die Lunge ist weniger oft in Mitleidenschaft gezogen, die Dauer der Erkrankung kürzer.
Hotspot Hamburg: Welche Lockerungen sind möglich?
Für die Corona-Regeln in Hamburg und die Entwicklung der Pandemie sind diese Nuancen der Expertenmeinung entscheidend. Kluge sagt: „Bei der Hotspot-Regelung muss man differenzieren: Was meinen wir mit Belastung der Krankenhäuser? Die Belastung ist da, aber jeder versteht darunter etwas anderes. Tatsächlich sind wir auf den Intensivstationen nicht mehr so belastet durch eine hohe Zahl schwer erkrankter Covid-19-Patienten wie in den Corona-Wellen zuvor.“
Auch der Höchststand an Infektionen unter den Beschäftigten im Gesundheitswesen liegt vermutlich hinter uns. Kluge bestätigt, dass die Positivrate bei Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegekräften in den regelmäßigen PCR-Tests wieder abfalle. Dennoch gebe es für einige Bereiche wie unter anderem bei Transplantationen oder der Onkologie Vorgaben, die dazu führten, dass mit Omikron infizierte Mitarbeiter nicht so schnell in den Klinikalltag zurück könnten. Das wirbele nach wie vor die Dienstpläne durcheinander.
Aktuell in Hamburg 96.000 Corona-Infizierte
Das ist kein Wunder angesichts wieder rekordnaher Zahlen für die aktuell Infizierten in Hamburg. Omikron und sein Subtyp BA.2 sind bekannt für eine hohe Infektiosität, also eine extrem leichte Übertragung. Seit diese Welle im Dezember in Hamburg die Vorherrschaft übernahm, änderten sich die Verhältnisse. 14.000 aktuell von Corona Betroffene in Hamburg gab es Mitte Dezember. Die Zahl lässt sich ableiten aus der Gesamtzahl aller Infektionen minus Genesene minus Tote. Mitte Januar waren es bereits rund 33.000, Mitte Februar 127.000, Mitte März etwa 59.000 und Mitte April nun etwa 96.000. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein.
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Sozialbehörden-Sprecher Martin Helfrich sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Ab Ende Februar 2021 dominierte die Alpha-Variante, bis sie im Sommer desselben Jahres bereits von der Delta-Variante als vorherrschender Variante abgelöst wurde.“ Der Alpha-Variante seien 26.655 gemeldete Fälle zuzuordnen. „Ab dem Sommer ist davon auszugehen, dass die Delta-Variante des Coronavirus das Infektionsgeschehen in Hamburg maßgeblich geprägt hat. Bis Ende des Jahres wurde weitere 58.855 Fälle gemeldet.“
Warum Hamburg beim Boostern nur mittelmäßig ist
Dennoch erwarten Experten, dass die momentan hohen Zahlen wie die Inzidenzen schnell sinken. Bundesweit ist der Trend eindeutiger rückläufig, was am Metropolen-Effekt in Hamburg, größerer Mobilität und den Lockerungen liegen dürfte.
Mittlerweile hat es nach Angaben der Sozialbehörde 501.951 bestätigte Fälle gegeben. 4060 Neuinfektionen sorgten am Karfreitag für eine Sieben-Tage-Inzidenz von 1274,4 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Sieben Tote erhöhten die Gesamtzahl der im Zusammenhang mit dem Virus Gestorbenen auf 2476.
Corona Hamburg: Ärztekammer-Präsident bei Twitter
Wegen der hohen Zahlen an akuten Infektionen gibt es auch nur wenige Auffrischungsimpfungen (Booster) in Hamburg. Zuletzt waren es am Mittwoch 758. Bei den Erstimpfungen wurden laut Robert-Koch-Institut (RKI) immerhin 1877 Spritzen verzeichnet, bei den Zweitimpfungen 283. Die Impfquote liegt bei 83,2 Prozent (doppelt geimpft) und damit im bundesweiten Vergleich nur hinter Bremen (89,3). Beim Boostern rangiert Hamburg (60,6 Prozent) nur im Mittelfeld. Hier „führt“ Schleswig-Holstein mit 72,3 Prozent. So schnell kann Hamburg hier nicht aufholen. Denn wer sich nach einer doppelten Impfung infiziert, gilt vorerst als geboostert.
Eine UKE-Befragung hat zudem ergeben, dass die Zahl der Geimpften unter den Corona-Patienten auf allen Stationen von September bis November des vergangenen Jahres zugenommen hat. Ungeimpft waren im September 72 Prozent, im November nur noch 48 Prozent. Hamburgs Ärztekammerchef Pedram Emami, selbst Arzt im UKE, schrieb dazu auf Twitter: Ein wichtiger Aspekt in der Untersuchung sei, dass Menschen mit einer Sprachbarriere zwar häufiger ungeimpft gewesen seien. Allerdings hätten sie seltener „grundsätzliche Vorbehalte gegen eine Impfung“. Das legt die Schlussfolgerung nahe, dass sie von der bisherigen Kommunikation zur Impfkampagne nicht überzeugt wurden.