Hamburg. Anja Mundt arbeitet am Albertinen Krankenhaus in Hamburg und plädiert für bessere Arbeitsbedingungen. Was sich ändern sollte.

Anja Mundt kennt das Krankenbett fast nur von der anderen Seite. Sie war selbst nie Patientin, „außer zur Entbindung, aber das ist so was Glückseliges“, sagt die gelernte Krankenschwester. „Aus den Erfahrungen, die ich von Kollegen gehört habe, ist es aber sehr heilsam, selbst mal Patient gewesen zu sein, mal einen Perspektivwechsel zu haben und mit Dingen anders umzugehen, weil wir für die Patienten, die uns anvertraut sind, eine hohe Verantwortung tragen.“

Die Hamburgerin erzählt in der ersten Folge des neuen Podcasts „Hamburger Klinikhelden“, den das Abendblatt gemeinsam mit dem Verband freigemeinnütziger Krankenhäuser in Hamburg e.V., kurz „Die Freien“, macht, vom Mikrokosmos Krankenhaus.

Pflegeberufe: Mundt arbeitet im Albertinen Krankenhaus

Nicht erst seit der Pandemie ist allen Menschen deutlich vor Augen geführt worden, wie wichtig ein stabiles Gesundheitssystem für uns alle ist. Wir stellen deshalb Menschen vor, die in der Klinik jeden Tag alles dafür tun, dass es ihren Patienten besser geht. Das sind natürlich Ärzte und Pfleger, aber für einen Krankenhausbetrieb sind ja noch viel mehr Menschen nötig, vom Pförtner bis zum Chefarzt – und sie alle werden noch zu Wort kommen.

Anja Mundt ist Teil des Pflegedirektionsteams und arbeitet als Belegungs- und Ausfallmanagerin im Albertinen Krankenhaus in Schnelsen. Die Position der 50-Jährigen, die etwas sperrig klingt, wurde erst durch die Ressourcen-Probleme in der Corona-Pandemie eingerichtet: „Wir haben eine Menge an Patienten, die zu uns kommen wollen, und eine nur begrenzte Zahl an Betten. Das relativ gut übereinzubringen – den Patienten, die über die Notaufnahme oder geplant zur Untersuchung oder Operation zu uns kommen, ein Bett zu geben –, das ist mein Hauptjob. Ich komme um sieben in die Klinik und verschaffe mir erst einmal einen Überblick. Und dann fängt auch schon das Telefon an zu klingeln.“

Mundt war lange Zeit Krankenschwester

Das sei jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung. Durch die Pandemie müssten viele Patienten isoliert werden, durch den Personalmangel stünden zudem weniger Betten zur Verfügung, genau deshalb gebe es im Albertinen Krankenhaus ihre Stelle. „Das organisiert nicht mehr jede Station oder jede Fachabteilung allein“, sagt die gebürtige Rostockerin.

Sie sei immer mit Leib und Seele Krankenschwester gewesen und habe als Stationsleiterin gerne „am Bett“ gearbeitet, wie sie sagt. In ihrer neuen Aufgabe im Pflegedirektionsteam müsse sie nun die Konflikte lösen, die entstünden, weil die Patienten mit geplanten Eingriffen und jene aus der Notaufnahme manchmal auch um Betten konkurrierten.

Besuchsverbot belastete auch Pflegekräfte

Ein Krankenhausaufenthalt sei eine existenzielle Ausnahmesituation für die meisten Menschen, weiß Mundt aus langjähriger Erfahrung. Sie hat in Rostock an der Fachhochschule die Pflegeausbildung absolviert und danach viel Berufserfahrung am Universitätsklinikum in Kiel und in der Klinik in Rissen gesammelt. Deshalb sei es wichtig, vor der Aufnahme der Patienten auf ihre Ängste einzugehen. Vor planbaren Operationen gebe es daher in einem Aufnahmezentrum ausführliche Vorgespräche mit den Fachärzten und Schwestern über den Eingriff und darüber, was sie danach erwartet.

„Für den Genesungsprozess ist es unglaublich wichtig, Dinge um sich herum zu haben, die einem wichtig sind und die einem helfen“, sagt Anja Mundt. Gerade deshalb sei in der Pandemie das Besuchsverbot wirklich dramatisch gewesen. All die Defizite, weil keine Angehörigen und Besucher kommen durften, hätten die Pflegekräfte abfedern müssen“, sagt sie, „aber auch die Ärzte und die Reinigungskräfte, die ins Zimmer kamen, haben versucht, das aufzufangen“, so Mundt.

"Wir können uns nicht mehr so nah sein"

Das habe für alle zu einer sehr großen Belastung geführt. Inzwischen habe sich eine gewisse Routine im Umgang mit Corona eingespielt, auch beim Arbeiten in der Isolationskleidung. Doch die Einschränkungen seien weiter spürbar: „Wir waren es immer gewohnt – gerade in der Pflege –, Emotionen auch von der Mimik der Patienten abzulesen. Wir können uns nicht mehr so nah sein. Pflege ist ja ein Berufszweig, der sehr nah und sehr körperbetont ist, das alles ist weggefallen.“

An niemandem in den Krankenhäusern sei die Pandemie spurlos vorbeigegangen, betont die Mutter zweier erwachsener Kinder. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien durch Homeschooling und fehlende Kinderbetreuung auch privat extrem gefordert gewesen. „Deshalb ist es unglaublich wichtig, dass Führungskräfte für die Mitarbeiter ansprechbar sind.“ Sie müssten wahrnehmen, wenn jemand an der Grenze der Belastbarkeit sei, und fragen, was sie in dieser Situation für sie tun könnten. „Wenn wir von Klinikhelden sprechen, ist jeder, der im Krankenhaus arbeitet, unabkömmlich. Das hat die Pandemie auch deutlich gezeigt. „Jetzt hat man gemerkt, jeder Einzelne, der gefehlt hat, hat auch gefehlt“, sagt Anja Mundt.

Hauptkritikpunkt sind nicht die Gehälter

Die vielen Diskussionen um das fehlende Personal sowohl in der Kranken- wie in der Altenpflege sind ihr natürlich wohlbekannt. Doch noch immer sagt sie, sie habe ihren Traumberuf gefunden und sei trotz der Rahmenbedingungen der Ansicht, dass der Beruf sehr sinnstiftend sei. „Von daher würde ich den Beruf immer wieder wählen.“ Ihr Hauptkritikpunkt sind nicht die Gehälter, sondern die Arbeitsbedingungen in den Pflegeberufen.

Hätte sie zu entscheiden, würde sie diese Bedingungen verbessern, etwa ein Modell wählen wie in Schweden – Vollzeitgehalt, aber nur vier Tage arbeiten. Oder einen Rentenbeginn mit 63. „Man ist hoch belastet“, sagt Mundt. „Wir haben deswegen bei uns den Pflegepool, auch um Ausfälle zu kompensieren, aber auch um Mitarbeitern, die schon lange im Beruf sind, die Möglichkeit zu geben, nur noch Frühdienste zu machen und am Wochenende nicht mehr zu arbeiten.“ Krankenhäuser würden ja davon profitieren, wenn ältere Krankenschwestern und Pfleger es aushielten bis zur Rente.

Pflegeberufe: Personalmangel und hohe Arbeitsbelastung

Zudem werde es immer schwieriger, junge Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern. „Von der Gesellschaft war der Beruf auch lange Zeit nicht so angesehen“, außerdem habe man die Arbeitsbedingungen weniger infrage gestellt. „Heute ist das anders.“ Deshalb gebe es nun den Personalmangel und die erhöhte Arbeitsbelastung für die, die den Beruf derzeit ausübten.

Und wie würde sie einen jungen Menschen motivieren, den Beruf doch zu ergreifen? Für diejenigen, denen es wichtig sei und die Lust darauf hätten, mit Menschen in Kontakt zu sein, sei es ein sehr schöner Beruf, so Anja Mundt. Man habe gute Karrierechancen, könne studieren, in Führungspositionen gehen und gleichzeitig nah am Patienten arbeiten. „Man hat ein relativ gutes Ausbildungsgehalt und – in der jetzigen Zeit nicht ganz unwichtig – einen total sicheren Job.“