Hamburg. Dem Ex-Bezirksamtsleiter drohte eine Bewährungsstrafe. Nun hat das Landgericht im Prozess ein Urteil getroffen.
Der Vorsitzende Richter will bei seinem Urteil gar nicht erst den Gedanken aufkommen lassen, am Ende sei alles doch nur ein Versehen gewesen: „Sie wussten ganz genau, dass das nicht in Ordnung war“, sagte der Richter zu den beiden Angeklagten und ehemaligen Chefs des Bezirksamtes Nord.
„Jeder Kundenzentrums-Mitarbeiter weiß, dass er nicht einen Pralinenkasten einer betagten, dankbaren Bürgerin annehmen darf“, so der Richter weiter, „nicht mal zu Weihnachten.“ Aber hier ging es um mehr. Nicht nur die Annahme, sondern die großzügige Verteilung von begehrten Tickets für ein einmaliges Konzert: die Rolling Stones vor 80.000 Zuschauern im Hamburger Stadtpark.
Rolling-Stones-Affäre: Rösler-Urteil gesprochen
Ex-Bezirksamtsleiter Harald Rösler ist der Vorteilsannahme und -gewährung schuldig – und muss dafür eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen von je 120 Euro zahlen, insgesamt also 21.600 Euro. Wegen Beihilfe wurde auch sein Stellvertreter verurteilt. Mit diesem Richterspruch endete die viereinhalbjährige Aufklärung der Rolling-Stones-Affäre am Freitagnachmittag – von noch schwereren Vergehen, die lange im Raum standen, wurde Rösler aber freigesprochen. Für Bestechung durch den Konzertveranstalter, damit das Ereignis im September 2017 stattfinden konnte, gab es keinerlei stichhaltige Belege. Auch der Untreue habe sich der Bezirksamtsleiter vor seinem Abgang nicht schuldig gemacht.
Der Auftritt der Rolling Stones sei das bislang größte Konzertereignis in Hamburg überhaupt gewesen, sagte der Vorsitzende der Strafkammer, Sönke Pesch. Dass die legendäre Rockgruppe auf der Festwiese auftreten konnte, sei von höherer Stelle unter Beteiligung des damaligen Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD) entschieden worden, betonte der Richter. Die Bezirksamtsleitung habe sich ab Anfang März 2017 nicht um das Ob, sondern nur noch um das Wie der Veranstaltung kümmern sollen.
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Rösler habe als Basisgebühr für die Nutzung der Festwiese einen Betrag von 200.000 Euro ermitteln lassen. Dieser sei später auch vertraglich vereinbart worden. Die Regelung sei für die Stadt sehr günstig gewesen. Es könne keine Rede davon sein, dass Rösler damit der Stadt geschadet und sich der Untreue schuldig gemacht habe, betonte der Richter. Die beiden anderen Deutschland-Konzerte der Stones in München und Düsseldorf seien für die Veranstalter deutlich lukrativer gewesen.
Ticket-Affäre: Warum Rösler nicht als bestechlich gilt
Ob die Nutzungsgebühr für den Stadtpark angemessen hoch war, galt bereits seit Jahren als Knackpunkt in der Affäre. In den Verhandlungen mit der Veranstaltungsagentur habe Rösler zunächst 300 Freikarten gefordert. Schließlich einigte man sich auf 100 Freikarten und 300 weitere Kaufoptionen. Die Tickets hätten jedoch keinen Einfluss auf die Festsetzung des Nutzungsentgelts für die Veranstaltungsfläche gehabt. Nach der Anklageerhebung wurde vielmehr deutlich, dass die Bedingungen für die Ausrichtung des Konzerts bereits nahezu feststanden, als erstmals über die Tickets gesprochen wurde. Darum habe sich der Bezirksamtschef auch nicht der Bestechlichkeit schuldig gemacht.
Einen Empfang vor Beginn des Konzerts, an dem der Bezirksamtschef und seine Frau teilnahmen, sowie die Annahme von zwei Freikarten in diesem Zusammenhang beanstandete die Kammer nicht. Rösler habe Repräsentationspflichten wahrgenommen, für die der Empfang in diesem Fall auch angemessen gewesen sei. Einen persönlichen Vorteil habe er dagegen durch die Annahme von vier weiteren Freikarten gehabt, die er an eine befreundete Familie weitergegeben habe.
Den Vorwurf der Vorteilsgewährung begründete das Gericht mit der Verteilung der übrigen Freikarten an „Freunde des Hauses“, wie es Rösler seiner Sekretärin diktierte. Der Wert der Tickets habe insgesamt 14.743,90 Euro betragen. Diese Summe wird laut Urteil von dem Angeklagten eingezogen.
Ticket-Affäre: Rösler wusste um sein Vergehen
Dem Bezirksamtschef und seinem Stellvertreter sei bewusst gewesen, dass die Behörde einen solchen Betrag nicht annehmen durfte. Der Stellvertreter habe darum eine nachträgliche Genehmigung als Spende zurückdatiert, die der Chef abzeichnete. Röslers Stellvertreter habe sich damit der Beihilfe schuldig gemacht. Zudem habe er drei Freikarten bekommen und damit den Tatbestand der Vorteilsannahme erfüllt. Der 50-Jährige muss den Wert der Tickets, 505,20 Euro, an die Justizkasse zahlen. Das Gericht hielt auch die Weitergabe von Kaufkarten an drei Staatsräte für unrechtmäßig. Rösler habe auch in diesem Fall eine Vorteilsgewährung begangen
In seiner Urteilsbegründung hielt der Richter Rösler weiteres Fehlverhalten vor, ohne es strafrechtlich zu bewerten. So habe er, nachdem die Affäre öffentlich geworden sei, die geschenkten Tickets als Arbeitskarten betitelt und so „aufgemotzt“. Außerdem habe Rösler in zwei Kleinen Anfragen von Abgeordneten der Linken und der CDU wahrheitswidrige Angaben gemacht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und eine Revision nicht ausgeschlossen.