Hamburg. Vor drei Wochen nahm Redakteurin Insa Gall Ukrainerin Tanja mit ihren Kindern bei sich auf. Inzwischen hat sich viel getan.
Es vergeht kaum ein Tag ohne gute Nachrichten. Drei Wochen ist es her, dass Tanja mit ihren Kindern bei uns zu Hause eingezogen ist. Die Ukrainerin war mit ihren Kindern Rita (9) und Maksym (17) aus ihrer Heimatstadt Winnyzja nach Hamburg geflüchtet. Jetzt nimmt das neue Leben, das sich Tanja hier für ihre Familie aufbaut, rasend schnell Gestalt an. Und das hat viel mit der Hilfsbereitschaft der Hamburgerinnen und Hamburger zu tun.
Nachdem wir gleich zu Beginn Kontakt zur Schulbehörde aufgenommen hatten, um die Kinder anzumelden, geht es jetzt mit Riesenschritten voran. Die Grundschule im Stadtviertel meldet sich: Von Montag an soll Rita hier zur Schule gehen, die Neunjährige wird eine neu gegründete Internationale Vorbereitungsklasse für die Jahrgänge 3 und 4 besuchen. Sie ist aufgeregt, als wir in dieser Woche gemeinsam die Schule besuchen, um sie anzumelden.
Flüchtlinge in Hamburg: Kinder werden eingeschult
Ich bin gerührt, weil hier auch meine Töchter zur Schule gegangen sind. Auch eine Freundin von Tanja meldet ihr Kind hier an, dann sind sie schon zu zweit. In der Aula ist am Montag eine kleine Einschulungsfeier geplant, dann beginnt der Unterricht. Die Schule hat sogar eine Lehrerin gefunden, die Ukrainisch spricht. Am Abend unterhalten wir uns über das, was nun auf Rita zukommt. Unsere Wohngemeinschaft hat sich gut eingespielt.
Am nächsten Tag kommt auch Post für Maksym. Der 17-Jährige verfolgt derzeit noch per Videokonferenz den Unterricht in seiner ukrainischen Schule, bald stehen die Prüfungen für seinen Abschluss an. Kürzlich hat sich jemand aus der Schulbehörde, der sogar Ukrainisch spricht, telefonisch gemeldet, um sich nach seinem Bildungsstand und Berufswünschen zu erkundigen.
Eine eigene Wohnung für Tanja und ihre Kinder
Jetzt steht fest: Maksym soll die Berufliche Schule für Banken, Versicherungen und Recht mit Beruflichem Gymnasium St. Pauli an der Budapester Straße besuchen. Auch für Tanja gibt es gute Neuigkeiten: Ihr Integrationskurs startet demnächst – fünf Stunden am Tag, fünf Tage in der Woche. Sie will hier so schnell es geht Fuß fassen.
Die allerbeste Nachricht aber ist: Wir haben eine Wohnung für unsere ukrainischen Gäste gefunden! Und zwar in unserer Nachbarschaft, so können wir weiter engen Kontakt halten. Vermieterin Petra hat sich auf unseren Artikel im Abendblatt hin gemeldet. Sie ist bereit, die ukrainische Familie in einer Wohnung unterzubringen, die Ende des Monats frei wird. 64 Quadratmeter mit drei Zimmern, das ist ideal für Tanja und ihre Kinder.
Hamburger zeigen enorme Hilfsbereitschaft
Auch ein Bett, ein Kleiderschrank und eine Waschmaschine sind schon vorhanden. Petra gibt die Wohnung für den Satz ab, den das Sozialamt übernimmt – nämlich 780 Euro –, obwohl sie die Wohnung teurer vermieten könnte. Es ist ihr Beitrag zur Unterstützung der Geflüchteten. Am 1. Mai soll Einzug sein. Tanja ist überwältigt von dieser Hilfsbereitschaft.
Auch Annette meldet sich, sie bietet eine deutlich vergünstigte Wohnung in Harburg an – aus reiner Menschenliebe. Nun soll eine Freundin von Tanja hier einziehen. Am Wochenende besucht mein Mann zusammen mit Tanja Annette, denn die hat auch noch viel sehr gut erhaltene Kleidung, die sie abgeben kann. Als sie zurück sind, sprudelt Tanja regelrecht über vor Begeisterung und Dankbarkeit. Eine Nachbarin von uns hat ihren Kleiderschrank ebenfalls durchforstet und bringt eine Kiste mit Kleidung herunter.
Viele Flüchtlinge leben in Sammelunterkünften
Viele andere ukrainische Flüchtlinge in Hamburg leben noch in den Sammelunterkünften. Mehr als 16.000 Ukrainer sind mittlerweile in der Hansestadt registriert. Sie sind nach ihrer anstrengenden Flucht etwas zur Ruhe gekommen, doch nun suchen viele nach einer eigenen Wohnung. Das ist in Hamburg nicht einfach, wenn man zu zweit rund 660 und zu viert 938 Euro bezahlen kann – und keine Hilfe hat. Gerade für günstige Wohnungen gibt es in Hamburg viele, viele Anwärter. Die Flüchtlingswelle aus der Ukraine hat da etwas in Bewegung gebracht.
Viele Wohnungsbesitzer möchten die Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind, unterstützen. Aber wie sollen ausreichend Wohnungen für all die Geflüchteten gefunden werden, frage ich mich – was bedeutet das für alle anderen Wohnungssuchenden? Und: Die Geflüchteten sind bei der Wohnungssuche auf sich selbst gestellt und müssen dann bei Ämtern Anträge zur Kostenübernahme stellen. Wer da weder Deutsch noch Englisch spricht und keine Unterstützung hat, hat es schwer.
Tanja braucht für ihre Wohnung eigene Möbel
Tanja spricht Englisch und ist auch ansonsten sehr tatkräftig. Wenn sie trotzdem etwas nicht versteht, lässt sie es sich von Google übersetzen. Nachdem die Wohnung gefunden ist, macht sie sich Gedanken darüber, wo die Möbel herkommen sollen. In der Ukraine, so erzählt sie, werden Wohnungen fast ausschließlich möbliert vermietet – die Möbel gehören quasi zur Wohnung, eigenes Mobiliar besitzt kaum jemand. Nun braucht sie also für ihr neues Zuhause ein Sofa, einen Esstisch, ein weiteres Bett, Geschirr, Küchenzubehör und vieles mehr.
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Als sie erfährt, dass sie ihre eigene Unterkunft bekommt und also in ein paar Wochen bei uns ausziehen soll, ist ihr zunächst etwas beklommen zumute. Denn das bedeutet auch, selbst für alles sorgen zu müssen. Wir verabreden, auf jeden Fall in ganz engem Kontakt zu bleiben und sie bei allem zu unterstützen. Mindestens einmal in der Woche soll sie zum Essen zu uns kommen.
Flüchtlinge in Hamburg: Bombardierungen hören nicht auf
Während es hier viele gute Neuigkeiten gibt, kommen aus der Ukraine erschütternde Nachrichten. Die Bombardierungen hören nicht auf, und welche Gräuel russische Soldaten an der Zivilbevölkerung verüben, wird erst sichtbar, wenn sie aus von ihnen besetzten Gebieten abziehen.
Die Zuhausegebliebenen sind nicht durchweg glücklich über das neue Leben, das diejenigen, die geflüchtet sind, im Westen finden. Sie fühlen sich offenbar im Stich gelassen, wenn sie hören, dass ihre Angehörigen und Freunde in Deutschland und anderswo eine gute Unterkunft finden, Unterstützung erfahren, während sie im Bombenhagel zurückbleiben.