Hamburg. Für einen Monat gastiert die Freizeitattraktion in Hamburg. Wie sich die Künstler nach der langen Corona-Pause vorbereiten.
Vom Bahnhof Dammtor aus kann man sie schon sehen: Die zwei großen, weiß-blau gestreiften Zelte des Circus Europa. Er öffnet an diesem Freitag auf der Moorweide. Bis zum 1. Mai werden hier Vorstellungen an sechs Tagen in der Woche stattfinden – nach einer Corona-Pause, die sehr lang und schwer für den Zirkus war.
Doch noch stecken Betreiberfamilie Frank und ihre Angestellten und Künstler mitten in den Vorbereitungen: Die mit Rasen ausgelegte Manege im zwölf Meter hohen und im Durchmesser 28 Meter breiten Hauptzelt ist größtenteils leer. Die Lichtanlage flackert, auf den roten Stuhlreihen stehen nur zwei Thermoskannen mit Kaffee – und im Eingangsbereich hinter den blauen Vorhängen der rosa Kinderwagen der jüngsten Tochter von Junior-Direktor Angelo Frank (33) und seiner Partnerin Nathalie (32), während das Kind mit einem Eis durchs Zelt flitzt.
Beim Zirkus hilft die ganze Familie mit
Das Paar unterstützt dieses Jahr zum ersten Mal für die ganze Saison Franks Eltern bei der Organisation, sie sind bereits in siebter Generation dabei. Um bald auch andere Hamburger Kinder mit ihrer knapp zwei Stunden langen Show begeistern zu können, proben die Artisten mehrmals täglich. So auch das „Duo Valencia“, Robinson und Freddy aus Kolumbien, die gerade im „Todesrad“ stehen. Sie drehen sich ungesichert in großer Höhe, schlagen Saltos und springen.
Das Programm im Zirkus wechselt jährlich. Dieses Jahr dabei sind Clown Tony Alexis und der Handstandkünstler Brian aus Spanien, der Jongleur Ivan aus Bulgarien und auch ein geflüchtetes Duo aus der Ukraine, das eine „Quick Change“-Nummer, also eine schnelle Kleiderwechselshow, aufführt.
Gebuchten Künstler konnten im Winter arbeiten
Die gebuchten Künstler konnten über den vergangenen Winter arbeiten, hatten beispielsweise Auftritte in Duisburg. Doch der Circus Europa selbst musste 2020 coronabedingt in eine zweieinhalb Jahre lange Pause gehen. Das war finanziell schwierig: Um jetzt die Platzmiete an die Stadt zahlen zu können, haben sie Kredite aufgenommen, erzählen die Franks. Eine Gebührenbefreiung wie für ihre Schaustellerkollegen auf dem Dom und auf Volksfesten – die in Hamburg bis Ende Oktober dieses Jahres gilt – gebe es nicht.
Aber auch organisatorisch merken sie die Auswirkungen. „Es fühlt sich wieder an wie das erste Mal“, sagt Nathalie Frank. 33 Personen reisen insgesamt mit dem Zirkus. Bis vier Uhr morgens waren sie auch in der vergangenen Nacht wieder wach, um alles vorzubereiten – etwa das Gestänge per Lkw in die Hansestadt zu fahren und mehrere Kilometer an Wasser- und Stromkabeln zu verlegen.
Hamburg als Neustart
Hamburg soll nun der große Neustart werden. Ihr Rückzugsort sind dabei die Wohnwagen, die hinter dem Zelt stehen. „Wir machen den Zirkus mit sehr viel Leidenschaft, das ist von Geburt an unser Leben. Mit dem Zirkus reist man viel“, erzählt Angelo Frank. Während er in Hamburg zur Welt kam, wurde Franks Bruder in Oldenburg geboren, sein Onkel sogar in Finnland. Und der Vater in St. Peter-Ording – im Wohnwagen. Das Junior-Direktorenpaar lebt das ganze Jahr über mit den drei Kindern im eigenen Wohnwagen, auch, wenn keine Saison ist.
„Feierabend gibt es nicht“, sagt Nathalie Frank. „Zirkus ist ein 24-Stunden-Job.“ Von März bis Oktober ist der Circus Europa deutschlandweit unterwegs. Über den Winter werden die Saison vorbereitet, Künstler gebucht und die Tiere weiter versorgt. Bilder von Elefanten, Tigern und Nashörnern sind auch an dem Zaun angebracht, der das Gelände umgibt – doch Wildtiere gibt es im Circus Europa nicht. Stattdessen Pferde, Lamas, Ziegen und Hunde. „Die Tiere machen auch den Unterschied zwischen Zirkus und Shows wie im Theater“, sagt Angelo Frank. Er freut sich besonders über die neuen Kamelbabys.
Tierschutzorganisationen kritisieren Zirkusse seit Jahren
Diese Freude teilt nicht jeder: Tierschutzorganisationen kritisieren die Haltung im Zirkus schon seit Jahren. PETA Deutschland etwa fordert ein generelles Tierverbot und beklagt mangelhafte Haltungsbedingungen, Stress durch die Transporte und Ausbeutung durch Dressur. Auch beim Circus Europa standen schon Demonstranten vor dem Zelt.
Dazu sagt Angelo Frank, der früher selbst als Artist voltigiert hat: „Wir leben von und mit den Tieren und die kommen bei uns an erster Stelle.“ An jedem neuen Spielort würden die Haltungsbedingungen durch Veterinärämter kontrolliert. Ihre Ställe und die Auslaufwiese würden Besuchern tagsüber offenstehen: „Wir laden jeden herzlich ein, sich ein eigenes Bild zu machen“, sagt Nathalie Frank.
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Besonders Kindern möchten sie die Tiere näherbringen. Das Staunen und die Begeisterung mache den Zirkus aus. Mit Popcorn, Zuckerwatte und weißen Sternen unter der Zeltdecke ist ihr Arbeitsplatz für sie auch ein Ort zum Träumen. „Gerade in dieser schweren Zeit sollen die Leute herkommen können und alles vergessen“, wünscht sich das Paar.