Hamburg. Der Hamburger Unternehmer und Senator a.D. spricht offen über seine schwierige Kindheit und verrät sein Erfolgsgeheimnis.
Die Last der Vergangenheit abzulegen, gilt als Königsdisziplin in der menschlichen Entwicklung. Einer, der das geschafft zu haben scheint, ist Ian Kiru Karan. In der Stadt bekannt als Wirtschaftssenator a. D., Mäzen, Container-Unternehmer. Auch Netzwerker, Mittagessens-Treffer und fröhlicher Partygast. Jedoch, Karan ist weiteres: Vater, Familienmensch, Vollwaise seit frühester Kindheit. Augenscheinlich zumeist gut aufgelegt, fröhlich, offenherzig.
Diese Attribute sind bei seiner Geschichte keine Selbstverständlichkeit: Bei seiner Geburt vor mehr als achtzig Jahren im heutigen Sri Lanka verstarb die Mutter, der Vater, ein Soldat, drei Jahre später. „Ich habe keinerlei Erinnerungen mehr an ihn“, sagt Karan. Die totale Abwesenheit seiner Elternteile habe ihn nachhaltig geprägt. Die Oma nahm ihn und seine Geschwister auf. „Ich bin in einem Frauenhaushalt groß geworden, ich hatte vier Schwestern, aber meine Großmutter war schon 76 Jahre alt, als ich geboren wurde.“ Sie habe alles getan, was sie leisten konnte, um ihren Enkeln gerecht zu werden, die Geschwister zu einen. „Aber wir waren nie sehr eng. Wenn du Mutter und Vater hast, zwingen Mutter und Vater zu einem Zusammenhalt, wie ein Rahmen. Wenn dieser fehlt, ist man mit niemandem eng.“
Ian Karan: So war seine Kindheit in Sri Lanka
Da der sechs Jahre ältere Bruder kaum zu Hause ist, wächst der kleine Ian Kiru Karan inmitten von Weiblichkeit auf, besucht auch noch eine Mädchenschule. Als einziger Junge. „Es macht einen Menschen empathischer, Frauen sind kulanter und verständnisvoller, das hat mich geprägt.“ Er sei ziemlich wild gewesen, auch eine Art der Freiheit. Schlicht niemand habe ihm Grenzen aufgezeigt, was er nicht nur genoss. „Ich hätte gern jemanden gehabt, mit dem ich hätte reden können.“ So sei es zwangsläufig dazu gekommen, dass er in seiner Wildheit von anderen diszipliniert wurde. „Bei mir war es ein Englischlehrer (...). Der streng war, mich aber auch an die Hand nahm und mir sagte, was ich machen sollte.“ Er sei ein wenig ein Vater gewesen, allerdings für viele der 80 Kinder im Internat. Jedoch, die „männliche Härte und Strenge“ habe ihm dennoch gefehlt.
Besonders deutlich wurde ihm das, als er selbst Kinder bekam und mit diesen umgehen wollte. „Aber ich habe nie gewusst, was ein Vater macht. Was ist seine Rolle? Ich war an sich verloren, als ich selbst ein Kind bekam“, sagt Karan rückblickend. Windeln wechseln? Ja, widerwillig, wenn es die Frauen es gesagt haben. Aber sonst? „Wie man ein Kind erzieht? Das habe ich nie erfahren. Ich hatte kein Vorbild.“ Die Absenz wird ihm durch die eigene Unsicherheit bewusst: „Das Problem, wenn ein Junge ohne Vater aufwächst, dann fehlt eine gewisse Leitlinie, an die er sich halten kann, wie er mit eigenen Kindern umgehen soll. Ich war entweder zu streng oder zu lässig. Ich wusste nie, wie weit kann ich gehen?“
Karan baute mit ganzer Kraft seine Firma auf
Einfacher machte es nicht, dass er damals dabei war, mit ganzer Kraft seine Firma aufzubauen. „Wenn die Kinder nur von mir erzogen worden wären, wäre das ein Scheitern gewesen. Ich muss da meinen Frauen danken“, sagt er. „Eine, etwas liberaler, etwas antiautoritär, die andere sehr präzise. Sie haben mich praktisch von der Erziehung freigesprochen.“ Nach sechs Jahren geht damals seine erste Ehe in die Brüche, die Wochenenden verbringen die Kinder jedoch bei ihm. Eine Vierjährige und ein Zweijähriger. Unter der Woche Job, Meetings. Am Wochenende Kontrastprogramm. „Ich bin meist schon beim Vorlesen vor den Kindern eingeschlafen.“
Karan lacht ob der Erinnerung an die bleierne Müdigkeit. Auch „wenn ich völlig ungeeignet war, Vater zu sein, habe ich mit sehr viel Liebe erzogen, ohne die Strenge, die die Väter damals noch an den Tag legten.“ Klar, Grenzen habe es gegeben. „Der Grund, warum alle meine vier Kinder gute Menschen geworden sind, hat mit meinen Frauen zu tun, aber auch mit meiner Art, die liebevoll war.“ Besonders seine zweite Frau, Barbara, prägt bis heute das Familiengeflecht. „Ihr ist die Familie wichtiger als alles andere, wichtiger als Geld, Erfolg, alles.“ Ob Liebeskummer oder freudige Neuigkeiten, das Interesse war immer da. „Es ist überhaupt kein Unterschied, ob sie die Mutter oder die Stiefmutter ist.“
Familie spielt eine wichtige Rolle
Gemeinsam wird gereist, das bindet die Familie. Sonntags kocht Karan sri-lankisch, mit Enkelkindern und Partnern der Kinder: Beef Curry, rote Bete, Linsen, Spinat und Reis. Alle kommen zusammen, ein Ritual. Die Reste bringt er mit ins Büro für seine Mitarbeiter.
Ein krasser Unterschied zu seiner Herkunftsfamilie? „Deshalb genieße ich diese Geborgenheit so sehr.“ Seine Töchter haben sogar ein gemeinsames Schmucklabel. Auch Karan selbst und seine Barbara teilen Berufliches und Privates: „Es fehlt vielen Männern das Selbstbewusstsein zu sagen, meine Frau kann das genauso gut oder vielleicht sogar besser als ich. Ich hatte damit nie Probleme“, sagt Karan. „Ich habe eine sehr intelligente und fleißige Frau.“
Ehefrau hält ihm den Rücken frei
Ehefrau Barbara führte deshalb alle seine Aktivitäten weiter, als er sein Senatorenamt innehatte. Da hinterher alles bestens war, entschied Karan, sich mehr zurückzuziehen. Allerdings unter einigen Bedingungen, wie er sagt: „Ich behalte meine Sekretärin, meine Assistentin, meinen Fahrer und mein Büro und zehntausend Piepen bar auf die Hand jeden Monat.“ Er lacht laut.
Mit der gemeinsamen „Ian und Barbara Karan Stiftung“ werden viele Sprachprojekte gefördert. „Ohne Sprache ist man nur Zaungast,“ das weiß Karan. Auch Sport und Theater seien wichtig, eben alles, was Integration fördert. „Damit ein Neuankömmling sich da reinversetzen kann, was Deutschland bedeutet.“ In Sri Lanka sponsert die Stiftung große Bau-Projekte, aktuell ein Krankenhaus mit 100 Betten. „Es ist die Klinik, in der ich meine Mutter bei meiner Geburt verloren habe.“ Auch seine alte Schule hat er neu errichten lassen und nach seinem Bruder benannt. Es ist, als würde er einen Kreis schließen. Wo seine Heimat liege? „100 Prozent Hamburg. Da bin ich zu Hause, ich bin verliebt in die Stadt, diese Menschen, die Kultur.“ Nur das Wetter, klar, könne man kritisieren. Damit sei er nicht allein. Ein gutes Gefühl.