Hamburg. Sprachbarrieren werden mit Herz und Humor gemeistert. Demnächst gehen 46 weitere Vorbereitungsklassen in der Stadt an den Start.
Durch das Klassenzimmer fliegen zwei Stoffwürfel. Der neunjährige Vadym fängt sie und legt sie auf den Tisch. Er neigt den Kopf zur Seite, während er die Punkte auf den beiden Würfeln zählt: „Fünf und eins gibt sechs“, sagt er in flüssigem Deutsch. Vadym lernt schnell. Für ihn und seine vier Klassenkameraden ist es der erste Tag an einer deutschen Schule. Gerade einmal etwas mehr als drei Stunden sitzen sie um den Gruppentisch herum. An der Tafel hängt eine Girlande, darunter steht „Herzlich willkommen“. Einmal auf Deutsch, einmal auf Ukrainisch.
Die fünf Schüler besuchen eine Internationale Vorbereitungsklasse (IVK) an der Grundschule Wielandstraße. Sie richtet sich an Kinder ab der dritten Jahrgangsstufe. Laut Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde, bieten 91 Hamburger Schulen 144 solcher Klassen an. „46 weitere stehen nach aktuellem Planungsstand unmittelbar vor dem Start“, so Albrecht. Seit Kriegsbeginn habe es 270 neue Anmeldungen für das Angebot gegeben, das seit Langem für Flüchtlinge anderer Ländern besteht.
Schule Hamburg: Aufnahmen seit dem 21. März möglich
Ukrainische Kinder, die in die Jahrgangsstufe eins und zwei fallen, können reguläre Klassen in den nächstgelegenen Grundschulen besuchen. Durch die Frühjahrsferien sind direkte Aufnahmen erst seit dem 21. März möglich, weshalb der Schulbehörde noch keine Zahlen vorliegen. Zusätzlich gibt es auch Lerngruppen in den Erstaufnahmeeinrichtungen durch umliegende Grundschulen. So soll den Kindern ein Schulwechsel nach einem Umzug erspart werden.
Die Grundschule in der Wielandstraße begann schon in der Woche vor den Frühjahrsferien mit den Vorbereitungen: Sie meldete ihre Kapazitäten der Behörde, organisierte Raum und Personal und bearbeitete die Anmeldungen. Angemeldet werden können Schüler mit Kopie oder Foto eines Ausweises oder einer Geburtsurkunde und der aktuellen Anschrift im Schulinformationszentrum. Eltern können sich aber auch direkt an die Schule wenden: „Wir schicken keinen weg“, sagt der Schulleiter der Grundschule an der Wielandstraße, Egbert von Frankenberg.
„Ich rechne mit weiteren Anmeldungen"
In einer IVK könne man 17 Kinder unterrichten. Seine Einschätzung deckt sich mit der der Schulbehörde: „Ich rechne mit weiteren Anmeldungen in den kommenden Wochen“, so der Schulleiter. Vorerst plant er, die Klasse bis zu den Sommerferien laufen zu lassen. An Ferien scheinen die fünf Kinder, alle zwischen neun und zehn Jahre alt, allerdings gar nicht denken zu wollen. Wieder in der Schule zu sein, finden sie entweder „gut“ oder „sehr gut“ – Vadym findet es sogar „mega gut“.
Er ist ein Musterschüler: Seiner Lehrerin zeigt er schon, was er auch ohne Schule gelernt hat. Auf einem Zettel hat er sich das deutsche Alphabet und die Zahlen bis 20 in Wörtern notiert. Nicht allen gehen die deutschen Worte so selbstbewusst wie Vadym über die Lippen. Die neunjährige Nina wippt mit den Füßen, wenn sie dran ist. Aber ihre Lehrer Luisa Meneses und Carlos Infantes-Gruber strahlen sie an. „Ganz langsam“, sagt Meneses.
Kinder werden bis 16 Uhr betreut
Laut den Pädagogen lernen die Kinder dem Alter entsprechend – und seien sehr wissbegierig: „Wir mussten sie schon bremsen“, sagt Meneses. Am Vormittag hätten sie nach immer mehr Aufgaben und Informationen gefragt – „aber wenn zu viel Neues auf sie einprasselt, bleibt es nicht hängen“, so die Lehrerin. Betreut werden die Kinder von 7.45 Uhr bis 16 Uhr. Wie lange sie bleiben, entscheiden die Eltern.
Die dürfte die Euphorie ihrer Kinder freuen. Laut Meneses gaben manche ihre Kinder mit gemischten Gefühlen in ihre Obhut: „Teilweise waren sie sehr vorsichtig. Aber das ist verständlich, sie bringen ihre Kinder zu fremden Leuten in einem fremden Land“, sagt die 38-Jährige. Sie und Infantes-Gruber versuchen, so schnell wie möglich Vertrauen zu den Kindern aufzubauen: „Heute geht es weniger um Inhalte. Wichtig ist erst mal das Wohlbefinden der Kinder“, sagt Infantes-Gruber. Und seine Kollegin ergänzt: „Umarmungen sind eine internationale Sprache. So kann man Vertrauen schaffen.“
Verständigt wird sich auch mit Körpersprache
Die Lehrer sind tatsächlich auf die Körpersprache angewiesen. Die beiden sprechen kein Ukrainisch, nur wenige Kinder hatten bisher Kontakt mit lateinischen Buchstaben. „Zum Glück spricht Vadym ein bisschen Englisch“, sagt Infantes-Gruber. „Er kann die Aufgaben teilweise für die Gruppe übersetzen.“ Zumindest am Nachmittag kann eine Erzieherin, die Ukrainisch spricht, bei der Kommunikation helfen.
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Die Schulbehörde beabsichtig auch, Unterricht auf Ukrainisch anzubieten. „Hier können auch Lehrkräfte aus der Ukraine zum Einsatz kommen“, so Albrecht. Geprüft werde dazu auch, wie Teile des ukrainischen Lehrstoffes berücksichtigt werden könnten.
Schule Hamburg: Kommunikation noch herausfordernd
Die Sprachbarrieren versuchen die Pädagogen an der Wielandstraße vorerst mit Geduld, Herz und Humor zu durchbrechen. Deutsch zum Anfassen gibt es beim Ausmalen und Basteln, Zeigen und Spielen: Beispielsweise durch kleine Bälle, die für die einzelnen Artikel „der“, „die“ und „das“ stehen.
Herausfordernd sei die Kommunikation durchaus, so Infantes-Gruber. „Vor allem aber nicht zu wissen, wie es den Schülern geht und was sie erlebt haben“, ergänzt Meneses. Sie ist zuversichtlich, dass sie ihre neuen Schützlinge bald besser verstehen kann: „Kinder lernen sehr schnell. In den nächsten Wochen werden sie mir schon einiges erzählen können“, sagt sie.