Hamburg. Hamburgs Schulsenator Ties Rabe stellte die Entwürfe für die neuen Bildungspläne vor. Das sind die Neuerungen im Lehrplan.
Am Ende wird es 102 Einzelpläne für alle Fächer und Jahrgangsstufen auf mehr als 6000 Seiten geben – die neuen Bildungspläne für die Schulen sind ein Mammutwerk, das kaum jemand komplett lesen wird. Und doch wird, was und wie Schülerinnen und Schüler künftig lernen sollen, zu lebhaften Debatten unter Lehrern, Eltern, Schülern, Gewerkschaften und Parteien führen.
Schulsenator Ties Rabe (SPD) hat jetzt die ersten Entwürfe für die neuen Bildungspläne vorgestellt – für die Grundschulen, die gymnasiale Oberstufe und die Hauptfächer der Mittelstufe. „Wir wünschen uns eine breite Diskussion mit den Schulgemeinschaften, Verbänden, Kammern und allen Interessengruppen“, sagte Rabe. Dazu wird es ein umfangreiches Beteiligungsverfahren geben. Die endgültigen Bildungspläne sollen im Herbst veröffentlicht und zum Schuljahr 2023/24 eingeführt werden.
Schule Hamburg: Unterrichtsstoffe stärker verankert
Mit der Erarbeitung der neuen Rahmenvorgaben für den Unterricht folgt die Schulbehörde einem Auftrag aus dem Schulfriedensvertrag, auf den sich SPD, Grüne, CDU und FDP 2019 geeinigt hatten. Zugleich stellt das Planwerk auch eine Reaktion auf die Festlegung bundesweiter Bildungsstandards durch die Kultusministerkonferenz und die Einführung bundesweit zentraler Abiturarbeiten dar. „Wir haben erstmals in unseren Bildungsplänen etwas stärker verankert, welche Unterrichtsstoffe und Inhalte denn jetzt eigentlich gelernt werden sollen“, sagte Rabe.
Als die gültigen Bildungspläne vor zwölf Jahren kurz vor Beginn seiner Amtszeit entwickelt wurden, seien sie „sehr, sehr stark entstofflicht“ worden. Es sei vor allem darum gegangen, Kompetenzen zu beschreiben, also Fähigkeiten, die die Schülerinnen und Schüler erwerben sollen.
Kompetenzen sollen ergänzt werden
„Manchmal sind das recht abstrakte Kompetenzen, die alle ihre Berechtigung haben. Aber die Frage, an welchen Inhalten solche Kompetenzen gewonnen werden sollen, war weitgehend ungeklärt“, sagte der Senator. Man könne Lesen lernen, indem man sich die Gebrauchsanweisung für einen Rasierapparat vornimmt oder aber ein Kinderbuch oder ein Gedicht.
„Wir behalten unsere Kompetenzen als Ziele bei, ergänzen sie jetzt aber um eine genauere Beschreibung dessen, was im Unterricht vorkommen soll“, sagte Rabe. Dabei handele es sich um sogenannte Kerncurricula – „eine Art Mindeststandard, der im Unterricht erfüllt werden muss“. Dennoch werde den Lehrkräften, so der Senator, große Freiheit in der Umsetzung ermöglicht.
Verpflichtendes Kernmodul für jeden Bereich
Was das konkret bedeutet, zeigt ein Blick in den Rahmenplan Geschichte für die gymnasiale Oberstufe. Wie bislang gibt es weiterhin vier Themenbereiche (Macht und Herrschaft, Staat und Nation usw.), die den vier Semestern zugeordnet sind. Die Fachkonferenzen der einzelnen Schulen können bislang entscheiden, anhand welcher historischen Epoche sie die Themenbereiche erörtern wollen, also etwa „Staat und Nation“ am Beispiel des 19. Jahrhunderts.
Künftig gibt es für jeden Bereich ein verpflichtendes Kernmodul, in dem zentrale Begriffe definiert und an Beispielen erörtert werden. Zusätzlich muss mindestens eins von sieben Wahlmodulen durchgenommen werden, etwa „Krise und Untergang der Römischen Republik“ oder „Frauen und Macht in Mittelalter und früher Neuzeit“ zum Thema „Macht und Herrschaft“. Bei Kursen auf erweitertem Niveau müssen zwei Wahlmodule pro Semester bearbeitet werden.
Zahl der Klausuren soll nicht erhöht werden
Der Referentenentwurf für die neuen Bildungspläne sieht außerdem eine stärkere Gewichtung der Klassenarbeiten und Klausuren vor. „Wir stellen mit einer gewissen Sorge fest, dass Hamburgs Schülerinnen und Schüler gerade in diesem Bereich bei den Abschlussprüfungen deutlich schwächere Leistungen zeigen als insgesamt“, sagte Rabe. Das gelte für alle Schulfächer. Um das Schriftliche zu stärken, sollen künftig „Klausurersatzleistungen“ (Referate, Vorträge) nicht mehr möglich sein.
Die Zahl der Klausuren (drei in Deutsch, zwei in den anderen Hauptfächern und eine in den übrigen Fächern pro Halbjahr) soll nicht erhöht werden, obwohl noch vor 15 Jahren doppelt so viele Klassenarbeiten geschrieben wurden. Es gebe einen bundesweiten Trend zu weniger Klausuren. „Wir wollen auch nicht zu noch mehr Stress und Belastung beitragen“, sagte der Senator.
„Dennoch bleibt ein gewisses Unbehagen"
„Dennoch bleibt ein gewisses Unbehagen, weil die Schüler in Hamburg schnell lernen, dass das Mündliche angeblich wichtiger ist. Das ist so nicht richtig, bleibt aber vielfach hängen“, sagte der Senator. Deswegen will die Schulbehörde jetzt durchsetzen, dass schriftliche und mündliche Leistungen im Verhältnis 50:50 statt wie derzeit zumeist mit 40:60 in die Gesamtnote einfließen.
Zusätzlich sollen von Klasse fünf an pro Halbjahr zwei Klausuren unter Einsatz des Computers geschrieben werden. „Das ist ein kühner Schritt, der aber dringend nötig ist angesichts der Bedeutung digitaler Technik“, so der Senator. Der Einsatz des Computers könne etwa geschehen, indem Schüler im Internet recherchierten und Fakten zusammentrügen oder indem sie mit Lernprogrammen arbeiteten. „Wir möchten dazu beitragen, dass die Digitalisierung normal wird und nicht mehr ein Stück weit als fünftes Rad am Wagen in der Schule betrachtet wird“, sagte Rabe.
Schule Hamburg: Auch Nachhaltigkeit wird thematisiert
Die Digitalisierung ist eine von vier Leitperspektiven, die sich wie ein roter Faden durch die neuen Bildungspläne aller Fächer und Stufen ziehen sollen. „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ thematisiert nicht nur Klimaschutz und Ökologie, sondern auch Gerechtigkeit und Teilhabe aller.
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„Wertebildung“ orientiert sich an den Prinzipien der demokratischen Gesellschaft, wie sie im Grundgesetz verankert sind. Die Sprachförderung schließlich soll nicht nur als eine Aufgabe des Deutschunterrichts aufgefasst werden. Bei 28 Prozent der Hamburger Schüler ist Deutsch zu Hause nicht Familiensprache.