Hamburg. Bis zu 85 Prozent vom hochansteckenden Typ BA.2 – viel mehr als im Bundesschnitt. Auffallend ist, das viele Kinder betroffen sind.
Mal wieder surft Hamburg vor der Welle: An Alster und Elbe hat sich weitgehend unbeachtet die neue, noch leichter übertragbare Variante der Variante des Coronavirus ausgebreitet. BA.2 heißt sie und ist anders als die anderen Omikron-Subtypen BA.1 und BA.3 mit übersprunghaften Eigenschaften ausgestattet. Nach ersten Ergebnissen aus Dänemark (von wo auch Omikron seinen Weg nach Hamburg fand) ist Typ BA.2 fast doppelt so infektiös. Das hat das Robert-Koch-Institut (RKI) in seinen ersten Einschätzungen bestätigt.
Während man noch nicht sicher weiß, ob die Krankheitsverläufe bei BA.2 ähnlich „mild“ sind wie bei den anderen Varianten von Omikron, ist klar: Auch Geimpfte und Geboosterte können das Virus vermutlich weitergeben. Sie selbst haben eine gute Prognose bei einer Infektion. Ein „milder Verlauf“ bedeutet zwar oft auch Fieber und Gliederschmerzen. Doch dass sie ins Krankenhaus müssen, das ist für dreifach Geimpfte unwahrscheinlich.
Corona: Variante breitet sich in Hamburg aus
Hamburgs BA.2-Welle wird untermauert durch Zahlen des Labors Dr. Heidrich & Kollegen über die PCR-Tests der vergangenen Woche. In ganz Deutschland sind rund 50 Prozent der Omikron-Fälle BA.2. In dem großen Hamburger Labor sind insgesamt 85 Prozent aller sequenzierten Fälle bereits darauf zurückzuführen.
Die Hoffnung auf die Trendwende bei den Omikron-Neuinfektionen ist damit nach wenigen Wochen passé. Denn das war die Lehre aus Dänemark: schnell ansteigende Zahlen zunächst, dann ein schnelles Absinken. Doch der Trend der Neuinfektionen hat sich in Hamburg nach Inzidenzen von über 2000 (2186 am 30. Januar) und einem Abfall auf 643 am 1. März wieder über die 1000er-Marke nach oben umgekehrt.
Im Arztruf 116 117, wo die meisten der Abstriche für PCR-Tests genommen werden, war zuletzt der hohe Anteil an coronapositiven Kindern auffällig. Das sagte der stellvertretende Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Dr. Björn Parey. Die Eltern mit Symptomen werden zumeist gleich mitversorgt. Auch hier scheint ein Quell gestiegener Zahlen zu liegen. Denn mehr Tests bedeuten automatisch mehr positive in einem noch immer pandemischen Umfeld. Das müssen auch Menschen erfahren, die mit Erkältungssymptomen in die Praxis von Parey nach Volksdorf kommen.
Hospitalisierungsinzidenz in Hamburg bei 3,45
„Oft wollen diese Patienten nicht wahrhaben, dass es Corona sein könnte, und sind dann über einen positiven Test überrascht.“ Bei Hausbesuchen und im Notdienst des Arztrufes sieht Parey wenige schwere Erkrankungen. Diese weist er zumeist zur stationären Behandlung in eine Klinik ein. „Die 116 117 hat eine gute Filterfunktion, damit nicht jeder mit Symptomen direkt ins Krankenhaus fährt.“
Der Arztruf fährt, verglichen mit der Vor-Corona-Zeit, weiter am Limit. Nach Rekordzahlen von 10.000 Hausbesuchen pro Woche im Januar sind es nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung jetzt 5000 bis 6000. Das sei noch immer ein sehr hohes Niveau, sagte KV-Sprecher Jochen Kriens. Dabei gingen neun von zehn Fällen auf Corona zurück.
Die Infektionsdynamik zeigt sich auch bei Krankenhaus-Mitarbeitern, die zumeist dreifach oder sogar vierfach geimpft, aber wieder zunehmend von Infektionen betroffen sind. Allerdings ist noch nichts von Stationsschließungen oder ähnlich drastischen Maßnahmen zu hören. Bei Corona-Patienten im Krankenhaus gibt es keine Unterscheidung nach „mit“ oder „wegen“ Corona hospitalisiert. Für die medizinische Versorgung macht das auch keinen Unterschied: Diese Patienten müssen isoliert werden. Die Hospitalisierungsinzidenz in Hamburg liegt mit 3,45 weit unter dem deutschen Mittelwert von 7,45.
„Auf das Tragen von Masken keinesfalls verzichten“
Nach wie vor gibt es Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen. Aufgrund der hohen Boosterquote Älterer verlaufen diese Infektionen eher mild. Das bestätigte auch Hausarzt Parey. Die Sozialbehörde meldete 3551 neue Infektionen. Die Sieben-Tage-Inzidenz kletterte von 1017,0 auf 1065,1. Von den 398 Covid-Patienten in den Krankenhäusern mussten 33 intensivmedizinisch versorgt werden.
Angesichts des BA.2-Vormarsches warnen auch die Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) vor neuen Lockerungsschritten: „Vor dem Hintergrund des aktuellen Infektionsgeschehens können wir die geplanten Lockerungen der Bundespolitik nicht vollständig nachvollziehen“, sagte Prof. Jan Kramer, stellvertretender Vorsitzender des ALM e.V., „Auf das Tragen von Masken sollten wir keinesfalls verzichten.“
Uni-Kliniken brauchen Nachbesserungen bei Finanzen
Der Verband der Uni-Kliniken, zu dem auch das UKE gehört, erklärte: Die Pandemie sei noch nicht vorbei. Verbandschef Prof. Jens Scholz sagte: „Während wir in den Unikliniken an einem Tag im Januar 2022 durchschnittlich ca. 1500 Covid-Patientinnen und Patienten stationär versorgt haben, sind es derzeit mehr als 2300 täglich. Außerdem erkranken immer noch viele Mitarbeitende, die dann bei der Versorgung der Patientinnen und Patienten fehlen.“ Deshalb bräuchten die Uni-Kliniken Nachbesserungen bei den Finanzen. Dass der Leiter des schleswig-holsteinischen Uni-Klinikums mit seiner Bitte bis nach Berlin durchdringt, ist denkbar. Sein Bruder hat dort eine verantwortliche Position. Er heißt Olaf Scholz.