Hamburg. Noch sind nicht alle Notunterkünfte belegt. Doch die Stadt trifft schon Vorbereitungen für einen längeren Verbleib der Kriegsflüchtlinge.

Es gibt etwas zu essen, einen Bus gegen die Kälte, untergebracht und versorgt werden die Geflüchteten rund um die Uhr: Hamburg reagiert auf die wachsende Zahl der Menschen, die vor den russischen Angriffen aus der Ukraine fliehen. Vor den Aufnahmezentren in Wandsbek und Rahlstedt ist der Andrang von Geflüchteten, die sich registrieren lassen wollen, weiterhin groß. Am Montagmittag standen etwa 250 Menschen vor der Ausländerbehörde an der Hammer Straße. In den Morgenstunden seien es sogar noch mehr gewesen, wie ein Busfahrer berichtete: „Ich bin seit 6 Uhr hier, da war es schon voll.“ Ähnlich groß soll der Zulauf vor der Erstaufnahme in Rahlstedt gewesen sein. „Das waren mehr Menschen als in den vergangenen Tagen“, erklärte Klaudia Kremer, Leiterin der Organisation „Meiendorf hilft“.

Zugleich aber sind die Bedingungen für die Wartenden vor Ort deutlich verbessert worden. An beiden Standorten wird die Grundversorgung nun durch das Technische Hilfswerk sichergestellt. „Dadurch können wir uns darauf konzentrieren, die Menschen mit anderen Hilfsgütern wie etwa Pflegeprodukten zu versorgen“, betonte Kremer. An der Hammer Straße stehen außerdem zwei Reisebusse, in denen sich die Wartenden aufwärmen können. Neben Lebensmitteln können die Geflüchteten auch Kleiderspenden entgegennehmen.

Vor der Ausländerbehörde ist am Montag zudem ein mobiles Impfzen­trum in Betrieb genommen worden. „Wir sind um 8 Uhr gestartet. Ich schätze, dass sich bis Mittag schon etwa 50 Personen haben impfen lassen“, sagte ein Impfhelfer. Alle Menschen aus der Ukraine bekämen ein Impfangebot gegen das Coronavirus, sagte der Sprecher der Sozialbehörde, Martin Helfrich. „Sowohl in den Messehallen als auch bei der Registrierungsstelle ist ein mobiles Impfteam vor Ort. Mehrere Hundert Impfungen konnten dort bereits durchgeführt werden.“

Geflüchtete aus der Ukraine: Corona bereitet Helfern Sorge

Bislang ist Corona in den Notunterkünften für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nach Auskunft von Beobachtern kein großes Thema. Vereinzelte Fälle, die festgestellt worden waren, wurden in entsprechenden Einrichtungen untergebracht. In den Notunterkünften selbst werden die Flüchtlinge täglich getestet. Allerdings ist nicht sicher, wer überhaupt bereits gegen Corona geimpft ist. Das bereitet den Mitarbeitern Sorge, weil auch ältere Menschen unter den Flüchtlingen sind, die dort untergebracht sind.

Das zentrale Erstaufnahmezentrum in Rahlstedt ist weiterhin rund um die Uhr geöffnet. Das bedeutet, dass sich Geflüchtete, die nicht über eine Unterkunft verfügen, zu jedem beliebigen Zeitpunkt registrieren lassen können, wie die Innenbehörde dem Abendblatt bestätigte.

Nach Einschätzung des Ankunftszentrums kamen am Wochenende etwas weniger Menschen neu in Hamburg an als in der vergangenen Woche. „Insgesamt gehen wir davon aus, dass rund 9500 bis 10.000 Menschen aus der Ukraine Hamburg erreicht haben“, sagte Daniel Schaefer, Sprecher der Innenbehörde, dem Abendblatt am Montag. „Viele davon sind sicherlich auch privat untergekommen oder womöglich weitergereist.“ Bis einschließlich Sonntag seien 5163 Personen registriert worden.

Sporthallen als Notunterkünfte noch nicht belegt

„Die Fluchtbewegungen halten an, weshalb der Krisenstab die Unterbringung und Versorgung weiterer Menschen vorbereitet, die in Hamburg Schutz suchen“, so Schaefer. Die größte Herausforderung liege weiterhin in einer nicht möglichen Prognose sowie einer noch nicht gestarteten, bundesweit verbindlichen Aufnahme von ukrainischen Geflüchteten. „Berlin und Hamburg sind die Städte, die offenbar am häufigsten angesteuert werden.“

Der Krisenstab koordiniere deshalb stetig den Ausbau der Plätze. Wie berichtet, wurden fünf Schulturnhallen sowie der ehemalige Fegro-Markt an der Schlachthofstraße in Harburg als Notunterkünfte zur Verfügung gestellt. Die Sporthallen seien bislang noch nicht belegt, sagte Schaefer. Eine tagesaktuelle Auswertung für die Belegung im Fegro-Markt gebe es vonseiten der Behörde nicht.

Die Planungen für die Einrichtungen für Folgeunterkünfte seien noch nicht abgeschlossen, sagte Martin Helfrich, Sprecher der zuständigen Sozialbehörde. „Es sind jedoch zahlreiche Vorbereitungen im Gange. Wir greifen dabei auf allgemeine Vorbereitungen zurück, die für den Fall eines kurzfristig steigenden Bedarfs angestellt worden sind.“ Die bestehenden Planungen des Senats für die Ausweitung von Kapazitäten bei den Folgeunterkünften würden dabei teilweise in Anspruch genommen werden.

Hamburg plant offenbar Bau von Anschlussunterkünften

Insider mahnen den zügigen Bau von Anschlussunterkünften an. Nach Informationen des Abendblattes soll es bereits von den Behörden bei einschlägigen Firmen eine entsprechende Anfrage geben. Aus der Branche hieß es, dass die Kapazitäten begrenzt und viele Unternehmen bereits auf Monate ausgebucht seien. Als ein noch größeres Problem werden dort die Tiefbauarbeiten angesehen. „Solche Unterkünfte brauchen Wasser-, Abwasser- oder Stromanschluss. Das bedeutet, dass man sie nicht auf jede freie Wiese setzen kann, sondern dass die Gegend erschlossen sein muss. Für die Gebäude selbst muss ein Fundament gegossen werden“, so ein Unternehmer. In dem Bereich seien die Kapazitäten der Firmen noch begrenzter.

Dabei war die Situation schon vor Wladimir Putins Feldzug angespannt. Bereits im Januar hatte die Innenbehörde in einer internen Präsentation aufgezeigt, dass bis Ende 2023 in Hamburg 3000 Plätze für Flüchtlinge fehlen könnten. Damals spielten mögliche Flüchtlinge aus der Ukraine noch keine Rolle bei den Berechnungen. Vielmehr hatte die Behörde damit gerechnet, dass „die Entwicklung in Afghanistan zu einer großen Fluchtbewegung“ führen könnte, dass die Migration von Flüchtlingen via Italien genauso andauern werde wie die über die Balkanroute. Vorausgegangen war ein kontinuierlicher Anstieg der Hamburger Flüchtlingszahlen von unter 400 im Februar 2021 auf 972 im November 2021.

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Im letzten Quartal des vergangenen Jahres waren von den zu dem Zeitpunkt rund 30.000 Plätzen in der „öffentlich-rechtlichen Unterbringung“ insgesamt 27.106 belegt. Für das Jahr 2022 rechnete die Behörde noch mit weiteren rund 400 Menschen, die Unterbringungsbedarf haben. Für die zweite Jahreshälfte wurde sogar nur noch mit 300 Personen gerechnet.

Die Bezirke wurden schon damals aufgefordert, eine Verlängerung aller Standorte zu prüfen, die eigentlich geschlossen werden sollten. Ausdrücklich sollten auch die Standorte darunter sein, für die „Bürgerverträge“ geschlossen wurden, die eine zeitlich beschränkte Nutzung enthalten. Zudem sollten alle Bezirke neue Flächen benennen, auf denen Unterkünfte gebaut werden könnten.