Hamburg. Zehntausende folgten Aufruf von Fridays for Future und demonstrierten gegen den Putins Angriffskrieg – darunter viele Schüler.
„Am Eingangstor stand Peace. Komm rein und genieß. (…) Das war das Paradies, Paradies, Paradies. In meinem Traum. (…) Bitte weck mich nicht auf. Da war’s ideal, weil einfach niemand verloren, kaputt oder einsam war“, sang Musiker Axel Bosse von der Band Bosse gestern vor Zehntausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die sich auf dem Spielbudenplatz versammelt hatten und dem Aufruf von Fridays for Future gefolgt waren.
Unter dem Hashtag „Stand with Ukraine“ hatte die Klimabewegung zu „Solidarität mit der Ukraine“ in Form einer Demonstration aufgerufen, „um auf die Notwendigkeit dringender, entschlossener Maßnahmen gegen Putins Brutalität und ungleiche Kriege hinzuweisen“. Fridays for Future kam wiederum einem Aufruf der ukrainischen Fridays-for-Future-Bewegung nach, die weltweit zum Protest gegen den Angriffskrieg auf die Ukraine aufgerufen hatte. Um 12 Uhr ging es mit einem Auftakt auf dem Spielbudenplatz los.
Demo Hamburg: „Es herrscht Krieg in Europa"
„Hamburg ist heute zusammengekommen, um Solidarität zu zeigen“, sagte Klimaaktivistin Luisa Neubauer in einer emotionalen Rede. „Nichts und niemand wird uns davon abhalten, jetzt aufzustehen, laut zu werden und solidarisch zu sein, so klar Haltung zu zeigen wie Autokraten es hassen: Putin, verpiss dich, wir sind da!“, rief sie unter dem tosenden Applaus der Menge. „Es herrscht Krieg in Europa, und wir haben Angst“, sagte Neubauer. „In Hamburg entscheiden wir uns heute aber gegen Angst und für offene Arme.“
Neben Rednern, Videos und Botschaften aus der Ukraine wurde das Programm der Demonstration von Musikern wie Axel Bosse, Enno Bunger und Alli Neumann begleitet. Er sei „für den Frieden hier, so wie alle anderen auch“, sagte Pop-Sänger Bosse. Es sei „wahnsinnig schön“, dass so viele Leute gekommen seien. „Das ganze Viertel ist voll. Das ist das beste Zeichen, das wir gerade senden können.“
Hamburgs Schüler von Unterricht befreit
Bereits um 11.30 Uhr waren die U- und S-Bahnen in Richtung Spielbudenplatz so voll, dass teilweise kein Ein- und Aussteigen mehr möglich war. Über die Zahl der Demonstranten gab es unterschiedliche Angaben. Während Fridays for Future von mehr als 120.000 Menschen sprach, berichtete die Polizei lediglich von mehr als 20.000 Demo-Teilnehmern. Vom Spielbudenplatz zog der Demonstrationszug weiter über die Reeperbahn, die Ludwig-Erhard-Straße, über den Baumwall zu den Landungsbrücken und schließlich wieder zurück auf die Reeperbahn.
Damit Hamburgs Kinder und Jugendliche allerdings mit gutem Gewissen ein „Zeichen gegen den Krieg setzen“ konnten, befreite Schulsenator Ties Rabe (SPD) mit einem Schreiben alle Schüler ab 16 Jahren vom Unterricht. Das hatte erheblich weniger „Stress“ für die Schülerinnen und Schüler zur Folge, wie die 17 Jahre alte Laura Okkens vom Gymnasium Alstertal verriet: „Sonst haben wir das Fernbleiben wegen Fridays-for-Future-Demonstrationen immer als Fehlstunden angerechnet bekommen.“
Schüler begrüßten die Entscheidung des Senats
Auch Schülerin Marlene Baltruschat begrüßte die Entscheidung des Senators und empfand sie als Motivation, wie die 17-Jährige sagt: „Ich fand es richtig gut, dass der Senat uns von der Schule freigestellt hat. Ich glaube, dass es hier nicht so voll wäre, hätte man sich selbst entschuldigen müssen. Ich fand dieses Zeichen sehr motivierend.“ Zwar hätten die Schülerin und ihre Freundin Anne Ingwers aufgrund einer am Freitag anstehenden Mathearbeit kurz überlegt, ob sie an der Demonstration teilnehmen sollten, sich aber dennoch dafür entschieden, da ihnen „der Frieden wichtiger als eine Mathearbeit“ sei.
„Der heutige Tag hat mal wieder gezeigt, dass es vor allem auch die jüngeren Generationen in Hamburg sind, die sich für eine bessere Zukunft starkmachen und Haltung zeigen“, sagte Jennifer Jasberg, Vorsitzende der Grünen-Bürgerschaftsfraktion.
Enno Bunger von Anteilnahme begeistert
Doch nicht nur Hamburgs Jugend war dabei. Auch demonstrierten einige Erwachsene wie Kathrin O. mit. Die 40-jährige Hamburgerin habe ihr „Erschrockensein“ kundtun wollen, weil sie sich „so ohnmächtig“ fühle. Außerdem habe sie schon seit Langem an einer Demonstration der Klimabewegung teilnehmen wollen. „Bisher war es mir nicht möglich, an den Fridays-for-Future-Demonstrationen teilzunehmen, weil ich immer arbeiten musste, aber heute habe ich Urlaub und kann hier sein.“
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Auch Singer-Songwriter Enno Bunger zeigte sich von der großen Anteilnahme begeistert. „Ich freue mich, dass so viele Leute gekommen sind und solidarisch an der Seite der überfallenen Ukrainer stehen“, sagte der Wahlhamburger. Allerdings habe der gebürtige Ostfriese „noch im Januar nicht gedacht, dass es für mich als Musiker einen so konkreten Anlass geben würde, auf einer Antikriegsdemo zu spielen“.
Demo Hamburg: Enno Bunger spielte einen neuen Song
Mit „Grasgelb“ spielte der 35-Jährige einen bisher unveröffentlichten Song, den er im vergangenen Monat aufgrund der Entscheidung der EU-Kommission, Atomkraft und Gas als grüne Energien einzustufen, geschrieben habe und der Fridays-for-Future-Bewegung widmet. Er habe mit dem Song zeigen wollen, „dass es alles zusammenhängt. Die Wirtschaft vieler Autokraten basiert auf fossiler Energie. Boykottierst du Öl, Gas und Kohle, nimmst du ihnen das Geld und damit auch die Macht.“ Jede und jeder könne dem Musiker zufolge etwas verändern, wenn er oder sie es nur wolle.