Hamburg. Eine Initiative will in Hamburg Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf Bezirks- und Senatsebene verbindlich machen. Den Weg dahin hat das Hamburgische Verfassungsgericht nun jedoch für unzulässig erklärt.

Das Hamburgische Verfassungsgericht hat das geplante Volksbegehren für verbindliche Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf Bezirks- und Senatsebene für unzulässig erklärt. Dies würde grundlegende Änderungen der Hamburgischen Verfassung und der Verwaltungsorganisation nach sich ziehen, die jedoch in der Vorlage der Initiatoren nicht offen gelegt würden, begründete Hamburgs höchstes Gericht am Freitag seine einstimmig gefällte Entscheidung.

Der Senat war gegen das Volksbegehren vor Gericht gezogen, weil er es für verfassungswidrig hält. Die Initiatoren verwiesen nach der Entscheidung darauf, dass das Ziel ihrer Initiative an sich zulässig sei. Um es zu erreichen, müssten sie nun aber einen anderen Weg gehen.

Das Gericht betonte, der Abstimmungstext sei irreführend, was das angestrebte Gesetzgebungsverfahren und seinen Ausgang angehe. Die Bürger könnten sich kein vollständiges Bild von den Folgen ihrer Entscheidung machen. Das Volksbegehren weise so erhebliche Mängel auf, dass es den Grundsätzen insbesondere zur Abstimmungsfreiheit nicht genüge, sagte Gerichtspräsidentin Birgit Voßkühler.

Die im August 2019 gestartete Volksinitiative will das lokale Mitbestimmungsrecht stärken. Hintergrund ist, dass ihr zufolge der Senat seit Einführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden in Hamburg mehr als 20 davon außer Kraft gesetzt und teilweise auch die Bezirke angewiesen hat, die aufgeworfene Frage in seinem Sinne zu bearbeiten. Das möchte die Initiative nicht länger hinnehmen und hat deshalb nach eigenen Angaben mehr als 14.000 Unterschriften gesammelt.

In der Vorlage der Initiatoren heißt es: "Senat und Bürgerschaft unternehmen unverzüglich alle notwendigen Schritte, damit in Bezirksangelegenheiten rechtlich für Bezirk und Senat Bürgerentscheide bindend sind." Bürgerbegehren dürften zudem ab dem Tag ihrer Anmeldung nicht mehr behindert oder verhindert werden. Erfolgreiche Bürgerentscheide dürften nur durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden.

Aus Sicht des Verfassungsgerichts zöge ein solches Volksbegehren aber umfangreiche Verfassungs- und Gesetzesänderungen nach sich. Die sogenannte Einheitsgemeinde Hamburg müsste beseitigt werden. Hinzu komme, dass die geforderte sofortige gesetzliche Umsetzung von Zielen in einem Volksbegehren ein unzulässiger Eingriff in den Kernbereich der Exekutive, also des Senats, sein könnte. Auch die Freiheit des Mandats der Bürgerschaftsabgeordneten würde missachtet.

Bernd Kroll, einer der drei Vertrauenspersonen der Initiative, zeigte sich dennoch nicht gänzlich unzufrieden: "Durch die heutige Entscheidung des Hamburgischen Verfassungsgerichts besteht endlich Klarheit, dass wir Bürgerentscheide und Bürgerbegehren in Hamburg verbindlich machen können."

Das Gericht habe sogar aufgelistet, was genau wo geändert werden müsse. "Damit sind wir unserem Ziel, dass in Hamburg auch Bürgerentscheide für den Senat und die Bürgerschaft verbindlich sind, ein großes Stück näher gekommen." Auch die Forderung, dass Bürgerbegehren nicht mehr behindert oder verhindert werden dürften, habe das Gericht für zulässig erklärt.

Die Grünen-Regierungsfraktion und die CDU-Opposition in der Hamburgischen Bürgerschaft begrüßten das Urteil. "Das Gericht hat klargemacht: Würden die Ziele der Initiative durchgesetzt, käme das der Abschaffung der Einheitsgemeinde gleich", sagte die Grünen-Justizexpertin Lena Zagst. Ihre Fraktion sei für die Gleichrangigkeit von direkter und repräsentativer Demokratie und begrüße zivilgesellschaftliches Engagement. "Jedoch wenden wir uns dagegen, dass demokratisch legitimierten Institutionen Entscheidungsbefugnisse entzogen werden."

Der Sprecher für Verfassung und Bezirke der CDU-Fraktion, André Trepoll, sagte: "Der Schwanz darf nicht mit dem Hund wedeln!" Hamburgs Entwicklung hänge maßgeblich mit dem Prinzip der Einheitsgemeinde zusammen und daher habe die CDU die Volksinitiative auch von Beginn an abgelehnt. "Eine Stärkung der Bezirke ist notwendig, aber dafür müssen nicht zentrale Strukturgrundsätze außer Kraft gesetzt werden", sagte Trepoll.

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