Hamburg. Passant hatte einen Jugendlichen mit einer Pistole gesehen. Gelände abgeriegelt. Aldi nimmt gestrandete Schüler auf.

Zwei Freundinnen fielen sich am Dienstagnachmittag erleichtert in die Arme. „Ich hatte so eine Angst!“, rief ein Mädchen – es war das Ende eines nervenaufreibenden Tages für die Schülerinnen und Schüler der Otto-Hahn-Schule in Jenfeld. Die Hintergründe sind weiter unklar. Die Ermittlungen dauern an, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch. In den kommenden Tagen sollen demnach Zeugen vernommen werden – darunter auch Schüler.

Ein Amokalarm und ein großer Einsatz von Spezialeinsatzkräften hatte die Schule und die Polizei Hamburg tagsüber in Atem gehalten. Die Beamten waren Hinweisen nach verdächtigen Personen auf dem Gelände mit seinen sieben Gebäuden nachgegangen. Nach Polizeiangaben hatte ein Zeuge um 11.45 Uhr angegeben, beobachtet zu haben, wie zwei junge Männer in Richtung der Schule gegangen seien. Einer der beiden habe dabei eine Pistole aus einem Rucksack gezogen.

Amokalarm: Polizei Hamburg beschreibt Waffenbesitzer

„Alles begann mit dem Anruf eines Zeugen“, sagte Polizeisprecherin Sandra Levgrün. „Er beobachtete, wie zwei junge Männer die Jenfelder Allee überquerten. Dabei holte einer der Männer eine Schusswaffe aus seinem Rucksack. Es wurde eine Handbewegung gemacht, als wäre die Waffe durchgeladen worden. Danach verschwand der Mann auf dem Schulgelände. Wir haben zunächst eine Bedrohungslage angenommen.“

Doch dieser Verdacht bestätigte sich nicht. Nach fast fünf Stunden, gegen 16.30 Uhr, konnte die Polizei Entwarnung geben. „Wir haben weder eine Person mit einer Schusswaffe noch einen der beiden vom Zeugen beschriebenen Männer angetroffen“, sagte Levgrün.

Nach der Entwarnung wurden die Schülerinnen und Schüler Klasse für Klasse in die Aula geführt, von dort aus konnten die wartenden Eltern sie endlich in Empfang nehmen – zuerst die der Unterstufen, dann die älteren Kinder und Jugendlichen. Um kurz nach 18 Uhr sah man noch einige Schüler hinter den Fenstern der Schule sitzen, die Straße wurde wieder freigegeben, nachdem der Verkehr zuvor zusammengebrochen war.

Schüler, die auf die Beschreibung des Zeugen passten, wurden den Angaben zufolge von der Kriminalpolizei „gesichtet“ und gegebenenfalls auch fotografiert, um dem Zeugen Bilder vorlegen zu können. Zudem wurde die Schule am Abend noch einmal durchsucht, sobald alle Kinder und Jugendlichen die Schule verlassen hatten. Doch beides habe noch keinen Erfolg gebracht, sagte der Polizeisprecher.

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Amokalarm an Schule: Polizei durchsucht Gebäude

Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort, unter anderem wurden die Bereitschaftspolizei, das SEK und weitere Spezialeinheiten alarmiert. Der Bereich um die Schule, dazu gehört auch die Jenfelder Allee, war während des gesamten Einsatzes gesperrt.

Rund um die Schule hatten sich Polizisten platziert, weil die Lage lange Zeit unklar war. So war nicht bekannt, ob der angeblich Bewaffnete tatsächlich in das Gebäude ging oder nur daran vorbeilief, hieß es von der Polizei vor der Entwarnung. Spezialkräfte durchsuchten Raum für Raum des Gebäudes – das nahm wegen der Größe der Schule, die rund 1500 Schülerinnen und Schüler unterrichtet, einige Zeit in Anspruch: 53 Klassenräume wurden durchsucht, in jedem saßen durchschnittlich 25 Schüler.

Im Internet verbreiteten Gerüchten, es seien Schüsse in der Nähe der Schule gehört worden, trat die Polizei per Twitter entgegen: Es sei nichts dergleichen bekannt, die Überprüfung der Gebäude sei "ohne besondere Vorkommnisse" verlaufen.

Amokalarm an Schule: Aldi nimmt Schüler auf

Mit der guten Nachricht konnten die ersten Sondereinsatzkräfte das Gelände gegen 17 Uhr verlassen, die Emotionen bei den Beteiligten aber blieben: „Meine Hände haben gezittert“, sagte Vater Chris, der noch um 17.30 Uhr auf seine Tochter wartete. „Ich war bis gerade eben bei der Arbeit.“ Als seine Frau ihn vormittags mit der Nachricht vom Polizeieinsatz anrief, hatte er Angst.

Für die besorgten Eltern war zwischenzeitlich ein Sammelpunkt auf einem Parkplatz an der Jenfelder Allee eingerichtet worden. Dort wurden diese von Einsatzkräften betreut, solange das Schulgelände abgeriegelt war.

Ein Discounter im direkten Umfeld der Schule hatte seinen normalen Verkaufsbetrieb eingestellt und wollte stattdessen gestrandeten Schülerinnen und Schülern einen Anlaufpunkt geben, die während des Einsatzes nicht ins Gebäude durften. „Wir haben den Markt sofort geschlossen und auf Krisenmodus umgestellt“, sagte Aldi-Marktleiter Femija Avdija. Einige seiner Mitarbeiter seien mit Eltern der Schülerinnen und Schüler befreundet. Die Sorge sei bis zur Entwarnung entsprechend groß gewesen. „Wir sind ins Lager gerannt und haben nach allem gesucht, womit man die Kinder wärmen könnte: Decken, Jacken, Bettbezüge. Alles.“ Auch Getränke habe er angeboten.

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Auf der Straße vor dem Aldi-Markt standen am Abend nur noch kleine Grüppchen. Die übrigen Einsatzwagen waren bereit zur Abfahrt. Auch vor dem Haupteingang der Schule stand niemand mehr. Doch im Discounter selbst liefen noch Schüler durch die Gänge und unterhielten sich über das Erlebte. Sie waren ausgelassen – und erleichtert.