Hamburg. Eigentlich sollte die Frühjahrstagung der Gleichstellungs- und Frauenministerinnenkonferenz unter Hamburger Vorsitz in Präsenz stattfinden. Corona hat es unmöglich gemacht. An der Elbe ist man dennoch hoffnungsfroh, dass man in Sachen Gleichstellung vorankommt.
Hamburgs Zweite Bürgermeisterin und Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank hofft mit der neuen Ampelkoalition in Berlin auf echte Fortschritte in der Gleichstellungspolitik. "Das muss jetzt ein Jahrzehnt des Aufbruchs für die Gleichstellung werden", sagte die Grünen-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur zum Auftakt der am Donnerstag begonnenen Frühjahrstagung der Gleichstellungs- und Frauenministerinnenkonferenz (GFMK) unter Hamburger Vorsitz. "Was wir die letzten Jahre erlebt haben, war in vielen gesellschaftspolitischen Fragen eine Blockade." Für notwendige Veränderungen hätten die Mehrheiten gefehlt.
"Mein Eindruck ist, dass die Gesellschaft in großen Teilen schon viel weiter ist", sagte Fegebank. Als Beispiel nannte sie die Ergänzung des Artikels 3 im Grundgesetz, die sexuelle Identität, das Thema Gleichstellung lesbischer Paare, die Verteilung der Care-Arbeit zwischen Männern und Frauen und das "Generationenthema" der grundsätzlichen Gleichstellung der Frau auch in der Wirtschaft. "Das waren zehrende Debatten, wo über viele Jahre nur winzige Fortschritte und nie der große Wurf sichtbar waren. Nun bewegt sich endlich etwas."
Die Frühjahrstagung fand digital auf Arbeitsebene statt, also ohne die Ressortchefinnen und -chefs. Hauptsächlich ging es um die Vorbereitung der GFMK-Haupttagung im Sommer, zu der sie ihre Kolleginnen und Kollegen hoffentlich in Präsenz in Hamburg empfangen könne, sagte die Senatorin.
Bei der Gleichstellung der Frau gehe um eine andere Kultur, um Rollenbilder und Selbstverständnis. "Das ist natürlich ein ganz dickes Brett, das schon lange gebohrt wird, aber noch lange nicht durchgebohrt ist." Gleichstellung könne man nicht verordnen. "Aber unsere Aufgabe in der Politik ist es, dafür die Rahmenbedingungen richtig zu setzen, beispielsweise die Betreuungssituation in der Kita, im Ganztag, in der Schule, bei der gerechten Verteilung von unbezahlter Familien- und Sorgearbeit. Für Frauen und Männer müsse es echte Wahlfreiheit geben: "Gehe ich in eine Vollzeitbeschäftigung, welche Art von Beruf kann ich ergreifen und kann ich das dann in Einklang mit der Familie bringen?"
Ausgangspunkt für den Hamburger Konferenzvorsitz sei immer noch die Corona-Pandemie, stellte Fegebank fest. "Deshalb müssen wir uns im Zusammenspiel mit den anderen 15 Ländern und dem Bund die Frage stellen, wie kommen wir stärker aus der Krise heraus und wie schaffen wir eine Gleichstellungspolitik, die gegenüber künftigen Krisen widerstandsfähig ist, damit wir in Zukunft sicherstellen, dass Frauen von Anfang an in den entscheidenden Beratungsgremien mit dabei sind und ihre Anliegen und die der Familien stärker berücksichtigt und gehört werden?" Dies sei auch Kern des Hamburger Leitantrags, der bei der Haupttagung im Sommer beschlossen werden soll.
"All diese Debatten werden jetzt durch die Pandemie verstärkt geführt", sagte die Grünen-Politikerin. Die Pandemie habe Frauen durch Homeoffice, Home-Schooling und Care-Arbeit stärker belastet als Männer. "Und deshalb sehe ich schon, dass aus diesem Rückfall in tradierte Rollenbilder auch die Chance erwächst, Dinge künftig anders zu machen." Die Digitalisierung sei dabei ein wichtiger Beschleuniger und Treiber. Es gebe auch gute Lehren aus der Pandemie - "und die müssen wir beibehalten".
Die Debatten müssten jetzt geführt werden, betonte Fegebank. "Wir müssen unmittelbar aus dem Erleben, aus den Erfahrungen der Pandemie heraus den Schub der Digitalisierung nutzen und die Rahmenbedingungen schaffen, damit das Thema Gleichstellung in der Arbeitswelt und dann in der Folge auch in den Familienkonstellationen wirklich gelebt werden kann."
Der Koalitionsvertrag der Berliner Ampel formuliere die Erwartung, dass die eigenständige Existenzsicherung für Frauen auch tatsächlich ermöglicht wird. "Und das heißt, man muss die Hürde des Gender-Pay-Gaps und des Gender-Care-Gaps angehen, eine partnerschaftliche Aufteilung der Sorgearbeit ermöglichen, um darüber Frauen andere Wege in die Erwerbsarbeit zu ermöglichen und sie auch dort zu halten."
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