Hamburg. Aufsehen erregender Fall wird in Hamburg neu verhandelt. Vor Gericht gibt sich der Gangsta-Rapper besonnen und verbindlich.

Von Krawall keine Spur. Es gibt kein aufmüpfiges Gepolter, kein überhebliches Gehabe, keine provozierende Siegerpose. Was ist an diesem Tag mit Gzuz los? Hat der Frontmann der Hip-Hop-Band 187 Strassenbande seinem Bad-Boy-Image abgeschworen? Statt dessen wirkt er besonnen und verbindlich. Man ist versucht zu sagen: lammfromm.

Es steht allerdings auch viel auf dem Spiel in diesen Zeiten für den Mann, der als Gangsta-Rapper sein Geld verdient und allein auf Instagram 2,5 Millionen Follower hat. Im Prozess vor dem Landgericht, wo der Hamburger sich unter anderem wegen Drogendelikten und Körperverletzung verantworten muss, geht es um nicht weniger als die Frage, ob Gzuz wirklich ins Gefängnis muss. Da ist es wohl kein Zufall, dass das neue Album, das der Gangsta-Rapper zusammen mit seinen Mitstreitern von 187 Strassenbande vor wenigen Tagen auf den Markt gebracht hat, den Titel „Große Freiheit“ trägt.

187 Strassenbande: Gzuz gesteht Angriff

Denn ob der Musiker, mit bürgerlichem Namen Kristoffer Klauß, weiterhin die „große Freiheit“ wird genießen können, ist zumindest fraglich. Das Amtsgericht hatte entschieden, dass 18 Monate Haft die richtige Strafe für den 33-Jährigen sei. „Herr Klauß! Wer, wenn nicht Sie, gehört in den Knast“, hatte ihm der Vorsitzende Johann Krieten in der ersten Instanz mit auf den Weg gegeben. Dieses Schicksal möchte Gzuz abwenden und ist gegen das Urteil, in dem darüber hinaus 510.000 Euro Geldstrafe gegen ihn verhängt wurde, in Berufung gegangen. Der Prozess jetzt vor dem Landgericht ist auf sieben Verhandlungstage terminiert.

Die Miene unergründlich und entschlossenen Schrittes, mit schlenkernder Panzergoldkette auf dunklem Outfit, durchmisst der Angeklagte den Flur zum Gerichtssaal und lässt sich durch die Kameras, die auf ihn gerichtet werden, nicht irritieren. Blitzlichtgewitter ist Gzuz schließlich gewöhnt, Aufmerksamkeit zahlt sich aus. Nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Internet. Wer auffällt, bekommt reichlich Klicks und damit Geld. Da sind nonkonforme, aufstachelnde Videos offenbar recht gelegen.

Gzuz gesteht in Teilen vor Gericht

Doch zumindest mit einem Auftritt im Internet hat sich der Gangsta-Rapper erheblichen juristischen Ärger eingehandelt. Eine Aufnahme aus der Silvesternacht 2018 zeigt den Hamburger mit den charakteristischen Tätowierungen, wie er mehrfach eine Schreckschusspistole abfeuert, was ihm eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz einbrachte.

187 Strassenbande – gefeiert und gefürchtet

Außerdem wirft die Staatsanwaltschaft dem mehrfach vorbestraften Hamburger unter anderem vor, etwa 15 Gramm Marihuana und einen sogenannten Polenböller in seiner Wohnung aufbewahrt sowie eine 19-Jährige, die ein Selfie mit ihm wollte, mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen zu haben. Ferner habe Klauß versucht, aus einem unterverschlossenen Rettungswagen eine Sauerstoffflasche zu stehlen. Alle diese Taten hatte das Amtsgericht in seinem Urteil als erwiesen angesehen. Richter Krieten hatte dem Angeklagten bescheinigt, dieser sei „ein Sozialrüpel. Sie missachten die Regeln des sozialen Miteinanders auf das Übelste“.

Jetzt in der Berufungsinstanz bestreitet Gzuz in einer von Verteidiger Ulf Dreckmann verlesenen Erklärung, das Marihuana besessen zu haben. Ein Freund habe damals in seiner Wohnung gelebt und Drogen konsumiert. Allein ein Tütchen Marihuana habe wohl ihm selber gehört, so der Tenor der Aussage des Angeklagten. Auch die bei einer anderen Durchsuchung gefundenen Waffen hätten nicht ihm gehört, sondern seinem Schwiegervater. Und in den Rettungswagen sei er zwar geklettert, habe aber nichts stehlen wollen.

Gzuz: "Habe viel getrunken und viel Blödsinn gemacht"

Dass er zum Jahreswechsel Schüsse aus einer Schreckschusspistole abgegeben habe, treffe zu, räumt der 187-Strassenbande-Frontmann ein. Die Waffe gehöre einem Kollegen. Er habe gedacht, dass er an Silvester mit der Waffe schießen dürfe. Diese Überlegung sei „wohl ein bisschen blöd von mir“ gewesen. „Ich bin nicht im Traum darauf gekommen, was für einen Ärger mir das einbringen würde.“ Auch den Schlag gegen eine junge Frau streitet der Angeklagte nicht ab. Er habe allerdings nur eine fuchtelnde Handbewegung gemacht, um ihr Handy wegzustoßen. Dabei sei sie versehentlich an der Nase getroffen worden. Für den Schlag habe er sich entschuldigt und 500 Euro Schmerzensgeld gezahlt.

Der Hamburger Rapper Gzuz (l.) von der 187 Strassenbande vor Gericht.
Der Hamburger Rapper Gzuz (l.) von der 187 Strassenbande vor Gericht. © picture alliance

In Anspielung darauf, dass mehrere der Taten, die dem Angeklagten vorgeworfen werden, in das Frühjahr 2020 fallen, sagt jetzt die Vorsitzende, das seien wohl bei Kristoffer Klauß „unruhige Zeiten“ gewesen. Er habe damals „viel getrunken und viel Blödsinn gemacht“, räumt der Angeklagte ein. Dann habe er eine „einschneidende Erfahrung gemacht“, ergänzt er und meint damit wohl den Prozess vor dem Amtsgericht.

Gzuz erklärt Straftaten - „an der Grenze zur Philosophie“

Damals, bei der Verhandlung im Herbst 2020, hatte er gepöbelt, war an manchen Tagen verkatert im Gericht erschienen und hatte mitunter mit vorlauten Bemerkungen gestört. Dafür wurde er von Amtsrichter Krieten, der bekannt dafür ist, entschieden durchzugreifen, des Saales verwiesen. Gzuz hatte offenbar geglaubt, sich alles erlauben zu können. Mit dem Urteil von anderthalb Jahren Gefängnis und der zusätzlichen Geldstrafe hatte der Hip-Hopper wohl nicht gerechnet. Das sei „belastend gewesen, dass man in Haft muss und so viel Geld zahlen muss. Das schwebt über einem“, sagt Gzuz jetzt.

Allerdings könne er das damalige Urteil des Amtsgerichts nicht nachvollziehen. Er habe den Eindruck gehabt, dass der Richter ihn „bestrafen wollte, so hart, wie es nur irgend geht“. Der Jurist habe ihm „nicht nur meine Taten vorgeworfen, sondern mein ganzes Leben und dass ich ein Gangsta-Rapper bin“. Bei dieser Musik „singen wir, dass wir schießen, aber wir schießen natürlich nicht“. Seine Songs erzählten „Geschichten aus einer anderen Welt. Es geht um Aufstieg aus dem Nichts und Tabubruch“. Es handele sich „um Kunst. Ich bin in der Musik eine Kunstfigur“. Diese Ausführungen, kommentiert die Vorsitzende Richterin, „waren ja schon hart an der Grenze zur Philosophie“.