Hamburg. Es gab großen Zulauf für die Demo des „Bündnisses gegen Rechts“. Aber es waren auch Tausende Impfgegner auf der Straße – trotz Verbots.
Die Anti-Querdenker-Demo am Sonnabend war ein Kaltstart. Über Monate hatten die Hamburger Straßen den Corona-Verharmlosern, -Leugnern und Gegnern der Senatspolitik gehört. Gegendemos hatte es nur vereinzelt gegeben. Damit sollte jetzt Schluss sein. 1000 Teilnehmer wurden erwartet – am Ende waren es laut Polizei in der Spitze bis zu 3500.
Mehr als 100 Hamburger Vereine, Initiativen und Unternehmen hatten ihre Unterstützung ausgedrückt. Die große Innenstadtdemo der Querdenker war verboten worden. In Barmbek, Mundsburg und auf St. Pauli fanden jedoch angemeldete Demos statt.
Corona Hamburg: Tausende demonstrieren gegen Querdenker
Die Stimmung war ausgelassen vor dem Dammtor, dem offiziellen Start- und Sammelplatz der Demo, die das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ organisiert hatte. Grüne, Linke und Gewerkschafter standen zusammen, unterhielten sich. Um 12.30 Uhr begrüßte eine Veranstalterin die Anwesenden und betonte, wie wichtig es heute sei, Masken zu tragen und die Abstandsregeln einzuhalten. Im Anschluss stellten sich die Teilnehmer in Blöcke von 200 Personen auf. Am Ende des Zuges formierte sich ein schwarzer Antifa-Block, der nur eine Stunde später zu Problemen führen sollte.
Ab 15 Uhr versammelten sich Querdenker an der Kunsthalle – trotz Verbots. Auf Nachfrage bestritten die Anwesenden ihre Zugehörigkeit zu der Bewegung. Sie seien nur zufällig hier. Als die Polizei jedoch zur Auflösung der Versammlung aufrief, reagierten die etwa 200 Personen mit Pfiffen, Buhrufen und Schmähungen. Die Stimmung wurde zunehmend aggressiv. Um zu deeskalieren, schickte die Polizei Beamte in Zweierteams unter die Grüppchen. Die Einsatzkräfte wiesen auf das Tragen von Masken hin und baten, die Abstände einzuhalten. In den meisten Fällen ignorierten die Querdenker die Ansprache.
Wasserwerfer und Räumpanzer folgen Querdenkern nach Barmbek
Nach dem dritten Aufruf bildete die Polizei eine Kette um den Platz vor der Kunsthalle, um die Versammlung aufzulösen. Die Pfiffe und Buhrufe wurden lauter, es kam zu Rangeleien und gewaltsamem Widerstand gegen die Räumung des Platzes. Zwei Personen wurden in Gewahrsam genommen. Die Polizeikette rückte Meter für Meter vor, räumte den Platz und den Weg parallel zum Glockengießerwall. Ein Querdenker kommentierte das Geschehen: „Wo sind die Hooligans, wenn man sie braucht?“
Gegen 16.20 Uhr war die Versammlung weitgehend aufgelöst. Die Personen verteilten sich in die Innenstadt oder zogen nach Barmbek, um sich der angemeldeten Demo anzuschließen. Die Polizei reagierte und schickte zwei Wasserwerfer und einen Räumpanzer Richtung Norden.
Deutschland befindet sich „im Kriegszustand“
Das Demogeschehen in Barmbek begann gegen 15 Uhr. Kritiker der Corona-Politik versammelten sich am Bert-Kaempfert-Platz neben dem großen Globetrotter-Gebäude. Wie Polizeisprecher Thilo Marxsen sagte, zählten die Beamten zunächst 350 Teilnehmer vor Ort. Wenig später waren es schon gut 1500 Menschen, die über die Fuhlsbüttler Straße, Habichtstraße und den Rübenkamp zurück zum Bahnhof Barmbek zogen. Dort skandierten sie „Friede, Freiheit, keine Diktatur!“
Eine zweite Anti-Corona-Demo fand am Abend an der Mundsburg statt. Unter dem Motto „Wir vereint. Für eine bessere Zukunft!“ zogen die Demonstranten über den Mühlendamm zur Alster, durch St. Georg und wieder zurück zur Hamburger Straße. Laut Polizei nahmen etwa 800 Menschen daran teil.
Erster Redner der Abschlusskundgebung vor dem Ernst-Deutsch-Theater war Eugen Urich. Er ist schon seit Längerem gut in der Szene bekannt. „Ich sehe so viele kluge Menschen, so gut informierte Menschen“, begann er seine Rede vom Dach des Lautsprecherwagens. Er verglich die Bundesrepublik dann mit einer Diktatur und sagte, Deutschland befinde sich „im Kriegszustand“. Die Menge jubelte ihm dabei frenetisch zu. Von 19 Uhr an zerstreute sich dann die Versammlung.
Nationalismus und Faschismus: Krankheiten der Gesellschaft
Der überraschend lange Zug der Gegendemonstranten setzte sich kurz nach 13 Uhr vom Dammtor in Richtung Gänsemarkt in Bewegung. Aus den Lautsprechern schallte „Sweet Dreams“ von Eurythmics, die Stimmung war angesichts des großen Zulaufs gelöst und optimistisch. Christine Zander, Mitglied der Piraten-Partei, erklärte, warum sie mitläuft: „Mir machen die Leerdenker-Demos Angst. Mich erinnert das an die Nazizeit. Die sind aber nicht das eigentliche Problem. Das ist die Masse der Mitläufer.“
Zwei Sprecherinnen des „Bündnisses für mehr Personal im Krankenhaus“ kritisierten die Gesundheitspolitik: „Die Bonuszahlungen des letzten Jahres waren nur Almosen.“ Sie forderten die Abschaffung der Fallpauschalen und die Verstaatlichung des Krankenhaussektors. „Keine Profite mit unserer Gesundheit“, riefen sie.
Ali Ahmad von der „Lampedusa-Initiative“ forderte ein Recht auf Impfung für alle Menschen, egal welcher Hautfarbe oder Nationalität. „Leave no one behind“, forderte er. Nationalsozialismus und Faschismus seien eine Krankheit der Gesellschaft.
„Wir ,Omas gegen Rechts‘ sind in großer Sorge“
DGB-Sprecherin Tanja Chawla sprach sich deutlich gegen die Querdenker-Proteste aus: „Wir dürfen den Rechten keinen Fußbreit Platz geben.“ Sie rief die Hamburger auf, sich konsequent gegen Antisemitismus und Rassismus zu stellen.
Gegen 13.30 Uhr hielt der Zug am Stephansplatz. Hilde Vollmayr, Rednerin von „Omas gegen Rechts“, sagte: „Wer in Hamburg mit Querdenkern demonstriert, verkennt die demokratische Grundordnung. Wir ,Omas gegen Rechts‘ sind in großer Sorge.“ Anschließend bewegte sich der Demonstrationszug weiter Richtung Innenstadt.
Sie endete am Gerhart-Hauptmann-Platz. Einzige Störung: Gegen 14.30 Uhr wurde ein Anwalt zum Lautsprecherwagen gebeten. Die Polizei warf dem Antifa-Block vor, die Abstände nicht einzuhalten. Ein Demo-Sprecher nannte dies eine „unnötige Provokation“. Die Polizei habe in den vergangenen Wochen Demos der Querdenker ohne Einhaltung der Corona-Regeln akzeptiert. „Wir lassen unsere Demonstration jetzt nicht von der Polizei beenden.“ Wurde sie auch nicht.