Hamburg. Bürgermeister spricht über die Proteste in Hamburg. Derweil blickt der Verfassungsschutz sorgenvoll auf die „Querdenker“-Szene.

Ist das ein echter Rückgang? Oder nur die Ruhe vor dem Sturm? Die Corona-Lage in Hamburg hat sich über die Weihnachtstage jedenfalls leicht entspannt. Nachdem die Sieben-Tage-Inzidenz am 23. Dezember mit 360,9 ihren bisherigen Höhepunkt im Laufe der Pandemie erreicht hatte, lag sie am zweiten Weihnachtstag „nur“ noch bei 354,4. Allerdings hatten viele Fachleute genau diese Entwicklung erwartet.

Denn während der Ferien lassen sich naturgemäß deutlich weniger Schüler testen – zumindest bei den Ungeimpften gehören sonst zwei bis drei Tests pro Woche zum festen Schulalltag – , und diese Altersgruppe (6 bis 19 Jahre) hatte in der Vorwoche allein 1545 der 5847 Infektionen beigetragen. Zudem fällt bei vielen Menschen, die derzeit Urlaub haben, die Testpflicht am Arbeitsplatz weg, und die Masse an Infektionen entfällt halt nach wie vor auf die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 60 Jahren.

Corona Hamburg: Weniger Tests an Weihnachten durchgeführt

Werden weniger Tests durchgeführt, werden auch weniger Infektionen entdeckt – vorhanden sind sie gleichwohl. Im ersten Corona-Winter waren die Zahlen daher zehn Tage nach Weihnachten wieder steil angestiegen. Den gleichen Effekt konnte man nach Ostern beobachten. Daher rechnen die Behörden in Hamburg eher nicht damit, dass eine nachhaltige Entspannung einsetzt, zumal die hoch ansteckende Omikron-Variante auf dem Vormarsch ist.

Hinzu kommt: Ganz einheitlich war die Entwicklung auch über Weihnachten nicht. Zu Heiligabend (1128 neue Corona-Fälle) und am ersten Feiertag (749) waren zwar im Vergleich zur Vorwoche jeweils etwas weniger Neuinfektionen vermeldet worden, sodass die Inzidenz, also die Zahl der Ansteckungen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen, bis auf 348,3 zurückging.

Corona: Zahl der Todesfälle in Hamburg gestiegen

Doch schon am Zweiten Weihnachtstag drehte sich der Wind wieder: Mit 710 neuen Fällen wurden rund 120 mehr registriert als eine Woche zuvor – daher stieg die Inzidenz wieder auf 354,4. Außerdem hat sich die Lage in den Krankenhäusern leicht zugespitzt. Waren vor den Feiertagen 63 Covid-Patienten auf den Intensivstationen behandelt worden, waren es am 26. Dezember laut dem Divi-Intensivregister bereits 68.

Auch die Zahl der Todesfälle ist an Weihnachten um sechs angestiegen. Damit sind nun 1969 Hamburgerinnen und Hamburger an oder mit einer Corona-Infektion gestorben. Inwiefern die Entwicklung der vergangenen Tage Anlass gibt, die Regeln zu überdenken, will der Senat in Kürze beraten. Die nächste reguläre Senatssitzung ist am morgigen Dienstag. Wie berichtet, hatte Hamburg die verschärften Regeln, etwa Kontaktbeschränkungen und Tanzverbote, bereits zum 24. Dezember in Kraft gesetzt. In vielen anderen Ländern, darunter Schleswig-Holstein, treten sie dagegen erst am 28. Dezember in Kraft.

Tschentscher äußert Verständnis für Impfgegner

Unterdessen hat Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) Verständnis für die Impfgegner geäußert, die seit Wochen zu Tausenden durch Hamburg ziehen. „Wenn wir in einer Stadt mit fast zwei Millionen Menschen über solche Fragen diskutieren, können wir nicht erwarten, dass 100 Prozent der Menschen überzeugt sind“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Wichtig sei, dass der Protest friedlich erfolge. „Was wir in Hamburg zuletzt gesehen haben, war ein geordneter Demonstrationszug. So soll es in einer Demokratie sein.“

Hamburg sei „vor allem eine Hochburg der Geimpften“, sagte Tschen­tscher. „Über 90 Prozent der Erwachsenen in Hamburg haben bereits mindestens eine Impfung erhalten. Was es bei uns vielleicht stärker gibt, sind die Diskussionen über Einschränkungen für Ungeimpfte, weil wir die Ersten waren, die das 2G-Konzept eingeführt haben.“ Er sei aber froh, dass „die überwiegende Mehrheit“ der Bürger in Hamburg mit den Maßnahmen sehr einverstanden sei.

Maskenpflicht bei Demo in Hamburg

Einen Einfluss von Rechtsextremisten auf die Proteste sehe er nicht. „Ich denke nicht, dass es sich bei den Demonstranten um von Extremisten instrumentalisierte Personen handelt. Sie gehen für eine Haltung auf die Straße, die ich nicht teile, aber die in einer Demokratie und freien Gesellschaft zu erwarten ist.“

Bei der Demo am Sonnabend vor Weihnachten, an der laut Polizei 11.500 Menschen teilnahmen, galt erstmals eine vom rot-grünen Senat beschlossene Maskenpflicht. Während bei Kundgebungen zuvor meist unmaskiert demonstriert wurde, hielten sich die meisten Teilnehmer an die neue Auflage.

Verfassungsschutz befürchtet Radikalisierung

Den Vorwurf, dass die Maskenpflicht darauf abziele, unliebsame Meinungen zu unterdrücken, wie er auch von der AfD geäußert wurde, wies Tschentscher zurück. „Die Einschränkungen bei Versammlungen beruhen allein auf dem Infektionsschutz und der Enge, die bei solchen Veranstaltungen herrschen kann.“ Die Omikron-Variante des Corona-Virus sei noch ansteckender als die bisherigen Varianten. „Und es ist bekannt, dass bei zu großer Enge auch unter freiem Himmel leicht Infektionen auftreten können.“

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Im Gegensatz zum Bürgermeister befürchtet der Hamburger Verfassungsschutz eine Radikalisierung bei den Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen. „Ich sehe mit Blick auf die bundesweite Entwicklung vor allem die Gefahr, dass diese Demonstrationen auch zum Anlaufpunkt für Menschen werden könnten, die nicht unbedingt mit den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, sondern mit anderen politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen unzufrieden sind“, sagte Verfassungsschutzchef Torsten Voß der „Welt am Sonntag“. Voß kündigte an, die „Querdenker“-Szene stärker beobachten zu wollen: „Die Aufklärung der extremistischen Querdenker-Szene, der Szene der verfassungsfeindlichen Delegitimierer, wird ein wichtiger Schwerpunkt unserer Arbeit sein.“

Corona Hamburg: Impfungen auch an den Feiertagen

Eine zunehmende Radikalisierung der Impfgegner befürchtet auch Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD). „Es besteht die Gefahr, dass sich der Protest selbst radikalisiert“, sagte er. „Das Opfer-Narrativ ist sehr ausgeprägt. Und je näher beispielsweise eine Impfpflicht rückt, desto unversöhnlicher wird der Ton und desto größer wird die Gefahr einer Radikalisierung.“ Anders als in anderen Bundesländern sei in Hamburg bislang jedoch kein steuernder oder prägender Einfluss von Rechtsextremisten festzustellen.

Erfreulicherweise haben sich auch über die Feiertage viele Menschen in Hamburg impfen lassen. So waren am zweiten Weihnachtstag die rund 500 Termine im Kinder-Impfzentrum der Stadt an der Pasmannstraße bereits im Vorfeld ausgebucht. Am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) wurden am Zweiten Weihnachtsfeiertag 40 Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren gegen Corona geimpft. Am Institut für Hygiene und Umwelt in Hamm wurde sogar an Heiligabend und am Zweiten Feiertag geimpft.