Hamburg. 2G plus in Kultur und Clubs gilt damit auch für Dreifachgeimpfte. Derweil ist die Inzidenz in einer Altersgruppe besonders hoch.

Es ist ein diffuses Bild, das sich den Hamburgerinnen und Hamburgern derzeit bietet: Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus steigt, die Sieben-Tage-Inzidenzen wachsen sich zu Rekordwerten aus. Die Inzidenz stieg sprunghaft von 282,1 auf 300,7 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen, auch dies ist ein neuer Rekord für die Hansestadt.

Das bedeutet: Noch nie seit Beginn der Pandemie haben sich in Hamburg so viele Menschen angesteckt wie in der vergangenen Woche. Bundesweit sank die Inzidenz am Freitag dagegen weiter von 340,1 auf 331,8. Umgekehrt bleibt beim Boostern nur Sachsen schlechter als Hamburg. Auch hier beträgt der Abstand zum Bundesdurchschnitt fünf Prozentpunkte.

Und nach der furchterregenden Variante Delta flößt uns das noch ominösere Omikron Angst ein. Denn Omikron ist bereits da – aber es ist unklar, in welchem Ausmaß und mit welchen genauen Folgen für die Ansteckungszahlen und die Krankheitsverläufe. Das sagt auch der Infektionsepidemiologe Dr. Ralf Krumkamp vom Bernhard-Nocht-Institut. „Wir werden auch erst in zwei Wochen wissen, ob heute Omikron da war. Ich gehe aber davon aus, dass diese Corona-Variante sich bereits verbreitet.“

Corona Hamburg: Testpflicht bleibt trotz Booster

Der Forscher sprach sich für Vorsicht unter den Impfauffrischern aus. „Auch eine Booster-Impfung schützt nicht hundertprozentig vor einer Corona-Infektion. Der Verlauf scheint allerdings auch bei Omikron milder zu sein. Insofern ist das Testen weiterhin sinnvoll. Viele tun das ohnehin auf freiwilliger Basis, wenn sie sich im privaten Rahmen treffen.“

Weiter erklärt er: „Wir haben in manchen Gegenden Deutschlands gesehen, dass die Inzidenzen auf mehr als 1000 gestiegen sind. Die gehen jetzt wieder herunter. In Hamburg hat es diesen Anstieg und diese Höchstwerte nicht gegeben, die Entwicklung fehlt also.“ Bei allen Wellenbewegungen sei zu beachten, dass sich Corona-Maßnahmen erst in etwa 14 Tagen in der Statistik bemerkbar machen.

Fest steht: Hamburg wird die Testpflicht für dreifach Geimpfte bei 2G-plus-Veranstaltungen nicht abschaffen. Anders als von der Gesundheitsministerkonferenz beschlossen und von vielen Ländern bereits umgesetzt, hält der Senat daran fest, dass auch Geboosterte überall dort, wo die 2G-plus-Regel gilt, weiter einen negativen Test benötigen. Das ist in der Hansestadt beispielsweise bei den „Harry Potter“-Aufführungen im „Mehr! Theater“ der Fall, aber auch in Clubs und Diskotheken sowie bei allen Tanzveranstaltungen.

Beschränkungen könnten weiter ausgeweitet werden

„Dabei handelt es sich um solche Situationen, in denen das Infektionsrisiko durch deutlich erhöhte Aerosol-Ausstöße ebenfalls deutlich erhöht ist“, teilte die Sozialbehörde auf Abendblatt-Anfrage mit. Ob die Stadt 2G  plus in weiteren Bereichen einführt, werde „auch Gegenstand der Senatsberatungen am Dienstag sein“, sagt Behördensprecher Martin Helfrich. Eine Ausweitung der Beschränkungen könne „nicht ausgeschlossen werden“.

Um die Verwirrung der Zahlen und möglicher Schlussfolgerungen daraus zu komplettieren, sei der frühere Sprecher der medizinischen Leiter im Impfzen­trum erwähnt, Dr. Dirk Heinrich. Er ging in der Talkshow von Markus Lanz hart ins Gericht mit dem neuen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Dieser könne gar keinen richtigen Kassensturz beim Impfstoff gemacht haben.

„Alle wollen jetzt noch im Dezember geimpft werden"

Lauterbachs Kommunikation und die offen gebliebene Frage, ob er überhaupt Lösungen anbieten könne, habe die Patienten verunsichert. „Alle wollen jetzt noch im Dezember geimpft werden, weil sie befürchten, im Januar gebe es keinen Impfstoff mehr.“ Das sei Quatsch und setze die Praxen unter Druck. Allein am Mittwoch sei der Rekordwert von 1,5 Millionen Spritzen gesetzt worden, 1,2 Millionen davon in Arztpraxen.

Der interne Lagebericht der Hamburger Behörden, der dem Abendblatt vorliegt, zeichnet wiederum neue Facetten des Corona-Geschehens. Die Zahl der Menschen, die mit Covid-19 im Krankenhaus behandelt werden müssen, liegt bei gut 230. Das ist im Vergleich der vergangenen 14 Tage mit leichten Ausreißern über 250 konstant. Ebenfalls recht stabil ist die Zahl der intensivmedizinisch betreuten Patienten (60). Wobei: Von den Todesopfern, die mit oder an Corona gestorben sind, dürften einige vorher im Krankenhaus gewesen sein.

Zwei Patienten in Bergedorfer Krankenhaus gestorben

Nach dem Ausbruch auf der Geria­trie-Station im Agaplesion Bethesda-Krankenhaus in Bergedorf sind zwei Patienten gestorben. Geschäftsführerin Maria Theis sagte: Beide seien bereits vor der Aufnahme schwer vorerkrankt gewesen. Das Krankenhaus geht davon aus, dass ein Mitarbeiter das Corona­virus in die Abteilung getragen hat. Insgesamt erkrankten acht Patienten und ein weiterer Mitarbeiter. „Alle anderen Patienten zeigen keine oder nur leichte Symptome“, sagte Theis. Der Mitarbeiter war laut Krankenhaus doppelt geimpft und war am Tag, bevor die erste Infektion bei einem Patienten festgestellt wurde, geboostert worden.

Im Vergleich mit anderen Großstädten sieht man Unterschiede in der Inzidenz zu Berlin (296), München (218) oder Köln (289). Berlin hatte vor einer Woche noch 342, feiert also einen Rückgang, während Hamburg eine Zunahme auf jetzt 300 beklagt. Köln, obwohl viel weniger Einwohner als Hamburg, hat mehr Patienten auf den Intensivstationen (75). Und München hatte vor vier Wochen noch mehr als 700 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner.

Viele junge Hamburger mit Corona infiziert

Auffällig bleiben die 10- bis 19-Jährigen. Sie haben eine Inzidenz von gut 490. Auch der Zuwachs an Infektionen bleibt bei ihnen über allen Altersgruppen. Die 0- bis 9-Jährigen folgen mit einer 390er-Inzidenz. Danach nehmen mit steigendem Alter die Zahlen stetig ab bis zur Gruppe der über 70-Jährigen, die in Hamburg eine Sieben-Tage-Inzidenz von 81 haben.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Trotz verstärkter Kontrollen bei U- und S-Bahn sowie in Restaurants und rund um St. Pauli verzeichnete die Polizei nur eine kleine Zahl von geschlossenen Betrieben in den vergangenen sieben Tagen und wenige Verbote von Alkoholverkauf. Das war in der Woche davor etwas mehr. Dass Menschen, die gegen die Regeln verstoßen, in Gewahrsam genommen werden, geschieht selten.

Corona Hamburg: Mängel im Impfzentrum festgestellt

Im Zusammenhang mit dem am Hauptbahnhof geschlossenem Impfzen­trum betonte die Sozialbehörde am Freitag, dass hier die Untersuchung weiterlaufe. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung.

In dem Test- und Impfzentrum sollen zum Teil keine Aufklärungsgespräche stattgefunden haben, die Hygiene wurde bemängelt, vor Ort sei kein Arzt gewesen, eine Ausruhphase unter medizinischer Beobachtung habe es ebenfalls nicht gegeben. So schilderten es Impfkandidaten dem Abendblatt. Ob der verabreichte Impfstoff von Moderna fachgerecht aufbereitet und medizinisch korrekt verimpft wurde, ist unklar. Der Betreiber Hammonia Hospital Virtuelle Klinik hatte das beteuert.