Hamburg. Auf Intensivstationen werden mehr Kapazitäten für Corona-Patienten gebraucht. Andere müssen nun länger auf Eingriffe warten.

Hamburg geht in der Corona-Lage einen radikalen Schritt: Angesichts steigender Zahlen schwer an Covid-19 erkrankter Menschen sollen die Krankenhäuser der Stadt ab sofort planbare Operationen absagen. So wolle man "weiterhin freie Kapazitäten auf den Intensivstationen sichern", sagte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) am Montag.

Die Krankenhäuser seien daher angewiesen worden, abhängig vom Belegungsdruck vor Ort geplante Behandlungen und Operationen ganz oder teilweise zurückzustellen. Mit der Absage sogenannter elektiver Eingriffe solle sichergestellt werden, dass in Hamburg auch weiterhin jederzeit Notfälle intensivmedizinisch behandelt werden können, sagte Leonhard. Deutlich wird aber: Die steigenden Fallzahlen wirken sich nun ganz unmittelbar auch auf andere Patienten aus.

Corona: Krankenhäuser in Hamburg sollen OPs absagen

Der Schritt sei nicht leicht gefallen, sagte Leonhard. „Für die betroffenen Patientinnen und Patienten bedeutet das mitunter eine Verschlechterung der eigenen gesundheitlichen Lage.“ Gegenwärtig seien die Krankenhäuser bereits sehr ausgelastet, wenn auch noch nicht überlastet. Hamburgerinnen und Hamburger, die einen akuten Behandlungsbedarf haben, könnten jederzeit behandelt werden.

Auf den Intensivstationen der Hamburger Krankenhäuser wurden am Montagvormittag laut Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) 65 Covid-19-Patienten behandelt, von denen 46 invasiv beatmet werden mussten. Die Gesamtzahl der Covid-19-Patienten in den Kliniken hatte die Sozialbehörde zuletzt am Freitag mit 196 angegeben, die der Intensivpatienten mit 50.

Insbesondere, weil in Hamburg durch verhältnismäßig strenge Maßnahmen das Pandemiegeschehen lange überschaubar gewesen sei und auch weiterhin hinter dem Bundesdurschnitt zurückbleibe, sei es bitter, jetzt Operationen absagen zu müssen, sagte Leonhard weiter. Für die steigenden Patientenzahlen machte sie zum einen saisonale Effekte verantwortlich. „Erschwerend kommt hinzu, dass das Pandemiegeschehen durch Entwicklungen in anderen Teilen der Bundesrepublik erheblich an Fahrt aufgenommen hat.“

Der Hamburger Senat richtet einen Appell an Infizierte. Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) ruft zum Impfen auf. (Archivbild)
Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) begründet die Entscheidung zur Absage planbarer Operationen in Hamburg mit der bundesweit dramatischen Corona-Lage. © Michael Rauhe

Im Süden und Osten Deutschlands sind die Intensivstationen wegen der steigenden Zahl schwer Erkrankter schon überlastet. Nach Aktivierung des sogenannten Kleeblatt-Konzepts nehmen die Kliniken in Norddeutschland Corona-Intensivpatienten aus den Hotspots auf. In Hamburg sind am Wochenende vier Patienten aus Bayern eingeflogen worden.

Corona: Auch Schleswig-Holstein reduziert Operationen

Mit der Absage planbarer Eingriffe in den Krankenhäusern folgt der Hamburger Senat nun seinem Nachbarn im Norden. Schon vergangene Woche hat das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) angekündigt, ab dem 29. November planbare Eingriffe und Behandlungen um 25 Prozent zu reduzieren.

"Das bedeutet, dass zahlreiche aufschiebbare Operationen an den Standorten Kiel und Lübeck nicht zu geplanten Terminen stattfinden", sagt UKSH-Sprecher Oliver Grieve. Auch Tageskliniken und Ambulanzen reduzieren demnach ihre Angebote. "Ziel der Maßnahme ist der unverzügliche Aufbau zusätzlicher Intensivkapazitäten", so Grieve weiter.

Der Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Prof. Dr. Jens Scholz, appelliert zur Corona-Impfung. Das UKSH reduziert derzeit planbare OPs drastisch, um mehr Kapazitäten auf den Intensivstationen zu haben.
Der Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Prof. Dr. Jens Scholz, appelliert zur Corona-Impfung. © picture alliance/dpa | Frank Molter

Betroffene Patientinnen und Patienten, deren Behandlung verschoben wird, würden direkt vom Klinikum informiert. "Alle Notfälle werden jedoch weiterhin behandelt, alle dringlichen Operationen finden statt", betont Grieve. Das gelte insbesondere bei Herz- und onkologischen Erkrankungen, Unfällen und Schlaganfällen. Schwangere würden weiterhin jederzeit zur Entbindung aufgenommen. "Das UKSH bittet seine Patientinnen und Patienten darum, vereinbarte Termine nicht eigenständig und ohne Rücksprache mit den Stationen und Ambulanzen auszusetzen", heißt es weiter.

Corona-Appell vom UKSH: "Lassen Sie sich impfen!"

„Wir sehen derzeit eine vierte Infektionswelle, die das Potential hat, alle bisherigen Erfahrungen in den Schatten zu stellen – und das, obwohl wir mit den sicheren und hochwirksamen Impfstoffen den Schlüssel aus der Krise längst in der Hand haben“, sagt Prof. Dr. Jens Scholz, Vorstandsvorsitzender des UKSH.

Er richtet einen eindringlichen Appell an die Menschen im Land: „Lassen Sie uns gemeinsam Sorge tragen, dass nicht auch bei uns die Situation außer Kontrolle gerät! Halten Sie sich an die bekannten Maßnahmen: Abstand, Maske und Hygiene. Reduzieren Sie Ihre Kontakte jetzt und besuchen Sie keine Großveranstaltungen – die Modellierungen zeigen, dass es uns bei einer Kontaktreduktion von 70 Prozent gelingen kann, die vierte Welle zu brechen. Und vor allen Dingen: Lassen Sie sich impfen und boostern! Nur so finden wir einen gemeinsamen Weg aus dieser schweren Krise.“

Derweil bittet das UKSH Menschen mit Erfahrungen in medizinischen Berufen wie Pflege, ärztlicher Dienst und Studierende der Humanmedizin, sich als freiwillige Helferinnen und Helfer zu melden. Eine Registrierung ist online unter www.uksh.de/helfen oder per E-Mail an helfen@uksh.de möglich.