Hamburg. Der Andrang ist bei allen Impfangeboten in Hamburg sehr hoch – kurzfristig wird jedoch längst nicht jeder geimpft werden können.

Die aktuellen Zahlen unterstreichen beeindruckend, was Experten schon lange betonen: Die Coronaimpfung hilft! Das belegt auch die jüngste Auswertung der Hamburger Gesundheitsbehörde: Demnach lag die Inzidenz der Neuinfektionen bei den vollständig Geimpften in der 46. Kalenderwoche bei 32,2 Fällen pro 100.000 Geimpften, unter den Ungeimpften bzw. nicht vollständig Geimpften dagegen bei 715,5. Am Mittwoch wurden 640 Neuinfektionen gemeldet, die Sieben-Tage-Inzidenz liegt damit bei 218,9 Neuinfektionen. 205 Erkrankte werden derzeit stationär behandelt, davon 50 auf Intensivstationen.

Der Andrang bei den Impfangeboten ist weiterhin ungebremst hoch. Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) geht davon aus, dass Arztpraxen 100.000 Impfungen pro Woche schaffen, dazu kämen die städtischen Angebote und die Betriebsärzte, insgesamt könne man so auf 160.000 Impfungen pro Tag kommen. Walter Plassmann, Vorstandschef der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVHH) rechnet damit, dass im Lauf der kommenden Tage in etwa 1000 Arztpraxen „stabil 10.000 Impfungen pro Tag verabreicht werden könnten“.

Corona Hamburg: Impfangebot muss ausgeweitet werden

Am Dienstag beispielsweise wurden in 373 Praxen 9248 Impfungen verabreicht. Allerdings haben die meisten Arztpraxen nur an fünf Tagen pro Woche geöffnet. Bei den städtischen Impfangeboten waren es nach Angaben von Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde, am Dienstag 3000 Impfungen, davon 1100 Erst-, 400 Zweit- und 1500 Auffrischungsimpfungen. Sowohl Sozialbehörde als auch KVHH betonen, das Angebot solle weiter ausgebaut werden. „Es steigen aktuell viele neue, vor allem Facharztpraxen, in die Impfkampagne ein. Wenn der Wirkstoff in ausreichender Höhe geliefert wird, ist die Wochenleistung realistisch. Das braucht allerdings noch ein wenig organisatorischen Vorlauf“, sagte eine KVHH-Sprecherin auf Abendblatt-Anfrage. Helfrich verwies auf die zusätzlichen Impfstationen in den Bezirken, mit denen weitere Kapazitäten geschaffen würden.

Corona-Fälle in Hamburg.
Corona-Fälle in Hamburg. © HA Grafik, HA Infografik, F. Hasse | Frank Hasse

Matthias Gerwien, Sprecher des Agaplesion Bethesda-Krankenhaus Bergedorf, das am 23. Dezember sein Impfangebot beendet, hat Zweifel, ob das reicht: „Aktuell werden laut Kassenärztlicher Vereinigung nicht mal 30.000 Impfungen pro Woche vorgenommen. Bei uns stehen hunderte Menschen vor der Tür, die uns erzählen, dass ihre Ärzte nicht impfen und sie zu uns schicken. Ich bezweifle daher, dass die 100.000 Impfungen pro Woche durch niedergelassene Ärzte in diesem Winter erreichbar sind. Auch die Krankenhäuser werden angesichts der pandemischen Entwicklung sicher ihre Kräfte für die stationäre Versorgungen benötigen.“

Es kann nicht jeder kurzfristig geimpft werden

Die Ankündigungen der letzten Tage zur Beschleunigung der Impfkampagne seien für Kliniken wie das Bethesda eine zusätzliche Belastung geworden, sagt Gerwien: „In der Bevölkerung entstand durch kommunizierte Zahlen wie 160.000 Impfungen in der Woche der Eindruck, dass nun jede/r kurzfristig geimpft werden kann. Das ist nicht möglich. Aussagen wie von Senatorin Leonhard, dass man für eine Erstimpfung einfach an den Warteschlangen vorbei gehen könnte, gefährden bei uns den geordneten Ablauf.“

Sozialbehördensprecher Helfrich betonte, Leonhards Aussage beziehe sich auf die neu von der Stadt eingerichteten offenen Impfangebote: „Dort wird es Sicherheitspersonal geben und wer zur Erstimpfung kommt, kann das beim Empfang angeben.“ Wer solche Angebote wahrnehme, müsse aber mit langen Wartezeiten rechnen. Jeder solle daher erst versuchen, einen Termin in einer Arztpraxis zu vereinbaren.

Die Linken in der Hamburger Bürgerschaft kritisieren indes die Arbeitsbelastung der Gesundheitsämter. Laut der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des gesundheitspolitischen Sprechers der Linksfraktion, Deniz Celik, wurden seit Mai 275 Stellen in den sieben Hamburger Gesundheitsämtern und der Zentralen Unterstützungseinheit Kontaktnachverfolgung (ZUK) abgebaut. „Statt wie versprochen die Gesundheitsämter personell besser auszustatten, hat der Senat genau das Gegenteil gemacht und über den Sommer massiv Personal abgebaut“, sagte Celik dem Abendblatt. „Das rächt sich in der aktuellen Situation, weil die Gesundheitsämter wegen Personalmangel so überlastet sind, dass Ausbrüche und Infektionsorte immer seltener erkannt werden und es bis zu drei Tagen dauert, bis Infizierte kontaktiert werden.“

Corona: Infektionsquellen werden nur selten erkannt

So geht aus der Senatsantwort hervor, dass es den Ämtern Ende August noch in rund 60 Prozent der Fälle gelang, den Ursprung einer Infektion einem Ausbruchsgeschehen zuzuordnen. Ende Oktober waren es nur noch rund 17 Prozent. Zwar nehme die Nachverfolgung vieler Fälle bis zu mehrere Wochen in Anspruch, somit könnten die Zahlen im Zuge weiterer Ermittlungen noch ansteigen, doch in der Antwort heißt es auch: „Zusätzlich ist ein Teil der niedrigeren Quote auf die derzeit hohe Arbeitsbelastung bei ZUK und bezirklichen Gesundheitsämtern zurückzuführen.“

Von Bekanntwerden des Infektionsfalls bis zum Anruf der betreffenden Person durch Mitarbeitende der Gesundheitsämter dauere es in den Bezirken Hamburg-Mitte, Altona, Eimsbüttel, Hamburg-Nord, Bergedorf und Harburg bis zu 48 Stunden. „In Wandsbek ist es – aufgrund der aktuell erhöhten Belastung – in Einzelfällen zu einer Zeitspanne von bis zu 72 Stunden gekommen“, so der Senat.

„Unter diesen schlechten Rahmenbedingungen kann es den Gesundheitsämtern kaum gelingen Infektionsketten zu unterbrechen und somit das Infektionsgeschehen insgesamt zu verlangsamen“, kritisiert Celik. Laut Senat werden die meisten Infektionsfälle, die in Zusammenhang mit einem Ausbruchsgeschehen gemeldet wurden, seit Ende August in privaten Haushalten verzeichnet. Seither liegen die Zahlen weit vor denen in Pflegeheimen, Schulen oder dem Arbeitsplatz. Für den Gesundheitsexperten der Linken sei das ein starkes Indiz dafür, dass Infektionsquellen nicht erkannt werden: „Es bleibt völlig im Dunkeln, wie das Virus in das private Umfeld kommt, bevor es weiter übertragen wird.“