Hamburg. In Hallen, Studios und Schwimmbädern sind nur Geimpfte und Genesene zugelassen, im Hallenspielbetrieb aber auch tagesaktuell Getestete.

Am Donnerstagabend hatte Olaf Jessen Glück. Die zwei jungen Männer, die er nach Hause schicken musste, weil sie zwar einen Impfnachweis, aber keinen Personalausweis zur Identifizierung vorlegen konnten, zeigten Verständnis („Sorry, haben wir vergessen“), kehrten wieder um, ersparten ihm die sonst oft längeren Diskussionen.

Jessen (55) betreibt mit seiner Frau Susanne, einer Fitness- und Gesundheitstrainerin, am S-Bahnhof Langenfelde den Verein und das Sportcenter Hankook, deren Inhaber er seit 30 Jahren ist. Zeiten wie diese hat der Fitnessmanager und lizenzierte Boxtrainer noch nie erlebt. „Die Akzeptanz der Mitglieder sinkt, die Überprüfungen, die wir auch im Sinne des Gesundheitsschutzes für alle bei uns Trainierenden durchführen müssen und die unter den von Sonnabend an geltenden 2G-Regeln zunehmen werden, nerven viele, einige werden richtig aggressiv“, klagt Jessen. „Du kennst mich doch seit hundert Jahren“, argumentieren diese dann, „warum muss ich dir schon wieder alles vorzeigen?“

Corona Hamburg: Betreibern drohen Geldstrafen

Das ist in diesem Fall alternativlos, dazu sind die Betreiber von Sportanlagen und Fitnessstudios nach der Hamburger Corona-Eindämmungsverordnung verpflichtet. Können die Anwesenden bei den unangemeldeten behördlichen Kontrollen die erforderlichen Dokumente nicht vorlegen, drohen Jessen und seinen Kollegen Geldstrafen zwischen 1000 und 25.000 Euro, im Wiederholungsfall der Entzug der Betriebserlaubnis. „Es ist schade, dass gewachsene, oft vertraute Beziehungen zu unseren Mitgliedern unter der Situation leiden“, sagt Jessen.

Wirtschaftlich hat ihm die Pandemie bereits schwer zugesetzt. Die Hälfte der einst rund 800 Mitglieder ist in den vergangenen anderthalb Jahren ausgetreten, weitere Rückgänge könnte er kaum verkraften. „Wir verdienen schon jetzt nichts mehr“, sagt Jessen.

2G-Regeln jetzt auch im Sport

Von diesem Sonnabend an werden in Hamburg und bundesweit die 2G-Regeln auch im Sport angewandt. Das Betreten von Turnhallen, Schwimmbädern und Fitnessstudios ist nur noch Geimpften, Genesenen, Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren vorbehalten. Vereine, Studios und Bäder sind gezwungen, jeden zu kontrollieren, empfohlen wird dafür die Nutzung der CovPass-Check-App, die im Internet heruntergeladen werden kann. Getestete müssen fortan draußen blieben, dürfen sich aber im Freien auf allen Sportanlagen bewegen.

Ausnahmen gelten, Stand Freitagabend, bislang für den Hallenspielbetrieb vor Publikum, definiert als „offener Teilnehmerkreis“ – in allen Sportarten und in allen Ligen, solange die Hospitalisierungsrate den Schwellenwert von drei nicht überschritten hat. In Hamburg lag sie am Freitag bei 1,94. Die Eindämmungsverordnung betrachtet den Spielbetrieb unter Paragraf 18a als Sportveranstaltung, der weiter unter 3G-Regeln, also auch mit tagesaktuell Getesteten, stattfinden kann (aber nicht muss).

DOSB begrüßt die neuen Vorschriften

Voraussetzung dafür ist ein von den Gesundheitsämtern genehmigtes Hygienekonzept und bei Zuschauenden das Einhalten der Abstandsregeln. Die Benutzung der Umkleideräume unterliegt ebenfalls diesen Bestimmungen. Dass in Hamburg bei Hallensportarten jetzt unter 2G-Regeln trainiert werden muss, aber unter 3G-Regeln gespielt werden kann, bleibt ein für die Pandemie typisches Paradoxon.

Die meisten Clubs und Studios begrüßen die neuen Vorschriften, weil sie gegenüber ihren Mitgliedern Klarheit schaffen. „Die Einführung von 2G entspricht dem Wunsch des organisierten Sports, vom DOSB bis zu Hamburger Vereinen, mit denen wir in den vergangenen Tagen Kontakt hatten. Am besten wäre es natürlich, wenn sich auch alle Vereine und Mannschaften im Spielbetrieb an 2G hielten“, sagt Sportstaatsrat Christoph Holstein (SPD).

Viele Anfragen beim Hamburger Sportbund

Unklarheiten bestehen dennoch. Seit Dienstagmittag, nachdem Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) die Änderungen angekündigt hatte, trafen beim Hamburger Sportbund (HSB) rund 150 Anfragen der Vereine und Verbände ein, wie denn nun die neuen politischen Vorgaben in der Praxis umzusetzen seien. Konkrete Antworten konnte der HSB erst am Freitagnachmittag geben, als die überarbeitete Eindämmungsverordnung vorlag.

Pia Zufall, Geschäftsführerin des Hamburger Handball-Verbands, hält den Spielbetrieb aber selbst bei Einführung der 2G-Regel nicht für gefährdet: „Die Clubs wären wohl alle in der Lage, das Konzept zu realisieren.“ Bisher habe sich kein Verein beim Verband gemeldet, der wegen einer zu niedrigen Impfquote keine Mannschaft mehr aufstellen könnte. Beim Hamburger Volleyball-Verband sei die Situation ähnlich, bestätigte Sport-Geschäftsführer André Bolten. Bisher hätte sich bei ihm noch kein Club über ein mögliches 2G-Modell beschwert. Der Hamburger Tischtennis-Verband dagegen drohte vergangene Woche, jene Teams von den Wettbewerben auszuschließen, die beabsichtigten, freiwillig auf ein 2G-Konzept zu setzen.

„Bei uns sollen alle mitmachen können"

„Bei uns sollen alle mitmachen können. Deshalb haben wir entschieden, den Spielbetrieb so lange unter 3G-Bedingungen durchzuführen, wie das möglich ist“, sagte Geschäftsführer Wolfgang Kuhfuß. Da der Verband im Juni ahnte, dass Einschränkungen anstünden, sei mit dem Punktspielbetrieb im August begonnen worden. Die reguläre Saison ist abgeschlossen, nur einige Nachholspiele stehen aus.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Für Vereine und Fitnessstudios kommen von diesem Sonnabend an weitere organisatorische Herausforderungen hinzu. Nicht die Umstellung auf 2G sei das Problem, vielmehr die Kontrolle der Verordnungen. Die Kaifu-Lodge, Europas größtes Fitnessstudio, hat zwei weitere Mitarbeiter für die Rezeption angestellt, der benachbarte Eimsbütteler Turnverband (ETV) plant das, sucht Personal über eine Leasingagentur. „Gerade in den Stoßzeiten von 15 bis 19 Uhr wollen wir Wartezeiten vermeiden“, sagt der Vorsitzende Frank Fechner. Martin Hildebrandt, Geschäftsführer des Eidelstedter SV, lässt gerade seine jüngeren Trainerinnen und Trainer schulen, wie sie bei der Kontrolle älterer Mitglieder mögliche Konflikte vermeiden.

Corona Hamburg: Kein Abstand bei 2G nötig

Sporttreibende müssen bei 2G keinen Abstand halten, keine Maske tragen, die Sportstätten können voll ausgelastet werden. Trainerinnen und Trainer wiederum dürfen auch unter 2G ihrem Beruf nachgehen, wenn sie weder geimpft noch genesen sind. Von ihnen wird ein tagesaktueller Test verlangt. Im Training haben sie eine Maske zu tragen. Die TSG Bergedorf, die als einer der ersten Sportclubs in Deutschland bereits vor fünf Wochen 2G einführte, verlangt jedoch von allen Übungsleitern und Übungsleiterinnen einen Impf- oder Genesenennachweis. Andernfalls würde sich der Verein von ihnen trennen, auch einen Arbeitsgerichtsprozess nicht scheuen, sagt der Vorsitzende Boris Schmidt.

Entspannen könnten die Lage die Erfahrungen vieler Studios, allen voran der Ketten Meridian Spa & Fitness (fünf Anlagen in Hamburg) und Fitness First (acht): Rund 90 Prozent der Sporttreibenden erfüllten schon in den vergangenen Wochen die 2G-Regeln.