Hamburg. Finanzsenator Andreas Dressel will die Siedler in Tonndorf treffen. Aber er kommt nicht zum Verhandeln ins Kreisbüro.
Das wichtigste sei Planungssicherheit. Die hatte die Stadt den Bewohnern der Ellernecksiedlung (Tonndorf) versprochen. „Machen Sie sich keine Sorgen“, hatte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) schon 2020 gesagt. Keiner würde auf der Strecke bleiben, wenn die Erbpachtverträge für die Siedler ab Frühjahr nächsten Jahres sukzessive auslaufen. Jetzt, ein halbes Jahr vor dem ersten Vertragsablauf, ist der Text immer noch derselbe. Aber der Sachstand eben auch. Und die Zeit läuft.
„Wir wissen nicht, ob wir die neue Pacht zahlen können. Wir wissen nicht, ob wir akzeptable Vertragslaufzeiten angeboten bekommen. Wir wissen nicht, zu welchen Bedingungen wir gehen können bzw. müssen, wenn wir unsere Häuser verlieren sollten“, sagt Corinna Bee, eine der Betroffenen. Auch ihre Eltern leben seit gefühlt ewigen Zeiten in der Siedlung. Sie sind beide über 80.
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Die geänderte Baupolitk des Senats
Der Senat will Erbpachtgrundstücke nicht mehr verkaufen. Eine Analyse von 31 solcher Siedlungen allein im Bezirk Wandsbek ergab, dass 16 von 31 Siedlungen Nachverdichtungspotenzial haben, das der Senat nutzen will. Wenn es nach Dressel geht, ist Wandsbek der Pilotbezirk, die Ellerneck-Siedlung das Pilotprojekt für Hamburg. Sie ist die einzige, deren Verträge kurzfristig auslaufen.
Von den 38 um 1000 Quadratmeter großen Grundstücken sind noch 19 verpachtet. Die anderen 19 Parteien am Ellerneck durften ihre Scholle noch kaufen. Für die übrig Gebliebenen soll die Pacht von derzeit etwa 40 Euro im Jahr auf 800 bis 1000 Euro im Monat steigen und alle drei Jahre angepasst werden. Zu viel für viele, die in den Häusern von Anfang der 1930er-Jahre alt geworden sind. „Niemand erwartet, dass die Pacht auf dem alten Niveau bleibt“, sagt Bee. „Aber sie muss bezahlbar sein. Bei uns wohnen keine Besserverdiener.“
Nur bei der Laufzeit scheint noch Spielraum zu sein
In ersten Angeboten der Stadt wurden zehn Jahre Laufzeit angeboten und – nach Protesten – zurückgezogen. „Damit konnten wir nicht leben“, sagt Bee. „Modernisierungen lohnen so kaum, und bei solch kurzen Laufzeiten gibt auch keine Bank einen Kredit dafür.“ In diesem Punkt scheint die Stadt ein Einsehen gehabt zu haben. Bloß legte sie bislang kein neues Angebot vor. „50 Jahre Laufzeit wäre das Minimum“, sagt Bee.
Wer gehen muss, bekommt den Zeitwert des Hauses ersetzt. „Zugrunde gelegt wird aber das Haus im Zustand seines Baujahrs abzüglich 1000 Euro pro Jahr“, sagt Bee. „Eine Nachbarin bekam 55.000 Euro ausgerechnet. Für mich hieße das, dass ich mein Haus verliere und mit rund 50.000 Euro Schulden auf der Straße stehe.“ Bee hatte im Vertrauen auf die fast ein Jahrhundert geübte Praxis in städtischen Erbbaurechtsiedlungen erwartet, dass sie zu günstigen Bedingungen bleiben kann. Und investiert.
Ein neuer Bebauungsplan kommt – und das dauert
Die Stadt will jetzt ein Bebauungsplanverfahren einleiten. Die Grundstücke sollen halbiert und zusätzlich Doppelhäuser vorgesehen werden. Doch bis zum Frühjahr kann der Plan nicht fertig sein. Er dauert mindestens zwei Jahre. Außerdem ist unklar, wie die neuen Grundstücke erschlossen werden. Für die nötige Stichstraße müsste die Stadt Land zurückkaufen, heißt es auch aus der CDU. Von Ex-Pächtern, die ihr Land noch kaufen durften und es behalten wollen.
„Es wird also eine Hängepartie, und wir sitzen zwischen allen Stühlen“, sagt Bee. „Machen Sie sich keine Sorgen“, sagt dagegen der stadtplanungspolitische Sprecher der SPD-Bezirksfraktion, Xavier Wasner. Die Stadt werde den Pächtern Zwischenverträge anbieten. Keiner werde auf der Straße sitzen, erklärt auch Dressel, der im Juli mit den Siedlern ge- und Hilfe versprochen hatte. „Konkretes kam dann aber nicht“, sagt Bee. Das bedauert Dressel jetzt ausdrücklich und entschuldigt es mit dem langen Ringen um die Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens im Bezirk.
Die Behördenleitung reagiert und lädt zum Gespräch
Unmittelbar nach der Abendblatt-Anfrage an die Finanzbehörde kommt dann die Einladung ins SPD-Büro Wandsbek. Wasner und sein Chef Dressel wollen mit den Siedlern „erneut ins Gespräch kommen“. Verbesserte Angebote will Dressel nicht unterbreiten. „Wir sind an die Beschlüsse der Bürgerschaft gebunden“, sagt er und verweist auf die „hamburgweit geltenden Konditionen“ und die Sozialtarife, die Pächtern mit schmalem Portemonnaie geboten werden. Die Laufzeiten würden an die bis zu 99 Jahre angepasst, die jetzt Genossenschaften angeboten werden. Darüber hinaus gehende Beschlüsse will Dressel nicht herbeiführen.
Wer schon länger als 15 Jahre gepachtet hat, bekommt eine zehnjährige Übergangsfrist bis zum Erreichen der neuen Pacht. Wer aufgrund seines Einkommens zum Bezug einer Sozialwohnung berechtigt ist bekommt ebenfalls einen Nachlass, der im Rechenbeispiel der Behörde bei etwa 10 Prozent liegt. Dressel: „Die Hamburger Regelungen gehören zu den günstigsten im Bundesvergleich.“
Die CDU will "dem Spuk ein Ende machen"
Die CDU will „dem Spuk ein Ende machen. Die Stadt sollte den Siedlern den Kauf ermöglichen“, sagte die Wandsbeker CDU-Fraktionsvorsitzende Natalie Hochheim. „Die Überplanung der Siedlung läuft auf Vertreibung der meist älteren Bewohner hinaus, und der Aufwand für den Bebauungsplan steht in keinem Verhältnis zum Nutzen. Es kämen nur etwa neun Grundstücke für Doppelhäuser heraus.“
Für Dressel ist der Bebauungsplan aber nicht Teil einer Wohnungsbauoffensive, sondern soziale Abfederung für die Siedler. „Mit neuem Baurecht werden die generell sehr großen Ellernecker Grundstücke teilbar, und die Alt-Pächter können auf kleinerer Scholle mit tragbarem Aufwand wohnen bleiben“, sagt er. Ansonsten wiederholt Dressel die Position vom Sommer: Keine Käufe, und die Pacht-Konditionen stehen fest. „Wir können heute keine Grundstücke mehr zu Dumpingpreisen vergeben. Das wäre ungerecht gegen all jene, für die wir keine haben.“
Von Planungssicherheit und Beharrungsvermögen
Die im Sommer versprochene „Planungssicherheit“ ist demnach längst da. Denn Dressel kommt nicht zum Verhandeln ins Kreisbüro. Er kommt, um zu erklären. Und er möchte natürlich nicht so gern gleich bei der ersten neu zu organisierenden Erbpachtsiedlung die dazu in der Bürgerschaft beschlossenen Regelungen umwerfen.