Hamburg. Wann ist der beste Zeitpunkt? Ist die Kombi mit Grippeimpfung sinnvoll? Woran müssen sich Ärzte halten? Wichtige Fragen und Antworten.

In Hamburg bemühen sich sehr viele Menschen um eine Auffrischungsimpfung gegen das Coronavirus – bislang haben diese aber erst 2,8 Prozent der Gesamtbevölkerung erhalten.

Die Frage, ob man schon „geboostert“ (boost: Englisch für auffrischen, verstärken) ist, beherrscht derzeit viele Gespräche – am Arbeitsplatz und unter Freunden. Die Empfehlungen für die Auffrischungsimpfungen gegen eine Corona-Infektion gehen derzeit jedenfalls munter durcheinander.

Bundesgesundheitsminister  Jens Spahn (CDU) fordert eine  Boosterimpfung für alle.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) fordert eine Boosterimpfung für alle. © Imago/Jürgen Heinrich | Unbekannt

Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) möchte Booster-Impfungen für alle, die Ständige Impfkommission (Stiko) bleibt bei ihrer bisherigen Empfehlung, die vor allem Betagte und medizinisches Personal an der Reihe sieht. Doch die Zeit drängt bei vielen Geimpften, die im Frühjahr ihre Grundimmunisierung bekommen haben.

Booster-Impfung: Hamburg hält sich an Stiko

Hamburg hält sich derzeit an die Vorgaben der Stiko. „Bei den städtischen Impfangeboten werden nur jene Personengruppen geimpft, für die es eine Empfehlung der Stiko für die Auffrischung gibt“, sagt Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde. Allerdings werden in Arztpraxen auch andere Gruppen immunisiert, denn „Ärzte können auch Ausnahmen von dieser Regel entscheiden, wenn es im Einzelfall einen entsprechenden medizinischen Grund gibt, beispielsweise bestimmte Erkrankungen.“

Laut Kassenärztlicher Vereinigung Hamburg (KVH) sind die Hamburger Arztpraxen aktuell allerdings stark belastet. „Eine große Hilfe wäre, wenn der Impfstoff kurzfristiger bestellt werden könnte und wenn die Impfdosen endlich auf Einzelspritzen aufgezogen geliefert würden“, sagt KVH-Sprecher Jochen Kriens.

Der Impfstoffexperte Leif Sander hält bei etwa 30 Millionen Menschen in Deutschland zeitnah Auffrischimpfungen gegen Corona für geboten. Das gegenwärtige Tempo beim Impfen reiche nicht, um die hochgefährdete Gruppe in diesem Winter zu erreichen, sagte der Wissenschaftler von der Charité in Berlin.

Das Abendblatt hat nachgefragt, wie die Auffrischungsimpfung derzeit in Hamburg gehandhabt wird.

 Wer kann die Booster-Impfung jetzt in Anspruch nehmen?

„Grundsätzlich gilt die Empfehlung der Stiko. Für alle Menschen über 70 Jahren wird eine Impfung zur Auffrischung empfohlen. Außerdem kommt die Auffrischung für vorerkrankte Menschen infrage und für Beschäftigte in bestimmten Berufen, beispielsweise in der Pflege“, sagt Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde. Laut Jochen Kriens, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH), werde auch Personen, die den Impfstoff von Johnson & Johnson (Janssen®) erhalten haben – unabhängig vom Alter – eine weitere Impfung mit einem mRNA-Impfstoff empfohlen.

 Muss der Arzt sich an die Stiko-Empfehlung halten?

„Die Stiko-Empfehlungen sind die wichtigsten Impfrichtlinien für Ärztinnen und Ärzte, von denen nur in gut begründeten Fällen abgewichen werden sollte“, sagt KVH-Sprecher Kriens. „Die Bedeutung der Stiko-Empfehlung kann man auch daran ersehen, dass sie für alle anderen Impfungen Voraussetzung dafür ist, dass die Krankenkassen die Kosten übernehmen. Wir sehen es als bedenkliche Entwicklung an, dass die Politik versucht, Stiko-Empfehlungen zu relativieren.

 Wann ist der ideale Zeitpunkt für eine Booster-Impfung? Muss man sechs Monate abwarten? Oder geht das auch früher oder später?

Die Auffrischungsimpfung solle frühestens sechs Monate nach Vervollständigung des Impfschutzes (in der Regel 14 Tage nach der zweiten Impfung) verabreicht werden, so Helfrich. Laut Jochen Kriens  spielt es dabei keine Rolle, ob die Grundimmunisierung mit einem mRNA- oder mit einem Vektor-Impfstoff durchgeführt wurde. „Wenn die Grundimmunisierung mit einem mRNA-Impfstoff erfolgte, sollte bei der Auffrischimpfung der gleiche Impfstoff verwendet werden.“ Menschen, die den Impfstoff von Johnson & Johnson (Janssen®) erhalten haben, können sich laut Kriens bereits vier Wochen nach ihrer Impfung eine Auffrischung mit einem mRN-Impfstoff geben lassen. 

Mit welchen Corona-Impfstoffen wird aufgefrischt?

„Es wird ein mRNA-Impfstoff, derzeit aufgrund der Zulassungs­lage grundsätzlich des Herstellers Biontech/Pfizer, verwendet“, sagt Martin Helfrich.

 Wird eine Booster-Impfung auch für Genesene empfohlen, die ja in der Regel nur einmal geimpft sind?

„Personen, die einmal geimpft sind (mRNA oder Vektor) und genesen sind, unabhängig von der Reihenfolge, wird eine Booster-Impfung nicht empfohlen“, sagt Jochen Kriens von der KVH.

Booster: Welche Impfeinrichtungen in Hamburg gibt es derzeit? Muss man sich dort vorher anmelden?

Wer eine Auffrischungsimpfung wünscht, sollte sich laut Sozialbehörde grundsätzlich immer zuerst an eine Arztpraxis wenden. Zudem gibt es auch Impfangebote der Stadt Hamburg: Täglich werden nach Angaben des Behördensprechers mehrere mobile Impfstationen an wechselnden Orten im Stadtgebiet eingerichtet. Einen Überblick gibt es unter www.hamburg.de/corona-impfstationen. „Dort werden Auffrischungsimpfungen spontan, ohne vorherige Terminvereinbarung, angeboten.

Wer vorausplanen oder einen bestimmten Zeitpunkt auswählen möchte, kann auch einen Impftermin in einem von zehn teilnehmenden Krankenhäusern vereinbaren. Die Terminvereinbarung erfolgt online, den Link findet man unter www.hamburg.de/corona-impfung. Zudem kann man auch telefonisch unter 040/428 28 4000 einen Termin vereinbaren.

Martin Helfrich betont: „Im Rahmen der öffentlichen Impfangebote können die Auffrischungsimpfungen ausschließlich für diejenigen Personen angeboten werden, für die eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission vorliegt. 

Wie halten es niedergelassene Ärzte mit der Booster-Impfung in Hamburg?

„Ärzte können auch Ausnahmen von dieser Regel entscheiden, wenn es im Einzelfall einen entsprechenden medizinischen Grund gibt, beispielsweise bestimmte Erkrankungen. Um das einschätzen zu können, muss der Arzt die individuelle Situation der Patientin, des Patienten einschätzen können. Daher können solche Ausnahmen nur durch die behandelnden Ärzte entschieden werden. Wer Grund zur Annahme hat, dass im eigenen Fall eine Ausnahme vorliegt, sollte sich an seine behandelnde Arztpraxis wenden“, rät Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde.

 Wie viele niedergelassene Ärzte bieten in Hamburg Corona-Impfungen an?

Nach KVH-Angaben sind es etwa 1000.

 Muss man sich dort vorher anmelden?

Laut KVH ist das nötig.

Gilt man weiterhin als durchgeimpft, wenn man mit Johnson & Johnson geimpft ist?

„Bei dem Vakzin von Johnson & Johnson reicht eine einmalige Impfung aus, um als vollständig geimpft zu gelten. Das ist auch weiterhin der Fall. Eine Auffrischung kann dazu beitragen, den Schutz zu optimieren. Sie ist nicht erforderlich, um rechtlich als vollständig geimpft zu gelten“, sagt Martin Helfrich. 

Kann man sich als Hamburger auch im Umland impfen oder boostern lassen?

Laut Sozialbehörde hängt das von den lokalen Bestimmungen ab. „Da die Finanzierung jedoch auf Grundlage der Impfverordnung seitens der Bundesregierung erfolgt, ist der Wohnort in der Regel nicht mehr ausschlaggebend.“ Laut KVH-Sprecher Kriens ist es für Hamburger möglich, sich im Umland impfen zu lassen und ebenso anders­herum. 

Wie viele Hamburger haben schon eine Booster-Impfung bekommen?

Laut Sozialbehörde haben 7,6 Prozent der über 60-Jährigen in Hamburg bislang eine Auffrischungsimpfung erhalten und 2,8 Prozent der Gesamtbevölkerung.

 Wann wird der neue protein-basierte Impfstoff eingesetzt?

„Das können wir nicht abschätzen“, sagt KVH-Sprecher Jochen Kriens. Auch Martin Helfrich von der Sozialbehörde sagt, „wann Zulassungsverfahren abgeschlossen werden können, ist noch nicht sicher abzusehen. Neue Impfstoffe können erst dann verwendet werden, wenn sie das gesamte Zulassungsverfahren durchlaufen haben – das kostet zwar Zeit, sorgt aber für einen verlässlichen, sicheren Impfstoff, der strengen Qualitätsstandards genügt und mehrfache Prüfungen bestanden hat.“  

Wie sinnvoll ist eine Kombi-Impfung mit dem Grippeimpfstoff?

„Eine Kombi-Impfung kann sinnvoll und nützlich sein und wird von der Stiko empfohlen, wenn eine medizinische Indikation besteht“, sagt Jochen Kriens. Die Impfungen könnten simultan verabreicht werden. Die Injektion solle jeweils an unterschiedlichen Gliedmaßen erfolgen. Eine ausführliche Aufklärung der zu impfenden Person über die möglichen, vermehrt vorübergehenden Impfreaktionen sei besonders wichtig.  

Wie steht es bei den Grippeimpfungen?

„Von den Arztpraxen hören wir, dass die Influenza-Impfung bereits weitgehend abgeschlossen ist“, sagt Kriens.

 Viele Hamburger wurden beim Betriebsarzt geimpft. Gibt es hier auch Booster?

Unternehmen wie Nivea-Hersteller Beiersdorf waren von Anfang an darauf eingerichtet, bei ausreichend Impfstoff sogar die Nachbarschaft zu impfen. Wie eine Beiersdorf-Sprecherin sagte, habe die Impfstation zwar jetzt  geschlossen. Aber man habe bereits einmal um Monate verlängert, weil man auch Kinder ab 12 Jahren impfen durfte. Schulen in der Nachbarschaft hätten das Angebot ebenfalls angenommen. „Wir können es uns vorstellen, den Betrieb in der Impfstation wieder aufzunehmen, sobald die Stiko eine Empfehlung für die generelle Booster-Impfung herausgibt.“