Hamburg. Breites Bündnis für Mitbestimmung und Gesamtplanung des Quartiers Neu-Steilshoop. Stadt hält an 470 günstigen Wohnungen fest.

Gut 1000 Postkarten brachten protestierende Steilshooper am Donnerstag dem Senat ins Rathaus. Sie hoffen darauf, dass er dem Bezirk Wandsbek noch in den Arm fällt und in der Hochhaussiedlung einen neuerlichen, massiven Wohnungsbau im Stil der 1960er Jahre verhindert. Die Vertreter zweier Kirchen, zweier Sportvereine, der Sozialverband Deutschland und die Mieterinitiative stützen den Protest der Bewohner und der Bürgerinitiative „Steilshoop – nicht mehr vom Gleichen“.

Das Amt und die rot-grüne Koalition im Bezirk Wandsbek wollen den städtischen Wohnungsbauer Saga 470 günstige Mietwohnungen bauen lassen. Das bestätigte jetzt der Wandsbeker Planungsausschuss mit rot-grüner Mehrheit. Damit würden weitere 1500 bis 2000 einkommensschwache Menschen im Quartier angesiedelt.

Steilshooper fühlen sich ignoriert – und wollen mittun

„Wir wollen ein Moratorium erreichen“, sagt Pastor Andreas Holzbauer, Sprecher des Stadtteilbeirats. „Wir sind nicht gegen Wohnungsbau. Aber bevor weitere Wohnungen entstehen, sollte gemeinsam ein Gesamtkonzept für den Stadtteil entwickelt werden.“ Er warf Politik und Verwaltung vor, die Anwohner auflaufen zu lassen. „Es gibt eine Zuhör-, aber keine Veränderungsbereitschaft. Deshalb müssen wir öffentlich protestieren, denn wir wollen teilhaben an der Quartiersentwicklung.“

Die Pläne für die 8-Euro-Wohnungen der Saga stoßen vor allem deshalb auf Kritik, weil es im 20.000 Einwohner großen sogenannten „Neu-Steilshoop“ eigentlich nur günstige Wohnungen gibt und der Stadtteil unter dieser Monokultur und der Armut seiner Bevölkerung leidet: Infolge der Einkommensschwäche bricht die Infrastruktur weg. Ärzte, Geschäfte, Kultureinrichtungen sind verschwunden, weil sie im Quartier kein Geld verdienen.

Infrastruktur kaputt, Breitensport zusammengestrichen

Sichtbares Zeichen ist das Einkaufzentrum Steilshoop, das seit Jahren herunterkommt und keine attraktiven Geschäfte bietet. Sichtbares Zeichen ist auch die Beschneidung des Breitensports durch den ersatzlosen Abriss der (städtischen) Sporthalle und die Bebauung eines (städtischen) Fußballplatzes mit – Wohnungen. Haspa und Post sind längst weg, es gibt keinen Kinderarzt im Quartier. Die Liste ließe sich fortsetzen. Die Kinder fühlen sich stigmatisiert und mögen spätestens mit Eintritt ins Gymnasium nicht mehr sagen, wo sie wohnen.

46,3 % der Neu-Steilshooper Wohnungen sind Sozialwohnungen (im Bezirk sind es im Schnitt 7,3 %). 26,8 Prozent der Neu-Steilshooper sind Hartz-IV-Empfänger (Bezirk: 9,2 %). 49,3 Prozent der Unter-15-Jährigen leben in Mindestsicherung (Bezirk: 19,2 %).

Stadt lässt bewährte Rezepte liegen und zieht durch

Die Stadtsoziologin Ingrid Breckner, emeritierte Professorin der Hafencity-Universität (HCU): „Die Infrastruktur ist nicht funktionsfähig, der neue Bildungscampus lässt keine Synergien für den Stadtteil erkennen. Wer noch weitere Wohnungen baut, muss Kaufkraft oder Innovation in den Stadtteil und die Infrastruktur in Ordnung bringen.“

Die Ansätze aus dem Baukasten der Stadtentwickler liegen auf der Hand: Baugemeinschaften und Studentenwohnungen, Angebote zur Weiterqualifizierung der bestehenden migrantischen Ökonomie und die Förderung derselben. Stadtteilkultur unter dem Dach des Brakula, Sprachkurse. „Das alles aber muss eingebettet werden in die partizipative Entwicklung einer Zukunftsperspektive für die Bevölkerung“, sagt Breckner. „Die geringen Abwanderungstendenzen unter den BewohnerInnen sind eine Chance, die genutzt werden sollte.“

Mitbestimmung als identitätsstiftender Faktor

Genauso äußerten sich der Sozialverband Deutschland und der in Steilshoop engagierte CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Sandro Kappe. Partizipation schaffe Identifikation mit dem Stadtteil und damit Zufriedenheit statt Frustration.

Die Bürgerinitiative appellierte an die rot-grüne Koalition im Rathaus, den eigenen Koalitionsvertrag ernst zu nehmen. Darin werde angestrebt, Sozialen Wohnungsbau in wohlhabende Stadtteile zu bringen und das Grüne Netz unangetastet zu lassen.

Ist Steilshoop wirklich nicht Wilhelmsburg?

Eins der beiden fraglichen Baufelder liege zum Teil in eben jenem Grüngürtel, den der „Vertrag für das Stadtgrün“ mit dem Naturschutzbund (Nabu) vor Bebauung schützen wolle. Es dürfe nicht nur um Wohnungsbauzahlen und Planerfüllung gehen, sagte Bürgerinitiativen-Sprecher Kai-Uwe Zirk. "In Wilhelmsburg hat die Stadt eine Aufwertung betrieben. Warum geht das nicht auch für Steilshoop?“