Hamburg. Wann die Stadt entsprechende Zinsen verlangt. Viele Betroffene haben die Klausel übersehen. Ein Steuerberater übt Kritik.
Die Erleichterung bei vielen Soloselbstständigen, kleinen Unternehmen und Kulturschaffenden war groß, als die Hamburger Corona-Soforthilfe (HCS) im Frühjahr 2020 auf den Weg gebracht wurde. Dass die Möglichkeit besteht, das Geld im Nachhinein an die Investitions- und Förderbank (IFB) zurückzahlen zu müssen, haben viele Antragsteller aus der Not heraus in Kauf genommen. Für mehrere Unternehmer gab es nun jedoch ein böses Erwachen. Plötzlich verlangte die Stadt von ihnen nach der Rückzahlung der Hilfen nun auch Zinsen.
Einer von ihnen, der anonym bleiben möchte, sagte dem Abendblatt, er habe die gesamte Fördermittelsumme von 11.500 Euro bereits zurückgezahlt. Dennoch erhielt er ein Schreiben der IFB, in dem ihm bestätigt wurde, dass seine Rückzahlung zwar vollständig eingegangen sei – er nun aber noch rund 500 Euro Zinsen zu bezahlen habe. Der Grund: Die Zahlung sei nicht fristgerecht eingegangen.
Zinsen bei Corona-Hilfe: Steuerberater übt Kritik
„Ich war schockiert darüber, dass ich für eine Soforthilfe Zinsen bezahlen soll, weil ich mit meiner Zahlung knapp fünf Wochen in Verzug war, und dann auch noch die höchsten, die man aktuell auf dem Markt findet“, sagt der Kleinunternehmer. „Die Erhebung der Zinsen wurde im Bewilligungsbescheid erwähnt, ist also rechtens. Das haben viele jedoch übersehen“, sagt sein Steuerberater Marko Bodenstein, dem zwei weitere Fälle vorliegen.
Auch die Finanzbehörde bestätigt, dass sich die Zahl der Personen, denen nach Rückzahlung der Fördersumme ein Zinsbescheid zugestellt wurde, bereits im mittleren dreistelligen Bereich bewege. Sie betont aber, dass „Zinsen auf die zurückzuzahlende Summe nur erhoben werden, wenn die Rückzahlungsfrist verstrichen ist“. Bodenstein sieht in dem Prozedere dennoch ein Problem: „Dann wären die jetzigen Forderungen Verzugsstrafen, und diese wären exorbitant hoch.“
Corona-Hilfe: Wann Zinsen fällig werden
Bei den zu zahlenden Zinsen handelt es sich demnach nicht um klassische Verzugszinsen, denn diese müssten nur für den Zeitraum gezahlt werden, für den der jeweils Betroffene in Verzug geraten ist. Für die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe werden die Zinsen bei Verzug jedoch auf den gesamten Zeitraum zwischen dem Erhalt der Hilfe und der Rückzahlung an die Stadt berechnet.
Laut Bodenstein lag der Zinssatz in diesem Fall bei 4,1 Prozent. „In Fachkreisen wird diskutiert, dass der Zinssatz zwischen 3 und 3,5 Prozent liegen sollte.“ Vor allem angesichts des jüngsten Urteils des Bundesverfassungsgerichts, das Nachzahlungszinsen mit jährlich sechs Prozent für verfassungswidrig erklärt hat.
Zinsen für Corona-Hilfe: Bereits 47.000 betroffen
Im Rahmen der Überprüfung der ausgezahlten Corona-Hilfen wurden bereits 47.000 Personen angeschrieben. 18.000 von ihnen – also ein Viertel aller Hilfeempfänger – erhielten später eine Rückzahlungsaufforderung über insgesamt etwa 130 Millionen Euro. „Mehr als die Hälfte der Rückzahlungsaufforderungen beziehen sich auf Teilrückzahlungen“, sagt Claas Ricker, Sprecher der Finanzbehörde.
Aus dem Rückmeldeverfahren lägen bislang noch keine Rückzahlungen vor. Allerdings seien bereits 20 Millionen Euro aus freiwilligen Rückzahlungen eingegangen. „Die Mandanten, die jetzt einen Zinsbescheid bekommen haben, sind diejenigen, die sich proaktiv bei der Stadt gemeldet haben, um das Geld zurückzuzahlen“, sagt Steuerberater Bodenstein. „Also werden jetzt auch noch diejenigen bestraft, die das Geld frühzeitig zurückgezahlt haben.“
Zinsen für Corona-Hilfe: Soloselbstständige betroffen
Insgesamt wurden im Zuge des Hamburger Corona-Soforthilfeprogramms 58.816 Anträge bewilligt und knapp 560 Millionen Euro ausgezahlt. Beantragen konnten die Betroffenen den Zuschuss auf Basis eines zu erwartenden Liquiditätsengpasses. Für eine schnelle Bearbeitung mussten Antragstellende die Höhe der benötigten Hilfen zunächst schätzen und keine Nachweise vorlegen. Stellt sich nun heraus, dass der Liquiditätsengpass niedriger ausgefallen ist als im vergangenen Jahr prognostiziert, muss das erhaltene Geld komplett oder in Teilen erstattet werden.
Gerade für Soloselbstständige ist diese Regelung problematisch. „Freiberufler aus der Film-, Fernseh- und Musikbranche haben kaum Fixkosten, aber hatten während des Lockdowns eben auch keine Einnahmen. Daher müssen sie alles zurückzahlen. Die Kleinen werden bei dieser Regelung schlicht vergessen“, merkt Bodenstein unter Verweis auf seine Mandanten an.
Zinsen für Corona-Hilfe: Hamburg räumt mehr Zeit ein
Für die Rückzahlung wird den Betroffenen nun jedoch mehr Zeit eingeräumt, wie der Senat am Donnerstag mitteilte. Die Stundungsmöglichkeit wird um acht Monate bis zum 31. Dezember 2022 verlängert. „Unser Ziel war klar: Wir wollen diejenigen, denen wir in 2020 mit der Soforthilfe geholfen haben, nicht in 2021 und 2022 in eine neue Notlage stürzen“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). „Dass wir gegenüber dem Bund zu einer sauberen Abrechnung der Soforthilfen verpflichtet sind, ist leider unvermeidlich – schließlich handelt es sich um Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.“
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Nach vielen Gesprächen mit Betroffenen habe man sich zu einem weiteren Entgegenkommen beim Rückmeldeverfahren entschieden. „Die Corona-Betroffenheit bei vielen Kleinunternehmen ist weiter gegeben, deshalb brauchen viele auch mehr Zeit, um eine mögliche Rückzahlung einplanen zu können – darauf gehen wir ein“, so Dressel weiter. Die Fördernehmerinnen und Fördernehmer hätten nun machbare Bedingungen für mögliche Rückforderungen.
Corona-Hilfen: Ratenzahlung bei Rückzahlung möglich
„Mit dem Rückmeldeverfahren zu den Hamburger Corona-Soforthilfen wird nun ein wichtiger Schritt zur Beendigung dieses umfangreichen Zuschussprogramms mit über 500 Mio. Euro eingeleitet“, sagte Ralf Sommer, Vorstandsvorsitzender der IFB. „Um die Fördernehmenden in der aktuellen Situation des Neustarts nach dem Lockdown nicht zusätzlich zu belasten, sind im Rahmen der Notwendigkeit von Rückzahlungen Möglichkeiten von Stundungen und Ratenzahlungen vorgesehen.“
Die Corona-Soforthilfe war Teil des Schutzschirms für von der Corona-Krise betroffene Unternehmen, Institutionen und Selbstständige, der ergänzend zu den Hilfen des Bundes bereitgestellt wurde. Ziel war es laut Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) und Finanzsenator Dressel, unbürokratische Hilfen insbesondere für kleine und mittlere Betriebe, Freiberufler und Kultureinrichtungen zu schaffen.