Hamburg. Nicola Pattberg sammelte mit “My Jersey 4 Kids“ 102.500 Euro für die Arche. Wie sie viele Fußballstars dafür gewinnen konnte.

Endlich kommt wieder Fahrt ins Berufsleben. Nachdem die selbstständige Unternehmensberaterin Nicola Pattberg während der Pandemie im Job eine Vollbremsung erlebte, brummt ihr Geschäft aktuell. Vom Freiraum während der Zwangspause profitierten Kinder des Sozialprojekts „Die Arche“ in Hamburg – und weit darüber hinaus. Gemeinsam mit zwei ehemaligen Fußballprofis mobilisierte die diplomierte Kauffrau Geld- und Sachspenden in Höhe von 102.500 Euro für die sinnvolle Sache. Diesem Anstoß sollen alsbald weitere Aktionen folgen.

Des einen Fluch, des anderen Segen. „Letztlich gibt es für alles eine Lösung“, lernte Nicola Pattberg in der Corona-Zeit. Trotz finsterer Momente und finanzieller Schieflage kultivierte die Gründerin und Geschäftsführerin der Agentur „brandmade“ das Prinzip Zuversicht. Zudem gewann sie Gelassenheit. Dass der FC St. Pauli eine Rolle spielt, wenn auch indirekt, reichert eine spannende Geschichte zugunsten benachteiligter Kinder an.

Zu Mitspielern gehören namhafte Sportstars wie der Brasilianer Neymar, der Torschützenkönig Robert Lewandowski sowie Deutschlands Nationalspieler Manuel Neuer und Leroy Sané. Das Schlüsselwort: „My Jersey 4 Kids“, kurz „MJ4K“. Übersetzt heißt das sinngemäß: Namhafte Fußballprofis spenden ihre Originaltrikots, Unterschriften und Fotos für junge Menschen, die sozial im Abseits stehen.

Fußball-Stars senden signierte Trikots nach Hamburg

Eine unorthodoxe Idee gewann Format, als sich Nicola Pattberg während des Lockdowns im Dezember 2020 mit zwei Weggefährten bei einem Schoppen Wein zusammensetzte. Der tunesische Nationalspieler Sami Allagui spielte von 2017 bis 2019 für den FC St. Pauli. Sein Freund Maik Franz war früher in der Bundesliga unter anderem bei Eintracht Frankfurt am Ball. Beide spielten auch früher bei Hertha BSC.

„Wir wollen etwas Sinnvolles für Kinder leisten, denen es weniger gut ergeht“, befand das Duo kurz vor Weihnachten des vergangenen Jahres. Im Doppelpass mit Nicola Pattberg entwickelten sie „MJ4K“. Wie alle richtig guten Ideen ist sie einfach: Sportprofis in nah und fern stellen ein persönlich si­gniertes Trikotoberteil ihres Clubs zur Verfügung. Diese Jerseys wurden im Internet via Ebay versteigert. Um der Aktion und den Werbepartnern Aufmerksamkeit zu verschaffen, konnten Fans sich beteiligen und mit Online-Klicks unterstützen. 280.000 machten mit.

 Fußballer spenden signierte Trikots für Kinder in Not: Die Ex-Profis Maik Franz (l.) und Sami Allagui mit der Hamburgerin Nicola Pattberg bei der symbolischen Geldübergabe.
 Fußballer spenden signierte Trikots für Kinder in Not: Die Ex-Profis Maik Franz (l.) und Sami Allagui mit der Hamburgerin Nicola Pattberg bei der symbolischen Geldübergabe. © Die Arche | Die Arche

So ergab es sich, dass bei Frau Pattberg in Hamburg-Neugraben nach und nach 88 Päckchen eintrafen. Paketzusteller und Briefboten staunten, als sie bergeweise Post aus Paris, Rom, St. Petersburg, München und anderswo zustellten. Das internationale Netzwerk der Ex-Profis Allagui und Franz hatte kleine Wunder bewirkt. Ein Trikot mitsamt Autogramm und Foto davon nach Norddeutschland zu schicken, war für viele ein leichtes Spiel.

Erneut machten sich Kontakte bezahlt, die Frau Pattberg während ihres Berufslebens aufgebaut hatte. Der Werdegang der aktuell 43-Jährigen ist ein Kapitel für sich. In Kürze: Nach ihrem Studium zur Diplom-Kauffrau im Sportmanagement stieg die gebürtige Wolfenbüttlerin als PR-Referentin beim Bundesligaverein VfL Wolfsburg ein. Es folgten Stationen in Frankfurt während der Fußball-WM, für ein großes Stuttgarter Theater, für den Friedrichstadt Palast in Berlin sowie für die Deutschland-Zentrale von McFit.

Nach zweieinhalb Jahren als Kommunikationschefin des Profiboxers Wladimir Klitschko gründete sie ihre eigene Agentur. „brandmade“ ist Programm: Markenberatung, Kommunikationsstrategie, Systemisches Coaching. Diese Frau ist eine Soloheldin. Eine Menge war planbar, Corona nicht. „Ohne staatliche Förderung hätte mein kleines Unternehmen nicht überlebt“, bekennt sie freimütig. Das wirtschaftliche Polster war zwischenzeitlich aufgezehrt.

Mehr als 100.000 Euro für „Die Arche“ in Hamburg

Seit ein paar Monaten geht’s wieder aufwärts. Sie hat das Leitbild für Stuttgart als eine der zehn Ausrichterstädte der Fußball-EM 2024 kreiert und die Auftaktveranstaltung dort umgesetzt, berät den 1. FC Magdeburg und betreut Sponsoring und Medienanfragen der Kanu-Olympiasiegerin Edina Müller aus Niedersachsen. Die Tage sind prall gefüllt mit Reisen, Konferenzen, inhaltlicher Arbeit. Mit ihrem Neffen Marvin (17) heuerte sie den ersten Minijobber an.

Erfolgserlebnisse verleihen zusätzliche Kraft. So wie Erinnerungen an den 5. Juli dieses Jahres. Vor fast vier Monaten überreichten Nicola Pattberg, Sami Allagui und Maik Franz Geld- und Sachspenden in Höhe von 102.500 Euro an die Hilfsorganisation „Die Arche“. Insgesamt hatten 88 Fußballprofis mitgewirkt, aufgeteilt in acht symbolische Teams. „Zu dritt verfügen wir über ein durchsetzungsfähiges Netzwerk“, bilanziert Frau Pattberg rückblickend. Eine „MJ4K“-Bekleidungskollektion sowie ein vom Straßenkünstler „Senor Schnu“ geschaffenes Kunstwerk trugen zum Ergebnis bei. „Wenn es um Kinder geht, rückt die Fußballfamilie zusammen“, stellte Sami Alla­gui fest. Dieser Teamgeist habe nicht nur ihn beeindruckt.

Geld für benachteiligte Kinder in Hamburg

Der ehemalige Offensivspieler des FC St. Pauli war bei der „Arche“ im Hamburger Stadtteil Jenfeld präsent. Dort werden 180 sozial benachteiligte Kinder von der Straße geholt und professionell betreut – kostenlos, beispielsweise bei Hausaufgaben, Computerschulungen, Tanz und Theater. Unter dem Strich halfen nicht nur die Spenden, sondern das ehrenamtliche Engagement. „Dass die jungen Menschen erleben durften, wer sich alles für sie einsetzt, war ein starkes Zeichen“, sagte „Arche“-Gründer Bernd Siggelkow. Die Besuche der acht Teamkapitäne kamen als Botschaft an: Kinder, ihr steht nicht auf verlorenem Posten.

Während die Profis nach außen Gesicht – und Flagge – zeigten, knüpfte Nicola Pattberg im Hintergrund Fäden und Kontakte. In Neugraben. Ihre Investition: rund 400 Stunden Einsatz und viel Leidenschaft. So machte sie aus der Corona geschuldeten Not eine Tugend. Beschlossene Sache ist: Es wird ein Wiederholungsspiel geben.