Hamburg. Der Polarexperte sammelt Daten über die Qualität der Weltmeere, die ein Kieler Wissenschaftler auswertet. Erste Ergebnisse vorgestellt.

Arved Fuchs kennt das Eis des Nordens wie kein anderer. Immer wieder reist er in polare Regionen und ist ein Zeitzeuge des Klimawandels geworden. Zuletzt brach er im Sommer zur vierten Etappe der Expeditionsreihe „Ocean Change“ auf. Er sammelte Daten für Wetterdienste und den Klimaforscher Johannes Karstensen, der am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel arbeitet. Nun ist er zurück zu Hause in Bad Bramstedt und gibt gemeinsam mit Karstensen einen Einblick in die gemeinsame Arbeit.

Herr Fuchs, am Tag der Bundestagswahl sind Sie nach Deutschland zurückgekehrt. Reiner Zufall oder ein politisches Statement?

Arved Fuchs: Es hat sich so ergeben. Wir wollten ursprünglich in Kanada anlegen und das Schiff winterfest machen. Aber wir durften nicht. Die Regierung hat die Häfen coronabedingt geschlossen und uns nicht rechtzeitig mitgeteilt, wann wir hätten einfahren dürfen. Auf einen späteren Termin konnten wir allerdings nicht warten, weil tropische Stürme die Ostküste entlangziehen und schon auf der Höhe von Neufundland waren. Deshalb sind wir in der zweiten Augusthälfte zurück nach Reykjavik, haben das Schiff dort winterfest gemacht und sind zurückgeflogen. Ich habe übrigens Briefwahl gemacht, weil ich sicher gehen wollte, dass meine Stimme ankommt.

Ihre Expedition hat gerade Pause. Trotzdem haben Sie schon viel Strecke zurückgelegt – vorbei an Dänemark, Norwegen, den Färöer Inseln und Island bis hin zum grönländischen Nuuk. Wie haben Sie in dieser Zeit den Klimawandel erlebt?

Arved Fuchs: Nur um eins klarzustellen: Ich bin kein Wissenschaftler, aber seit 40 Jahren in polaren Gebieten unterwegs. Das hat mich zu einem sehr guten Beobachter gemacht. Ich kann bezeugen, wie sich die Landschaft verändert, wenn sich der Planet erwärmt. Zum Beispiel ist das grönländische Packeis im Sommer komplett verschwunden und auch das Grönländische Inlandeis schmilzt. Dort hat es in diesem Jahr auf 3000 Metern Höhe geregnet, das erste Mal seit Beginn der Wetterbeobachtungen. Und die Einheimischen haben mir erzählt, dass sie bestimmte Gebiete nicht mehr erschließen können. Wo sie damals gejagt haben, fehlt heute das Eis.

Wie haben Sie die Landschaft vor der Jahrhundertwende erlebt?

Arved Fuchs: Wenn ich zurück in die 90er-Jahre blicke, waren wir an der Ostküste Grönlands fast das einzige Schiff, das sich in polare Gebiet getraut hat – mal abgesehen von Eisbrechern. Der Grund dafür war das schwere Packeis, das vom Nordpol in den Süden strömte. Da durchzukommen, war extrem schwierig. Heute fließt Gletscherwasser in den Ozean. Das Problem ist, all das findet quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nur wenige Menschen haben Zugang in diese Regionen. Meine Crew und ich sind sozusagen die Stellvertreter, die darüber berichten und versuchen, mit der Expeditionsreihe „Ocean Change“, einen Beitrag gegen den Klimawandel zu leisten. Deshalb haben wir den Schulterschluss mit Wissenschaftlern wie Johannes Karstensen gesucht.

… und deshalb verschiedene Messgeräte mit an Bord genommen: eine stationäre Einheit, eine Tiefseesonde und Driftbojen, die Sie entlang der Route ausgeworfen haben. Was zeigen uns die Daten, Herr Karstensen?

Johannes Karstensen: Sie zeigen, was Arved Fuchs in den vergangenen Jahrzehnten beobachtet hat. Die Temperaturen sind um drei bis vier Grad gestiegen. Der Ozean ist also verglichen zur Referenzperiode von 1980 bis 2005 sehr viel wärmer geworden. Das hat weitreichende Folgen, zum Beispiel auch für das Ökosystem. Die Fische, die in der Region leben, sind angepasst an kalte Temperaturen. Das bedeutet, entweder sie suchen sich Ausweichgebiete oder sie verenden.

Was können die Bojen neben der Wassertemperatur noch messen?

Johannes Karstensen: Wir können bestimmen, ob der Ozean Kohlenstoffdioxid (CO2) aufnimmt. Wie wir wissen, ist das der ausschlaggebende Parameter für unser Klima. Es sind Messungen, wie die von Arved Fuchs, die uns zeigen, dass der Ozean 25 Prozent des CO2 aufgenommen hat, das wir Menschen in die Atmosphäre eingebracht haben. Mit anderen Worten: Hätte der Ozean uns diesen Service nicht erwiesen, wäre die CO2-Konzentration in der Atmosphäre deutlich höher. Folglich wären wir schon in einem noch schlimmeren Klimaszenario, das vielleicht schon drei bis vier Grad höhere Temperaturen mit sich bringen würde – mit weitreichenden Folgen für den Planeten. Das wollen wir nicht.

Wie können wir gegensteuern?

Johannes Karstensen: Das Erdöl muss in der Erde bleiben. Wenn wir es doch rausholen, wird es automatisch zu CO2. Wir dürfen nicht mehr verbrennen, weil unser Handlungsspielraum dann noch kleiner wird.

Was muss die nächste Regierung konkret leisten, um den Klimawandel zu bekämpfen?

Arved Fuchs: Es ist von wissenschaftlicher Seite im Pariser Klimaabkommen bereits klar definiert worden. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Die Politik ist gefordert und muss Leitplanken schaffen. Klar ist: Der Klimawandel muss ganz vorne auf der politischen Agenda stehen. Es lohnt sich, jetzt in den Schutz des Klimas und die Natur zu investieren, denn die Folgekosten wären ungleich höher. Das müssen sich die Politiker bewusst machen, denn Ökologie ist gleich Ökonomie. Wir müssen nur zu den Flüchtlingsdramen schauen, die sich auf dem Mittelmeer abspielen, oder ins überflutete Ahrtal. Die Extremwetterverhältnisse zeigen, wir können die Erderwärmung nicht einfach aussitzen. Es geht nicht mehr nur um politische Vorsätze. Wir müssen handeln und brauchen dafür die Wirtschaft. Jeder Einzelne muss seinen Beitrag leisten, um die CO2-Emissionen zu reduzieren. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.

Vielen Dank für das Gespräch.