Hamburg. Erstmals gibt es ein eigenes höher dosiertes Vakzin für über 60-Jährige. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.
Wie viele seiner Kollegen ist Dr. Dirk Heinrich bereits dabei, Grippeschutzimpfungen zu verabreichen. „Es geht langsam los, der Impfstoff ist jetzt da“, sagt der Hamburger Facharzt für Allgemeinmedizin und Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO). Erstmals gebe es in diesem Jahr zwei Impfstoffe, ein höher dosiertes Vakzin für die über 60-Jährigen und eines für die Jüngeren.
Der frühere ärztliche Leiter des inzwischen geschlossenen Impfzentrums in den Messehallen geht davon aus, dass es in diesem Jahr einen größeren Zulauf bei der Grippeimpfung geben wird, weil „das Impfen jetzt mehr im Bewusstsein ist und als sinnvolle Maßnahme gesehen wird, und es darf ja auch mit der Corona-Impfung kombiniert werden.“ Bis die Impfung wirke, dauere es zwei bis drei Wochen, so Heinrich, der auch Vorsitzender der Vertreterversammlung (oberstes Selbstverwaltungsorgan) der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) ist.
Hamburg: Grippeimpfquote ist viel zu gering
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte am Mittwoch zur Grippeimpfung aufgerufen. Es seien „mehr als genug“ Impfstoffe bestellt worden und sie stünden auch bereits zur Verfügung. In der vergangenen Grippesaison seien 22 Millionen Impfungen verabreicht worden, deutlich mehr als in den Jahren davor. Bestellt worden seien jetzt 27 Millionen Impfdosen. Der Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, nannte die Grippeimpfquote viel zu gering.
Sinnvoll wäre nach internationalen Empfehlungen in den besonders gefährdeten Gruppen der über 60-Jährigen, Vorerkrankten oder Schwangeren eine Impfquote von über 70 Prozent. Erreicht werde bei den über 60-Jährigen aber nur eine Quote von 30 bis 40 Prozent. In Hamburg wurden im vergangenen Jahr laut KVH 220.000 Impfungen abgerechnet, nicht eingerechnet sind die Impfungen in Betrieben und in städtischen Einrichtungen.
Das Abendblatt hat die wichtigsten Informationen rund um die Grippeschutzimpfung zusammengefasst.
Wer impft in Hamburg gegen Grippe:
„Jeder niedergelassene Arzt – gleich welcher Fachrichtung – kann und darf Impfungen durchführen. Besonders viele Hausärzte, hausärztliche Internisten, Kinderärzte, aber auch viele Fachärzte wie Diabetologen, HNO-Ärzte oder Urologen bieten Impfungen an“, sagt KVH-Sprecher Jochen Kriens. Laut Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde, bieten auch das Impfzentrum der Stadt Hamburg Impfungen an (www.hamburg.de/impfzentrum/) sowie die bezirklichen Gesundheitsämter.
Für wen wird die Grippeimpfung empfohlen:
Die Stiko empfiehlt sie standardmäßig für Personen ab 60 Jahren, für Schwangere, Pflegeheimbewohner und Personen mit bestimmten chronischen Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes oder COPD.
Gibt es weitere Gruppen, für die die Impfung empfehlenswert ist:
Laut Stiko sollten sich auch Menschen impfen lasen, die aufgrund ihres Berufs ein erhöhter Risiko haben, sich anzustecken, beispielsweise medizinisches Personal, Mitarbeiter in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr und solche, die als mögliche Infektionsquelle für von ihnen betreute Risikopersonen fungieren können. „Es gibt viele Menschen, die sehr viel Kundenkontakt haben, beispielsweise bei Aldi an der Kasse, die sollten sich durchaus impfen lassen“, sagt auch Dirk Heinrich. Nach Angaben von Jochen Kriens können Impfungen für Personen darüber hinaus von Krankenkassen freiwillig übernommen werden.
Wann sollte man sich impfen lassen:
Laut Jochen Kriens liegt der Zeitrahmen für die Grippeimpfung gemäß Stiko-Empfehlung zwischen Oktober und Mitte Dezember. Aber sie sei auch Anfang des Jahres 2022 noch sinnvoll, da der Höhepunkt der Grippeerkrankungen meist Ende Januar, Anfang Februar liegt. „Wird der Zeitrahmen für die Impfung ausgeschöpft, sollte die Menge an Impfstoffdosen ausreichend sein“, sagt Kriens.
Warum gibt es in diesem Jahr zwei Impfstoffe:
Neu ist, dass die Stiko für über 60-Jährige ein eigenes Vakzin empfiehlt. Bei Efluelda vom Hersteller Sanofi handelt es sich um einen Hochdosis-Impfstoff. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) nimmt mit zunehmendem Alter die Leistungsfähigkeit des Immunsystems ab, sodass Infektionen häufiger schwer verlaufen. Ältere Menschen haben außerdem ein erhöhtes Risiko, aufgrund einer Komplikation ins Krankenhaus zu müssen. Die reduzierte Immunantwort älterer Menschen führe dazu, dass die Impfung weniger wirksam sein kann als bei jüngeren Erwachsenen, heißt es beim RKI. „Influenza-Hochdosis-Impfstoffe haben eine bessere Wirksamkeit bei Senioren.“
Gibt es in diesem Jahr in Hamburg genügend Impfstoff:
„Wir gehen davon aus, dass die Menge an Impfstoffdosen ausreicht“, sagt Jochen Kriens von der KVH. Laut Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde, erfolgt die Bestellung des Impfstoffes durch Ärztinnen und Ärzte, dezentral in den Praxen, über die Apotheken nach ihrer Bedarfseinschätzung. „Dabei wird häufig in der Kalkulation vom Vorjahr ausgegangen – viele Patientinnen und Patienten werden möglicherweise aus ihrer Hausarztpraxis auch direkt auf die Grippeimpfung angesprochen.“
Engpässe in der Belieferung könnten nie ganz ausgeschlossen werden. „Wir rechnen aber damit, dass sich alle gegen Grippe impfenden Stellen ausreichend bevorratet haben. Sollte einmal doch keine Grippeimpfung angeboten werden können, weil kein Impfstoff mehr verfügbar ist, kann der fehlende Impfstoff meist rasch nachgeliefert und die Impfung nachgeholt werden“, so Helfrich.
Warum gab es im letzten Jahr Probleme mit dem Nachschub:
„Das Problem in der Vergangenheit war vor allem verursacht durch den Umstand, dass im Oktober der ,kurzzeitige‘ Bedarf höher war als die zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Impfstoffdosen“, sagt Jochen Kriens. Es sei logistisch (Impfstoffe benötigen einen Kühltransport) und organisatorisch kaum möglich, alle Impfungen schon im Oktober durchzuführen.
Kann die Impfung gleichzeitig mit einer Corona-Impfung gegeben werden:
„Ja, man kann ausdrücklich beide Impfungen kombinieren“, sagt der HNO-Arzt Dirk Heinrich. Sowohl, wenn es sich um Corona-Erst- oder Zweitimpfungen handelt, als auch, wenn es um die Auffrischungsimpfung geht. Jochen Kriens sagt dazu: „Die Stiko hat veröffentlicht, dass die gleichzeitige Impfung möglich ist. Nach derzeitigem Stand bleibt die Wirksamkeit beider Impfungen bestehen, und auch eventuelle Impfreaktionen sind nahezu unverändert. Im Einzelfall entscheiden aber die impfenden Ärzte über die Anwendung.“ Die Stiko empfiehlt, die Spritzen jeweils an unterschiedlichen Gliedmaßen zu geben, also eine am rechten, eine am linken Arm.
Wann ist in diesem Jahr mit den ersten Grippefällen zu rechnen:
„Die Grippezeit dauert üblicherweise von Anfang Oktober bis März/April“, sagt Jochen Kriens.
Wie erkenne ich eine Influenza:
Die echte Grippe ist eine ernste Erkrankung, die nicht mit einer Erkältung zu verwechseln ist: Nach der Ansteckung mit dem Grippevirus erkranken ungefähr zwei Drittel der Betroffenen und entwickeln teils heftige Krankheitssymptome wie plötzliches hohes Fieber über 38,5 Grad Celsius, trockenen Reizhusten, Kopf-, Hals- und Muskelschmerzen, Abgeschlagenheit, Schweißausbrüche.
Im vergangenen Winter ist die Grippe weitgehend ausgefallen. Womit ist in diesem Winter zu rechnen:
„Hierzu sind uns noch keine belastbaren wissenschaftlichen Aussagen bekannt. Sicherheitshalber sollten beide Impfungen (Corona und Grippe) jetzt im Herbst erfolgen“, sagt Jochen Kriens von der Kassenärztlichen Vereinigung. Der HNO-Arzt Dirk Heinrich sagt: „Ich denke, wir werden auf jeden Fall eine Grippewelle in Deutschland bekommen, aber ich erwarte keine schwerere als sonst.“ Weil sich das Virus ständig verändere, werde auch der Impfstoff jedes Jahr angepasst, aber es gebe dabei immer eine Unsicherheit. Man könne den Verlauf der Grippewelle nicht seriös vorhersagen. Martin Helfrich sagt: „Das Tragen von Masken und die weiteren, gegen Corona getroffenen Vorkehrungen, werden auch in diesem Jahr helfen, die Grippewelle geringer zu halten.“
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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn betonte dagegen, weil es im vergangenen Jahr so gut wie keine Grippe gegeben habe, sei in diesem Jahr das Risiko einer gefährlichen Grippewelle größer. Der Chef des RKI, Lothar Wieler, sagte dagegen, es lasse sich nicht vorhersehen, wie sich die Grippe entwickeln werde. Es werde sich aber in den kommenden Wochen die Zahl der Covid-19-Fälle erhöhen. Es müsse verhindert werden, dass dies parallel zu vielen Grippeerkrankungen passiere.