Hamburg. 82 Prozent der Deutschen wollen den Piks. Strengere Regeln sind kein Anreiz. Neue Erkenntnisse über Hamburger Corona-Tote.
Schaut man auf die nackten Zahlen, dann nähert sich Hamburg mit seiner Impfkampagne gegen das Coronavirus dem Maximum. Ihre Impfbereitschaft haben 82 Prozent der in einer Umfrage des Hamburg Center for Health Economics (HCHE) befragten Deutschen zu Protokoll gegeben. Und etwa 82 Prozent beträgt auch der Anteil der Menschen, die in Hamburg derzeit überhaupt geimpft werden können. Das sind alle im Alter über zwölf Jahren.
Aktuell sind es jedoch erst 68,8 Prozent vollständig immunisierte Menschen, sodass die Impfaktionen an außergewöhnlichen Orten wie Elbphilharmonie oder Volksparkstadion weitergehen werden. Wie der Sprecher der Sozialbehörde, Martin Helfrich, dem Abendblatt sagte, werde jetzt auch an Testzentren geimpft, wie denen am Gazellenkamp in Lokstedt oder an der Buxtehuder Straße in Harburg.
Corona-Impfungen in Hamburg: Emotionale Botschaften helfen
Der Leiter des HCHE, Prof. Jonas Schreyögg, sagte dem Abendblatt, in den vergangenen Monaten habe sich die Impfbereitschaft durch die gezielten, auch mehrsprachigen Aktionen in den Stadtteilen spürbar erhöht. Bei den Menschen, die sich nicht um Informationen zu Corona bemühen, brauche man „eher emotionale Botschaften zum Beispiel von Promis, die über Long Covid berichten“. Immerhin gibt es bei der Impfbereitschaft laut Umfrage kaum noch Unterschiede im Hinblick auf den Bildungshintergrund der Befragten. Nach den wiederholten Umfragen des HCHE war die Impfbereitschaft der Deutschen noch nie so groß wie heute.
Die Impfunwilligen geben in der Umfrage vor allem drei Gründe an: Sie halten die Impfung nicht für sicher genug (74 Prozent), fühlen sich von Politik oder Gesellschaft unter Druck gesetzt (67 Prozent) oder wollen das Profitstreben der „globalen Impfstoffhersteller nicht unterstützen“ (61 Prozent).
In Deutschland werden die Schnelltests Mitte Oktober kostenpflichtig. Das begrüßen 64 Prozent, 24 Prozent lehnen das ab. „Bis auf Dänemark und Frankreich stößt die Bezahlung auch in den anderen befragten europäischen Ländern mehrheitlich auf Zustimmung“, heißt es in der Umfrage.
Corona-Tote: Neue Hamburger Zahlen
Die höhere Impfbereitschaft in Ländern wie Spanien oder Italien hat auch mit dem unmittelbaren Erleben dramatischer Folgen der Corona-Pandemie zu tun. Dort geriet das Gesundheitssystem zum Teil dramatisch an seine Grenzen. Auch in Hamburg fragt man sich derzeit, warum trotz steigender Impfquoten noch immer Menschen an Corona sterben und wer die Toten sind. In einer Auswertung für das Abendblatt hat die Sozialbehörde Daten zusammengetragen. Demnach gab es im Juli acht, im August 19 und bis Ende September 39 Tote. Wegen der unterschiedlichen Sterbe- und Meldedaten können sich die Zahlen von den täglich veröffentlichten unterscheiden. Etwa zwei Drittel der Verstorbenen waren in Krankenhäusern.
Behördensprecher Helfrich sagte, es gebe nach wie vor einen Zusammenhang zwischen hohen Infektionszahlen und Covid-Patienten in Krankenhäusern. Aber wegen der steigenden Zahl an Impfungen schwäche sich dieser Automatismus ab. Unter den gemeldeten Neuinfektionen seien „zahlreiche Menschen jungen Alters“, bei denen die Krankheitsverläufe überwiegend mild seien. Krankenhauseinweisungen seien in dieser Gruppe selten. Auch unter den Toten waren in den vergangenen drei Monaten keine unter 30-Jährigen.
Was schwere Covid-Verläufe begünstigt
Die Jüngsten waren drei Corona-Infizierte zwischen 30 und 39 Jahren. Von den insgesamt 66 Toten dieses Zeitraums waren 16 zwischen 70 und 79 Jahre alt, 20 zwischen 80 und 89 und 11 über 90. Unter ihnen waren 41 Männer und 25 Frauen. Das mag damit zu tun haben, dass die Corona begünstigenden Risikofaktoren wie Lungenerkrankungen bei Männern häufiger vorkommen – oder mit dem Impfstatus.
Obwohl Hamburgs Senioren zu großen Teilen geimpft sind, gibt es Ungeimpfte unter ihnen sowie Impfdurchbrüche, also Infektionen trotz Immunisierung. Diese können damit zusammenhängen, dass Ältere keine ausreichende Immunantwort auf eine Impfung haben und deshalb keinen richtigen Schutz gegen das Virus aufbauen können.
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Die meisten Covid-Intensivpatienten liegen aktuell im Asklepios Klinikum Harburg. Dr. Martin Bachmann, der Chefarzt Intensivmedizin und Beatmungsmedizin dort, sagte dem Abendblatt: „Die überwiegende Mehrheit der Patienten, die mit Covid-19 auf unserer Intensivstation liegt, ist nicht geimpft. Impfdurchbrüche sind eher selten und wenn, weisen sie kaum einen schweren Verlauf auf.“ Ausnahme seien hochbetagte Menschen mit ernsten oder mehreren Vorerkrankungen.
"Impfdurchbrüche haben selten einen schweren Verlauf"
Bachmann sagte: „Für sie kann eine Infektion– wie übrigens nicht nur Corona, sondern auch die Grippe – trotz Impfung lebensgefährlich sein, weil der Körper schon vorher geschwächt ist. Auch jüngere Menschen hätten ein höheres Risiko für einen schweren Covid-Verlauf bei Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht und Fettstoffwechselstörungen. „Viele unserer ungeimpften Covid-19-Patienten haben eine solche Konstellation von Erkrankungen.“
Von den 110 Hamburger Corona-Patienten in allen Krankenhäusern brauchen zurzeit 35 eine intensivmedizinische Betreuung. Am Montag meldete die Sozialbehörde 227 Neuinfektionen. Das sind 90 mehr als am Sonntag (137) und 115 mehr als am Montag vor einer Woche (112). Damit steigt der Inzidenzwert deutlich an und liegt nun bei 74,8 (Vortag 68,7). Seit Beginn der Pandemie wurden in der Hansestadt 92.397 Corona-Infektionen registriert. Von ihnen gelten nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts 86.500 als genesen. 1741 Menschen sind an oder mit Corona gestorben.