Hamburg. Alkoholausschank bis 23 Uhr,teure Tests und kaltes Herbstwetter – all das setzt Wirte unter Druck. Nur wenige beharren noch auf 3G.

Zelt an Zelt reiht sich an der Ottenser Hauptstraße aneinander. Sie stehen auf dem Parkstreifen. Gastronomen haben Stühle und Tische darunter aufgestellt, bewirten dort Geimpfte, Genesene und mancherorts auch Getestete. Dadurch wollen die gebeutelten Wirte mehr Platz für zahlende Gäste schaffen. Doch der gewünschte Sommerumsatz blieb aus – vor allem wegen der Corona-Regeln. Nun fragen sich viele: Wie geht es weiter in der kalten Jahreszeit? Die Antwort liegt für viele im 2G-Modell.

In der neuen Ottenser Zeltstadt betreibt Tim Vetter die Granat-Bar. Ein halber Wintergarten steht auf den Parkplätzen vor dem Lokal. Der 26 Jahre alte Inhaber hat dafür Holzdielen verlegt, Plastikwände zur Straße hin hochgezogen und die Fläche mit Spitzdächern überzogen. Hier kann Vetter seine Gäste nach dem 3G-Prinzip empfangen. Dass der junge Chef in seiner Bar Getestete ausschließt, kam für ihn lange nicht infrage.

Corona Hamburg: Gastronom setzt auf 2G

„Anfangs wollte ich es bei 3G belassen, weil ich erst schauen wollte, wie sich alles entwickelt“, sagt er. Doch nun sattelt er um. Vom 15. Oktober an bewirtet er nur noch Geimpfte und Genesene. „Aus wirtschaftlicher Sicht ist es für Gastronomen ertragreicher, wenn die Sperrstunde um 23 Uhr wegfällt“, erklärt er. Außerdem seien die meisten seiner Gäste mittlerweile geimpft.

Das Team der benachbarten CafeReiseBar ist nicht begeistert vom neuen Modell. Nicole Lorenzen, die sich als „Mutti“ und „Mädchen für alles“ versteht, grollt gegen den Senat. „Die Politik spielt mit den Nöten der Gastronomen. Ein kleiner Laden, der mit Abstandsregeln nur acht Gäste bewirten kann, ohne Abstand aber 20 einlassen könnte, wechselt ganz klar zu 2G“, sagt die 54-Jährige. Das sei nur logisch. Doch die CafeReiseBar sei groß genug, um an der alten Regel festzuhalten. Zudem wolle Lorenzen zur Sicherheit ihrer Gäste nicht auf Abstände verzichten.

CafeReiseBar bleibt vorerst bei 3G

Dass die Corona-Tests ab dem 11. Oktober nicht mehr übernommen werden, bereitet ihr keine Sorge. „Ob wir dann Gäste verlieren? Nein, das wird sich zurechtschuckeln“, sagt sie. Sie möchte niemanden ausschließen. Zum Beispiel sei demnächst ein Klassentreffen von 22 Seniorinnen und Senioren geplant. Eine Teilnehmerin könne sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen, die andere sei „aus Überzeugung“ dagegen. Mutti Lorenzen hat dafür Verständnis. „Manche brauchen eben mehr Zeit“, sagt sie, „da bringt Druck seitens der Politik nichts, sondern erzeugt nur Gegendruck.“

Doch nicht einmal Lorenzen schließt eine Umstellung auf 2G kategorisch aus. Wenn sie sich betriebswirtschaftlich dazu gezwungen sehe, würde sie umstellen. So lange sich das CafeReiseBar aber halten kann, tritt ihre Mutti für 3G ein.

Kiez-Wirte stellen reihenweise auf 2G um

Auf St. Pauli stellen die Wirte dagegen reihenweise um. Das alte Modell rechne sich einfach nicht, sagt Maren Dickers. Die Betriebsleiterin des Frieda B. öffnet nur für Geimpfte und Genesene. Ihre Tanzbar fuhr seit Ausbruch der Corona-Pandemie herbe Verluste ein. 2G habe das Blatt gewendet – nicht nur für sie, auch für andere Kiezkneipen, wie Dickers erzählt. Umgesattelt hätten auch das einst so skeptische Hans Albers Eck die La Paloma Bar, die Backstein-Bar The Academy, das Drunken Lama und der House-Club Noho. Die Liste sei lang – und werde noch länger.

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„Wer noch nicht umgestiegen ist, wird 2G umsetzen, sobald es möglich ist.“ Manche Wirte blieben vorerst bei 3G, um ungeimpfte oder rebellische Stammgäste nicht zu vergraulen. Sie vermutet, dass die meisten die alte Regel aber nicht viel länger durchziehen können. „Bei uns auf dem Kiez findet das Nachtleben statt. Es ist Quatsch, vor 22 Uhr zu öffnen. Und weil es bei uns erst nach 23 Uhr richtig losgeht, können wir dann nicht schließen.“

Corona Hamburg: Wirte wegen 2G angefeindet

Die 2G-Regel scheint sich spätestens in der Nacht zu Sonntag als Heimspiel erwiesen zu haben. Weil das Reeperbahn Festival Nachtschwärmer anlockte und um Mitternacht die Masken fielen, erreichte das Frieda B. erstmals wieder einen Umsatz, den es aus der Vor-Corona-Zeit gewohnt war. „Ich hatte 600 Leute vor der Tür“, erzählt Dickers. Ein Video auf Facebook zeigt, wie Menschen dicht an dicht tanzten, jubelten und sich in den Armen lagen. Die Tanzfläche war wohl so voll wie seit eineinhalb Jahren nicht mehr.

So sehr sich die einen über die alte Normalität freuen, so sehr feinden andere die 2G-Wirte an. Als das Frieda B. auf Facebook bekannt gab, dass die Corona-Zeit „finanziell eine Katastrophe“ war und dass Getestete nun draußen bleiben müssten, kommentierte ein Nutzer: „Na dann hoffen wir mal, dass alle euren Schuppen meiden werden, egal ob geimpft oder nicht geimpft.“ Fälle wie dieser sind nicht selten. Auch die Ottenser Mutti berichtet, dass zwei Wirte Bombendrohungen erhalten hätten. „Ich finde, das ist ein No-Go. Es ist unverantwortlich, dass der Frust auf die Politik auf den Gastronomen abgewälzt wird. Die Leute müssen differenzieren.“