Hamburg. Senat kennt Zahl der aktuell ungenutzten Wohnungen gar nicht – denn einige Bezirke führen keine Statistik. Behörde rechtfertigt sich.
Trotz des nach wie vor großen Drucks auf den Wohnungsmarkt hat der Senat keinen Überblick, wie viele Wohnungen in Hamburg leer stehen. Das musste er jetzt in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsabgeordneten André Trepoll und Anke Frieling einräumen.
Nur aus fünf der sieben Bezirke liegen dem Senat demnach Zahlen zu den Wohnungen vor, die mehr als vier Monate leer stehen und damit laut Hamburger Wohnraumschutzgesetz als zweckentfremdet gelten. Im größten Bezirk Wandsbek könnten Leerstände aufgrund einer „personellen Vakanz sowie vorrangiger Aufgaben“ derzeit nicht registriert werden, so der Senat. Und der Bezirk Nord erfasse die Anzahl der Wohnungsleerstände „nicht in statistisch auswertbarer Form“.
Wohnen in Hamburg: Altona meldet meiste Leerstände
Immerhin: Die fünf übrigen Bezirke waren in der Lage, Daten zu erheben und mitzuteilen. Zählt man die Meldungen von Mitte, Altona, Eimsbüttel, Bergedorf und Harburg zusammen, so standen zum Stichtag 26. August 2021 insgesamt 1040 Wohnungen leer. Die meisten Leerstände meldete Altona mit 385 Fällen. Hier ist die Zahl gegenüber November 2020 um 27 Wohnungen angestiegen. Auf Platz 2 der Bezirke, die Zahlen gemeldeten haben, liegt Mitte mit 309 ungenutzten Wohnungen, 134 weniger als noch im Herbst 2020.
In Harburg standen Ende 256 Wohnungen leer (November 2020: 270), Eimsbüttel verzeichnete einen deutlichen Rückgang von 128 ungenutzten Wohnungen im November 2020 auf jetzt noch 63. Und in Bergedorf sank die Zahl der Leerstände im selben Zeitraum von 35 auf 27. Insgesamt deuten die Zahlen trotz ihrer Unvollständigkeit darauf hin, dass heute weniger Wohnungen leer stehen als vor rund zwei Jahren, als etwa 2600 Leerstände bekannt waren.
Nur vier Hamburger Bezirke erfassen Ursachen
Nur vier der Bezirke erfassen derzeit auch die Ursachen dafür, dass Wohnraum über längere Zeit ungenutzt blieb. In den allermeisten dokumentierten Fällen hingen die Leerstände mit umfassenderen Bauarbeiten zusammen. In Altona war dies bei 345 von 385 betroffenen Wohnungen so, in Harburg bei 239 von 256 Fällen. Hin und wieder sorgten Erbstreitigkeiten für längere Leerstände – in rund 60 Fällen ermitteln die Behörden noch die Ursachen.
Die Dauer von Leerständen wird sogar nur in zwei Bezirken erfasst, nämlich in Altona und in Bergedorf. In Altona stehen die meisten der betroffenen Wohnungen für vier bis zwölf Monate leer (167 Fälle), 109 Wohnungen sind schon zwischen einem und zwei Jahre ungenutzt, 53 zwischen zwei und drei Jahren, und 56 stehen seit mehr als drei Jahren leer. In Bergedorf ziehen sich immerhin 13 der zusammen 27 Leerstandsfälle bereits über mehr als drei Jahre hin.
„Wohnungsmarkt ist Jahren angespannt"
Laut Senatsantwort wurden 2021 bislang fünf Bußgelder wegen Verstößen gegen das Zweckentfremdungsverbot des Wohnraumschutzgesetzes verhängt, viermal in Eimsbüttel, zweimal davon über mehr als 10.000 Euro. Harburg verhängte ein Bußgeld, das zwischen 500 und 1000 Euro lag. Wandsbek meldete keine Daten, die anderen Bezirke haben 2021 noch keine Bußgelder verhängt.
Die Instrumente |
Die Stadt geht gegen Leerstände schrittweise vor, so die Stadtentwicklungsbehörde. Zunächst leiste sie „Beratung und Aufklärung zu den Vorschriften des Hamburgischen Wohnraumschutzgesetzes“. Zugleich überwachten die Behörden die „erfassten rechtmäßigen und rechtswidrigen Wohnungsleerstände“ und wirkten „auf die freiwillige Abhilfe“ hin. Wenn das nicht helfe, werde die „Wohnnutzung angeordnet“ und mit Zwangsmitteln, etwa Zwangsgeld, durchgesetzt. In „besonders gelagerten Fällen“ setze man Treuhänder ein, die laut Wohnraumschutzgesetz „anstelle des Verfügungsberechtigten den Wohnraum wieder für Wohnzwecke herzustellen“ haben. Bußgelder können bis zu 500.000 Euro betragen. |
„Hamburgs Wohnungsmarkt ist seit Jahren angespannt, doch weiterhin scheinen SPD und Grüne in Hamburg kein Interesse daran zu haben, Wohnungsleerstand und die Gründe dafür transparent und einheitlich zu ermitteln“, kritisierte CDU-Stadtentwicklungspolitikerin Anke Frieling. „Es ist ein Unding, dass die Bezirksämter das Thema offensichtlich unterschiedlich handhaben und so eine Verhinderung von Leerständen erst gar nicht möglich ist.“
CDU kritisiert SPD und Grüne
CDU-Verfassungspolitiker André Trepoll nannte es „bemerkenswert“, dass SPD und Grüne zwar stets betonten, wie wichtig der Kampf gegen Leerstände sei, dann aber „die Bezirksämter nicht in die Lage versetzt, diesen Kampf auch führen zu können“. Die personelle Ausstattung der Wohnraumschutzdienststellen werde dem nicht gerecht – auch mit Blick auf weitere Kontrollaufgaben durch das Airbnb-Gesetz, das verhindern soll, dass reguläre Wohnungen als Ferienwohnungen zweckentfremdet werden.
Die Stadtentwicklungsbehörde wies die Kritik zurück. „Die CDU setzt die falschen Prioritäten. Sie setzt den Kampf gegen den Leerstand gleich mit der Pflege einer Statistik“, so Behördensprecherin Anke Hunold. „Der Senat geht seit Jahren sehr erfolgreich gegen Leerstand vor.“
Hamburg weist niedrigste Leerstandsquote auf
Unter allen Bundesländern habe Hamburg mit 0,5 Prozent zuletzt die niedrigste Leerstandsquote aufgewiesen. Das unterstreicht auch Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. Er betonte aber auch, dass es auf eine ausreichende personelle Ausstattung der Bezirke ankomme. „Denn Gesetze wirken nur, wenn ihre Einhaltung auch kontrolliert wird“, so Chychla. „Ein Tempolimit bringt ja auch nichts, wenn niemals geblitzt wird.“