Hamburg. Ob Kirche aus dem Mittelalter oder versteckter Garten: Vom 10. bis 12. September öffnen fast 150 Kulturbauten Türen und Portale.

Sakralbau, Parkanlage, Gründerzeitvilla und 70er-Jahre-Bau, Brücke, Fabrik oder Hafenkran – Hamburg ist reich an Denkmälern. Mehr als 12.300 Objekte zählt die Liste der Kulturgüter, zu deren Schutz die Bürgerschaft vor genau 100 Jahren das Hamburger Denkmalschutzgesetz einführte. Das erste Hamburger Denkmal war übrigens ein 23 Meter hoher Erdhügel, vermutlich ein Hünengrab. Da es sich in der Nähe von Cuxhaven befand, fiel es 1937 aber an die preußische Provinz Hannover. Weitere frühe Denkmäler verlor die Stadt im Krieg. Doch die Nummer 6 auf Hamburgs Denkmalliste steht noch: Es ist die Kirche St. Severini zu Kirchwerder, die 1319 erstmals urkundlich erwähnt wurde und heute das größte Gotteshaus der Vierlande ist.

Tag des offenen Denkmals: Führungen, Rundgänge, Radtouren...

Zum Tag des offenen Denkmals öffnet die Kirche ihr Portal – ebenso wie rund 150 weitere geschützte Bauwerke in Hamburg, von denen viele sonst nicht öffentlich zugänglich sind. Vom 10. bis zum 12. September können die Besucher auf Führungen, Rundgängen, Rad- und Bootstouren oder kulturellen Veranstaltungen etwas zur Baugeschichte des Denkmals lernen und sein historisches Flair erleben. Als Ansprechpartner stehen ihnen die Personen zur Verfügung, die sich mit großem, überwiegend ehrenamtlichem Engagement um die Kulturbauten kümmern: Denkmalpfleger, Architekten, Kunsthistoriker, Eigentümer und Initiativen. Für viele Veranstaltungen muss man sich anmelden, einige – etwa die Führungen durch das Gruner+Jahr-Gebäude am Baumwall, das sich dieses Jahr erstmals beim Tag des offenen Denkmals präsentiert – sind schon ausgebucht.

Das Veranstaltungswochenende, das bundesweit unter dem Motto „Schein & Sein“ steht, wird in Hamburg von der Stiftung Denkmalpflege und dem Denkmalschutzamt organisiert. Das Programm liegt als Heft an vielen Orten der Stadt aus, etwa in Bücherhallen, Bezirksämtern, in der Tourist Information am Hauptbahnhof, im Rathaus und der Landeszentrale für politische Bildung. Online ist es tagesaktuell unter www.denkmalstiftung.de/denkmaltag verfügbar.

Hier stellen wir Ihnen eine Auswahl aus dem Programm vor:

Der Rundgang durch Hamburgs ältestes Denkmal, die Kirche St. Severini zu Kirchwerder, führt durch mehrere Jahrhunderte: An der Nordwand und im gotischen Spitzbogenportal des angesetzten Brauthauses sind mittelalterliche Reste erkennbar, ansonsten ist das heutige Erscheinungsbild des Kircheninneren durch Umbauten aus den Jahren 1785 bis 1791 geprägt.

St. Severini zu Kirchwerder: Hamburgs ältestes Denkmal.
St. Severini zu Kirchwerder: Hamburgs ältestes Denkmal. © Walter Eckartsberg | Walter Eckartsberg

Die von 1641 stammende Orgel wurde mehrfach erweitert und umgebaut. „Ein besonderer Schatz ist der Kirchhof mit seinen übermannshohen barocken Grabplatten“, sagt Irina von Jagow von der Stiftung Denkmalpflege. Die fantasievolle Darstellungen seien ein einmaliges Zeugnis der bäuerlichen Kultur und des gelebten Luthertums in den wohlhabenden Vierlanden.

St. Severini, Kirchenheerweg 12, geöffnet Sonntag von 10 bis 17 Uhr; Führungen nach Bedarf, 17 Uhr Abschlusskonzert.

Neubau des Christianeums entstand 1972

Der Neubau des 1721 als Lateinschule in Othmarschen gegründeten Chris­tianeums wurde 1972 an seinem jetzigen Standort nach Entwürfen von Arne Jacobsen und Otto Weidling eröffnet. Wegen der prägenden, außen liegenden Tragkonstruktion und seines als zukunftsweisend geltenden Konzepts lag der Entwurf seinerzeit klar vorne.

Christianeum: Anbau mit prägender Tragekonstruktion.
Christianeum: Anbau mit prägender Tragekonstruktion. © Dirk C. Schoch | Dirk C. Schoch

In der Ausführung wurden jedoch erhebliche Einsparungen vorgenommen, sodass die vorgesehene variable Nutzung heute nicht mehr im selben Maße möglich ist. Dennoch gelten die Detailgenauigkeit, die Raum- und Farbkonzepte nach wie vor als außergewöhnlich.

Christianeum, Otto-Ernst-Straße 34; Führung am Sonnabend um 11 und um 13 Uhr, Anmeldung bei dirk.schoch@sutorbank.de

Garten de l’Aigle war teil eines großen Anwesens

Der Garten de l’Aigle ist ein eingetragenes Naturdenkmal, liegt versteckt in Eppendorf und gehört heute der Stiftung Anscharhöhe. Er war Teil des Anwesens der Familie von Alma de l’Aigle (1889–1959), die sich für Reformpädagogik und Gartenkultur engagierte und ihn 1948 in ihrem Buch „Ein Garten“ beschrieb.

Versteckt: der Eppendorfer Garten de l’Aigle.
Versteckt: der Eppendorfer Garten de l’Aigle. © Geschichtswerkstatt Eppendorf | Geschichtswerkstatt Eppendorf

Später wurde das Grundstück an ein Wohnungsbauunternehmen verkauft, doch ein Teil der Grünanlage konnte vom „Verein zur Förderung der Gartenkultur“ wegen seiner individuellen Gestaltung, des natur-philosophischen Ansatz und den Bestände rarer Rosen- und Obstsorten als Fragment gerettet werden.

Garten de l’Aigle, Tarpenbekstraße 107 (frei zugänglich über das Gelände der Stiftung Anscharhöhe); Führungen am Sonnabend zwischen 15 und 17 Uhr nach Bedarf.

Ein einfaches Hotel für Wandergesellen

Die 1889 errichtete „Herberge zur Heimat“ war ein unter christlicher Hausordnung stehendes einfaches Hotel für Wandergesellen, von denen es zu der Zeit Hunderte gab.

Herberge zur Heimat: einfaches Hotel für Wandergesellen.
Herberge zur Heimat: einfaches Hotel für Wandergesellen. © André Wirsig | André Wirsig

Dass es zeitweise als Logier- und ab 1920 als Missionshaus genutzt wurde, war den zunehmend prekären Verhältnisse auf St. Pauli geschuldet. Seit 1922 ist der Backsteinbau im Eigentum der Heilsarmee, die hier auf sechs Ebenen Räumlichkeiten für Menschen in Not unterhält. Seit 2019 wird das Haus umfangreich saniert und soll Ende 2021 wieder öffnen.

„Herberge zur Heimat“, Talstraße 11–15; Führungen am Freitag um 15 und 16 Uhr, Sonnabend 10, 11, 12 und 13 Uhr, Anmeldung bis 5. September bei gregor.heidemann@heilsarmee.de

Die Glasdecke besitzt in Hamburg Seltenheitswert

Die außergewöhnliche Jugendstil-Glasdecke in einer ehemaligen Fleischerei im Eppendorfer Weg stammt aus dem Jahr 1910. Sie misst 50 Quadratmeter, besteht aus fast 400 unterschiedlichen Glasscheiben und besitzt in Hamburg einen hohen Seltenheitswert. Hinter Glas gemalte goldglänzende Schmuckfelder mit Landschaftsdarstellungen und Blumenbouquets zeugen von einer beeindruckenden Ladenausstattung. Die Decke wurde für die Sanierung ausgebaut, in der Werkstatt des Denkmalschutzamtes aufwendig restauriert und im Frühjahr 2021 wieder eingebaut.

400 Einzelteile: Glasdecke am Eppendorfer Weg.
400 Einzelteile: Glasdecke am Eppendorfer Weg. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Zum Tag des offenen Denkmals stellt die Restauratorin Petra Klier ihre Arbeit, die auch filmisch begleitet wurde, vor Ort vor.

Concierge & Co, Eppendorfer Weg 9; Führungen am Sonntag um 11 und 12.30 Uhr, Anmeldung erforderlich bis 5. September bei petraklier@t-online.de.

Die „Stubnitz“ wurde 1964 in Stralsund gebaut

Die MS „Stubnitz“ ist eines von Hamburgs beweglichen Denkmälern. Das Kühl- und Transportschiff für Heringe wurde 1964 in Stralsund gebaut und ist eines der ältesten technisch authentischen Fahrzeuge dieser Größe in der Seeschifffahrt.

MS „Stubnitz“: Kunst und Kultur auf einem Industriedenkmal.
MS „Stubnitz“: Kunst und Kultur auf einem Industriedenkmal. © HA / A.Laible | Andreas Laible

Als Zeitzeuge der internationalen Fischereigeschichte gilt die nach der Wende zum Kunst- und Kulturschiff umgebaute Stubnitz als ein Industriedenkmal von nationaler Bedeutung.

MS „Stubnitz“, Kirchenpauerkai 29; Sonnabend und Sonntag von 11 bis 18 Uhr zugänglich, Führungen jeweils um 12, 14 und 16 Uhr. Anmeldungen für Sonnabend unter www.tixforgigs.com/Event/36806 und für Sonntag unter www.tixforgigs.com/Event/36808.

Das Hanseviertel: ein Beispiel für ein Bauwerk der Postmoderne

Das zwischen 1978 und 1980 erbaute Hanseviertel in der Innenstadt ist wohlbekannt. Es gilt nicht nur als ein stadtgeschichtlich, städtebaulich und architektonisch herausragendes Bauwerk, sondern auch als Beispiel für den Regionalismus innerhalb der Baukunst der Postmoderne. Denn obwohl es in der Tradition historischer Einkaufspassagen europäischer Großstädte errichtet wurde, sind Architektur, Materialien und Details konsequent an Hamburger Baukultur und Stadtgeschichte orientiert: Die rote Backsteinfassade greift den Kontorhausbau auf, das grünfarbene Metall die Kupferdächer im Stadtbild.

Hanseviertel: Vorbild waren historischer Einkaufspassagen.
Hanseviertel: Vorbild waren historischer Einkaufspassagen. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Derzeit plant das Denkmalschutzamt gemeinsam mit den Eigentümern die Revitalisierung der Einkaufspassage. Hanseviertel,

Große Bleichen 30-36, geöffnet Freitag und Sonnabend von 10 bis 20 Uhr; die Führungen am Sonnabend von Architekt Volkwin Marg sind bereits ausgebucht, weitere Führungen werden am Sonntag um 11 und 14 Uhr angeboten, Anmeldung erforderlich unter info@hanseviertel.de.

Michelwiesen wurden in diesem Jahr unter Denkmalschutz gestellt

Hamburgs jüngstes Denkmal sind die Michelwiesen, die auch Schaarmarkt oder Michel-Terrassen werden. Die bereits 1995 fertiggestellte Anlage wurde in diesem Jahr unter Denkmalschutz gestellt. „Ebenso wie das Verlagsgebäude von Gruner + Jahr stehen die Michelwiesen exemplarisch für eine postmoderne, innerstädtische Gestaltung“, begründet Anna Joss, Leiterin des Denkmalschutzamts, den Schritt. Zudem schaffe die Grünanlage einen gelungenen Bezug zwischen der Hauptkirche St. Michaelis und dem 1987 bis 1990 errichten Gruner+Jahr-Haus mit seinen maritimen Motiven.

Michelwiesen/Schaarmarkt, frei zugänglich; am Sonntag Führungen um 13.30 und 15 Uhr. Anmeldung bis 5. September bei jens.beck@bkm.hamburg.de, die Führungen im Gruner+Jahr-Verlagsgebäude sind bereits ausgebucht.

Eine Radtour zu Stätten der Alkoholproduktion

Eine Denkmalnachtradtour bietet der Verein BauKunstBildung am Sonnabend zwischen 19 und ca 23 Uhr an. Sie führt zu Denkmälern aus der Hamburger Alkoholproduktion, -distribution und -konsumtion. Die Erläuterungen werden per Telefonkonferenz übertragen, weshalb eine Teilnahme nur mit Handy oder Smartphone mit Kopfhörern möglich ist. Ein Zusatzakku und eine Flatrate für das deutsche Festnetz wären daher sinnvoll. Die Teilnahme kostet 5 Euro (Getränke nicht inklusive).

Anmeldung bis 7. September unter 100@baukunstbildung.de, der Treffpunkt wird dann mitgeteilt.

Mit der "Kollau" auf Bootstour

Eine Bootstour kann man mit der 1930 gebauten „Kollau“ unternehmen. Sie wurde als letzte von insgesamt elf Barkassen für den Einsatz auf der Alster gebaut und erhielt zunächst den Namen „Clementine“. Nach dem Krieg war sie als Patrouillenboot unterwegs und wurde 1991 zum Abwracken verkauft. Über Umwege gelangte sie in die Niederlande, wo sie 2016 der Verein Alsterdampfschifffahrt aufspürte und erwarb. Jetzt hat die „Kollau“ in Harburg festgemacht. Am Sonntag schippert sie zwischen dem Harburger Binnenhafen (Lotsekai) und dem Hamburger Hafenmuseum (Australiastraße) hin und her. In Harburg bietet sich die Besichtigung historischer Hafenkräne an, in der Nähe haben ein denkmalgeschütztes Kontorhaus und das Harburger Schloss geöffnet.

Ab Lotsekai bis Hafenmuseum: 10, 13 und 16 Uhr, ab Hafenmuseum bis Lotsekai: 12.30, 15.30 und 18.30 Uhr.