Kiel. Eltern von Krippenkindern müssen künftig weniger bezahlen, Kommunen werden etwas entlastet - Jamaika hat dafür mehr Geld zur Verfügung als zunächst gedacht. Die oppositionelle SPD sieht trotzdem hinreichend Grund zur Kritik.
Mit 45 Millionen Euro zusätzlich im Jahr kann Schleswig-Holstein von 2022 an die Qualität der Betreuung in den Kindertagesstätten verbessern sowie Eltern und Kommunen entlasten. Dies wird nach Angaben der Jamaika-Koalition dadurch möglich, dass Gehälter und Zahl der Kita-Plätze nicht so stark gestiegen sind wie es mit dem Inkrafttreten der Kita-Finanzierungsreform erwartet worden war. "Das zusätzliche Geld wird zugunsten der Menschen eingesetzt, die die Zukunft unserer Gesellschaft sind - nämlich die kleinsten Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner", sagte Sozialminister Heiner Garg (FDP) am Donnerstag im Landtag.
Für das laufende Jahr stehen 35 Millionen Euro mehr zur Verfügung. "Wir werden noch in diesem Jahr aus den einmaligen Überschüssen des Jahres 2021 ein Corona-Aufholprogramm in Höhe von 20 Millionen Euro auflegen", sagte Garg. "Damit sollen Kinder, die von der Pandemie besonders belastet waren, unterstützt und gefördert werden."
Die SPD-Sozialpolitikerin Birte Pauls formulierte Generalkritik: Sie warf der Jamaika-Koalition blinden Aktionismus und Wahlkampfgetöse vor. "Die Zahlen sind für uns sehr nebulös." Es stehe nicht fest, ob Geld wirklich übrig sei. Generell sei zu wenig Geld im System, sagte Pauls. Es sei zwar gut, dass die Elternbeiträge für Krippenkinder sinken, aber: "Viel besser wäre natürlich die Beitragsfreiheit".
Auch sie wünsche sich Beitragsfreiheit, Superqualität und eine Entlastung der Kommunen, sagte Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben. Man müsse aber sehen, was angesichts der Haushaltslage möglich ist.
Jamaika stelle 2017 bis 2022 eine Milliarde Euro zusätzlich für die Kitabetreuung und Kindertagespflege zur Verfügung, hob CDU-Fraktionsvize Katja Rathje-Hoffmann hervor. Damit sei die Förderung des Landes pro Kind mehr als verdoppelt.
"Die Kitareform hat die Bedingungen in der frühkindlichen Bildung für alle Beteiligten schon jetzt erheblich verbessert", sagte Minister Garg. Die Reform sei ein großer Erfolg. Die Kinder erhielten jetzt noch bessere Chancen auf Teilhabe und Bildung, was angesichts der Coronavirus-Pandemie umso wichtiger sei. Vorgesehen ist auch, in Kreisen und kreisfreien Städten sowie in der fünftgrößten Stadt Norderstedt Inklusionszentren einzurichten.
Aus Sicht von SPD-Fraktionschefin Serpil Midyatli ist Jamaikas Kita-Reform gescheitert. Die Koalition sei auf hohe Bäume geklettert und komme nicht wieder herunter. "Dramatische Rhetorik ersetzt keine Inhalte", konterte FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. Die SPD sei völlig destruktiv. Sie ärgere sich offenkundig darüber, dass Jamaika gute Nachrichten aus dem Kita-Bereich habe.
Die Kommunen müssen dem Koalitionsplänen zufolge in diesem Jahr 13 Millionen Euro weniger für die Kita-Finanzierung aufbringen. 20 Millionen fließen in Sport-, Freizeit- und Sprachförderungsprogramme, um damit Kindern zu helfen, die unter den Pandemiefolgen besonders stark leiden. Auch psychosoziale Unterstützung kann aus diesem Topf bezahlt werden. Zwei Millionen Euro gibt es für die Kita-Datenbank.
Von den dauerhaft frei werdenden 45 Millionen Euro jährlich gehen 18,6 Millionen mittelbar an Kommunen. Mit 16,44 Millionen Euro wird der Deckel beim Elternbeitrag für Krippenkinder um 56 auf 232 Euro gesenkt. Das wären nur noch rund fünf Euro mehr als für Ü-3-Kinder.
"Wir sind der Auffassung, dass Bildung kostenlos sein muss, einschließlich der frühkindlichen Bildung", sagte der SSW-Abgeordnete Christian Dirschauer. Er unterstützte insgesamt die Koalitionspläne.
"Wir haben an diesem Wahlgeschenk nichts zu kritisieren", sagte der Vorsitzende der Kita-Landeselternvertretung, Axel Briege. Aber die Gesamtfinanzierung müsse auf neue Beine gestellt werden. Benötigt würden überall gut ausgebildetes Personal und Kita-Plätze für jedes Kind. "Und Bildung muss kostenfrei sein", sagte Briege. Zudem müssten die von den Eltern zu zahlenden Verpflegungskosten gedeckelt werden.
Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte strukturelle Verbesserungen bei der Finanzierung. Der Personalschlüssel müsse verbessert werden, sagte der Geschäftsführende Vorstand, Michael Saitner. Mit dem aktuellen Vorhaben habe Jamaika die Verbände leider vor vollendete Tatsachen gestellt. In die Ideenfindung zu den Inklusionszentren seien sie nicht eingebunden worden.
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