Hamburg. Senatorin Katharina Fegebank (Grüne) informiert sich über den Stand der Corona-Forschung. Zwei Dinge stimmen Experten optimistisch.

Es ist wie am Murmeltiertag: Immer derselbe Beginn, gleicher Verlauf, absehbares Ende. Die Corona-Pandemie bewegt sich in Wellen. „Wir sind mittendrin in der vierten Welle“, sagte der Intensivmediziner Prof. Stefan Kluge (UKE) am Montag. Die Zahl der Neuinfektionen werde langsam ansteigen. „Im Krankenhaus werden wir eine Welle der Ungeimpften sehen. Es wird auch mehr Intensivpatienten geben. Das sind die, die zögern und zaudern, sich impfen zu lassen.“

Trotz der Gesetzmäßigkeiten hat Corona dann doch keine „Murmeltiertag-Qualität“. Zwei Dinge stimmen die Experten wie Kluge und seine Kollegin Prof. Marylyn Addo optimistisch: Es gibt Impfstoffe gegen das Virus – und zumindest die Fachleute verstehen es besser. „Die Impfstoffe helfen auch gegen neue Varianten“, sagte Addo. „Sie sind wirksam gegen schwere Verläufe, falls sich ein Geimpfter dennoch mit dem Virus infiziert. Und sie helfen, Todesfälle zu verhindern.“ Das sei also ein „ganz anderes Bild“ als in der ersten Welle.

Corona in Hamburg: Ungeimpfte Probanden für Studien sind Mangelware

Addo berichtete bei einem UKE-Besuch der Hamburger Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) von den Forschungen rund um weitere Impfstoffe und Varianten. 99 Programme liefen weltweit, um weitere Vakzine gegen das Coronavirus zu entwickeln. Auch in Eppendorf wird nach einem Schutz vor Corona-Infektionen geforscht (das Abendblatt berichtete). Es werde gleichwohl immer schwieriger, für die klinischen Studien ungeimpfte Probanden zu finden.

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Im Abendblatt-Gespräch sagte Addo, es komme jetzt auf jede einzelne Impfung an. Das solle allen bewusst sein, die jetzt noch warten, obwohl sie die Chance auf einen Piks hätten. Die Entstehung neuer Varianten des Coronavirus sei eine Folge des Infektionsgeschehens. Heißt: Je mehr Menschen sich infizieren, desto größer wird die Gefahr für alle, wenn sich immer ansteckendere Varianten herauskristallisieren. Deshalb sprach sich Addo dafür aus, den Blick „über den Tellerrand hinaus“ zu lenken. „Bevor wir in Deutschland über eine dritte Impfung für 23-Jährige reden, müssen wir beim Impfen im Rest der Welt aufholen.“

Prof. Dr. Marylyn Addo gibt nach einem Besuch von Katharina Fegebank ein Pressestatement ab.
Prof. Dr. Marylyn Addo gibt nach einem Besuch von Katharina Fegebank ein Pressestatement ab. © Unbekannt | Roland Magunia

Addo sagte, sie spreche sich „dezidiert gegen eine Impfpflicht“ aus. Aber man habe gesehen, dass sich die tückischen Corona-Varianten selbst in abgeschotteten Ländern wie Australien schnell ausgebreitet hätten. Deshalb sei der Impffortschritt weltweit ja so wichtig. Gleichzeitig erinnerte die UKE-Infektiologin daran, dass bei den dritten Impfungen wieder die Priorisierung gelte, die man derzeit aufgrund der gut verfügbaren Impfstoffe quasi vergessen habe. So müsse man die anfangs geimpften Senioren und Pflegebedürftigen zuerst „nachimpfen“.

Pflegekräfte flüchten aus dem Job

UKE-Experte Kluge beklagte eine Flucht der Pflegekräfte aus dem Job in der vierten Welle der Pandemie. Das sei ein Alarmzeichen für die große Belastung der Mitarbeiter im Gesundheitswesen. Der Intensivmediziner unterschied außerdem klar in sensible Bereiche wie ein Krankenhaus und dank der Impfungen neu zu bewertende öffentliche Räume. „Obwohl ich geimpft bin, werde ich zweimal die Woche PCR-getestet“, sagte Kluge. Für einen Restaurantbesuch müsse man geimpfte Gäste nicht mehr testen. „Die Politik muss jetzt alle Anstrengungen unternehmen, dass sich mehr Menschen impfen lassen.“

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

In Hamburg liegt die Impfquote mit 67,1 Prozent bei den Erstgeimpften über dem bundesweiten Durchschnitt von 64,1 Prozent. Bei den vollständig Immunisierten beträgt sie 60,1 Prozent (59,0). Auffällig ist bei diesen Zahlen des Robert-Koch-Instituts, dass Hamburg bei den 12- bis 17-Jährigen hinterherhinkt: 23,9 Prozent im Vergleich zu 27,5 Prozent deutschlandweit (Erstimpfungen).

Große Vorlesungen finden zum Teil digital statt

An Alster und Elbe sinkt aktuell die Sieben-Tage-Inzidenz wieder nach dem deutlichen Ansteigen seit dem Ende der Ferienzeit. Bei anhaltendem Rückgang der Zahlen liegt der Wert nun bei 79,4 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Vortag: 81,2). 182 neue Fälle hat die Sozialbehörde gemeldet, 25 mehr als am Sonntag, aber 34 weniger als am Montag vor einer Woche (216). Von den 83.589 Corona-Infektionen insgesamt gelten 78.700 als genesen. In Hamburger Krankenhäusern werden 89 Corona-Patienten behandelt. 34 Menschen müssen intensivmedizinisch betreut werden.

Wissenschaftssenatorin Fegebank (Grüne) erneuerte derweil ihre Forderung nach einem „Präsenzsemester als Normalfall“ für das anstehende Wintersemester 2021/22, das je nach Hochschule schon im September startet. Rund 100.000 Studierende in Hamburg sollen zurückkehren in die Hörsäle und Seminarräume. Zwar könnten große Vorlesungen zum Teil digital stattfinden.

Extremer Druck auf die Forschung

Aber das Studentenleben könne in die Universitäten und Hochschulen der Stadt zurückkehren. Fegebank nannte als Voraussetzung die 3G-Regel, also, dass die Studierenden geimpft, genesen oder getestet sind. Sie sprach auch von Kontrollen beim Zugang. Einzelheiten nannte sie nicht. Ob alle Hochschulen die personellen und technischen Voraussetzungen für diese Pläne haben, muss sich zeigen.

Im UKE, sagte Fegebank, habe sie zwar einen extremen Druck auf die Forschung und die Ärzte bei der Versorgung der Patienten wahrgenommen. Aber: „Ich habe hier die Leidenschaft gesehen, das Virus in die Knie zu zwingen.“

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Der „Game Changer“ in der Pandemie-Bekämpfung sei das Impfen. Es gehe jetzt auch darum, denen die Freiheiten und Rechte zurückzugeben, „die diesen Weg gegangen sind“. Am Dienstag will der Senat über die 2G-Regel sprechen, also Erleichterungen für Menschen, die geimpft oder von einer Erkrankung genesen sind. Corona-Tests, so Fegebank, dürften künftig nicht mehr kostenlos sein.