Hamburg. Asklepios-Professor Dr. Ahmet Elmaagacli ist in St. Georg Experte für Transplantation von Stammzellen. Er wendet die neue Methode an.

Die einigermaßen gute Nachricht: Diese beiden Erkrankungen kommen vergleichsweise sehr selten vor. Die schlechte: Akute Leukämie und Lymphdrüsenkrebs gehören zu den schwierigsten Krebsformen überhaupt, betreffen jeweils meist den gesamten Körper. „Zudem liegt die Rückfallquote beispielsweise bei Leukämie bei bis zu 40 Prozent.

Doch es gibt eine Therapie, die dieses Risiko immerhin mehr als halbiert: die allogene Stammzelltransplantation“, sagt Professor Dr. Ahmet Elma­agacli. Der Ärztliche Leiter der Abteilung für Hämatoonkologie an der Asklepios Klinik St. Georg ist zu Gast in einer neuen­ Podcast-Folge der „Digitalen Sprechstunde“, die unter anderem auf Abendblatt­.de kostenlos anzuhören ist.

Leukämie: Für mehr als 80 Prozent wird passender Spender gefunden

Doch was genau passiert bei einer solchen allogenen Stammzelltransplantation, wie sie der international anerkannte Spezialist aus Hamburg in den vergangenen 20 Jahren bei mehr als 3000 Patienten durchgeführt hat? „Der Hintergrund ist erst mal, dass das eigene Immunsystem versagt hat und leider den Krebs zugelassen hat“, erklärt der gebürtige Türke, der in Tübingen und in den USA (Arizona) Medizin studiert hat. Nun gehe es darum, das eigene Immunsystem durch das eines passenden Spenders zu ersetzen.

„Der Effekt: Plötzlich werden wieder fremde Zellen erkannt, als böse enttarnt und gezielt abgetötet.“ Durch die internationale Vernetzung könne man binnen zwei bis drei Wochen sagen, ob ein passender Spender zur Verfügung stehe. „Wir haben in Deutschland an einer Studie teilgenommen, die aufgezeigt hat, dass für mehr als 80 Prozent der Betroffenen zeitnah ein passender Spender gefunden wird.“

 Die Therapie „ist kein Reifenwechsel“

Mittlerweile sei die Forschung sogar schon so weit, dass in einzelnen Fällen auch ein nur 50-prozentig passender Spender (also Kind oder Vater/Mutter) ausreiche. „Die fehlende Hälfte wird mit Immunsuppressiva und Chemotherapie passend gemacht.“ Was sich zunächst so verhältnismäßig einfach anhört, ist natürlich hochkomplex.

 Und der Eingriff, nach dem sich die Betroffenen rund drei Wochen auf einer „Reinluft-Isolierstation“, die das schwache Immunsystem vor Keimen abschottet, erholen müssen, ist auch für die Patienten anstrengend. „Ich sage immer: Das ist kein Reifenwechsel“, so der habilitierte Mediziner, der lange in der renommierten Abteilung für Hämatoonkologie an der Uniklinik Essen gearbeitet hat. „Der Patient muss körperlich in einer guten Verfassung sein, sonst können wir das nicht machen.“

Kosten liegen bei rund 400.000 Euro pro Patient

In St. Georg macht der Spezialist seit Kurzem noch etwas anderes, das nur an wenigen Zentren in Deutschland seit knapp zwei Jahren möglich ist: Er bietet Patienten, die an Lymphdrüsenkrebs erkrankt sind, bereits eine Stammzelltransplantation mit eigenen oder fremden Zellen hinter sich haben, dann jedoch einen Rückfall erlitten, die sogenannte CAR-T-Zelltherapie an. „Das ist eine richtig aufregende, neuartige Immuntherapie“, sagt der Experte. „Man entnimmt aus dem Blut des Patienten T-Zellen und verändert diese gentechnisch im Labor. Anders ausgedrückt: Man schickt diese Zellen vier Wochen in ein Trainingscamp, sodass sie danach in der Lage sind, den Feind zu erkennen und zu bekämpfen.“

Das bedeutet, im Labor würden die Zellen so verändert, dass sie chimäre Antigenrezeptoren (deshalb die Abkürzung CAR) auf ihrer Oberfläche bilden, die gegen krebsspezifische Oberflächenproteine gerichtet sind. „Diese veränderten Zellen werden dem Patienten dann über die Vene zurückgegeben, vermehren sich und führen hoffentlich zu einer lang anhaltenden Immunreaktion gegen die Krebserkrankung“, erklärt der Mediziner, der sich mit Joggen („ein- bis zweimal pro Woche eine Alsterrunde“) fit hält und gern mit dem Motorrad in Norddeutschland unterwegs ist.

Die Kosten für diese aufwendige Therapie, die vor einigen Jahren in den USA erfunden wurde und teils auch bei an Leukämie erkrankten Kindern Grund zur Hoffnung gibt, liegt bei rund 400.000 Euro pro Patient. „Da wird schon klar, dass wir das nur in sehr seltenen Fällen machen. Es darf kein Zweifel daran bestehen, dass der Patient maximal davon profitiert.“ Die Nebenwirkungen seien leider oft heftig, darauf müsse der Patient vorbereitet werden: „Die Nebenwirkungen reichen von Kreislaufreaktionen bis zu schockähnlichen Symptomen.“

Keine Angst, die Patienten an die Hand zu nehmen

Überhaupt machten Krebspatienten viel durch. „Als mich vor Corona eine Schulklasse auf Station besuchte und fragte, wer eigentlich meine Helden seien, da war die Antwort klar: meine Patienten“, sagt Professor Ahmet Elmaagacli. „Ich ziehe den Hut vor ihnen, sie müssen unverschuldet so viel erleiden.“ Drei bis sechs Monate lang begleite er seine Patienten im Schnitt therapeutisch. „In dem Fachbereich, den ich mir ausgesucht habe, braucht man Empathie. Man darf keine Angst haben, seine Patienten an die Hand zu nehmen.“