Bad Rothenfelde. 40-jähriger IT-Spezialist war nach seiner Infektion völlig entkräftet und ist noch immer arbeitsunfähig. In der Reha bekommt er Hilfe.

Der 40-jährige IT-Spezialist aus Hamburg war nie ein Mensch, der Angst vor Covid-19 hatte. „Wenn es mich trifft, bleibe ich halt wie bei einer Grippe ein bis zwei Wochen im Bett“, so habe er gedacht. Nie zuvor habe er sich im Krankenhaus behandeln lassen müssen, sagt der kräftige 1,90-Meter-Mann. Doch dann brachte ihn eine Corona-Infektion Mitte Januar auf die Intensivstation, zwölf Tage lang wurde er beatmet. Als er auf eine normale Station verlegt wurde, applaudierten die Pflegekräfte. „Es ist so schön, dass du nicht im Plastiksack rausgetragen wirst“, habe ihm ein leitender Pfleger gesagt.

Ende Februar wurde er aus dem Krankenhaus entlassen, völlig entkräftet. Duschen, Essen kochen, Müll rausbringen war ohne Hilfe nicht zu schaffen. „Nach den Treppen zu meiner Wohnung im zweiten Stock lag ich mit Muskelschmerzen auf dem Sofa.“ Es folgte ein Aufenthalt in einer Lungenklinik. Fünf Monate später ist der 40-Jährige noch immer nicht arbeitsfähig. Dies soll sich im Reha-Klinikum Bad Rothenfelde ändern, das ein spezielles Behandlungskonzept für Long-Covid-Patienten entwickelt hat.

Bis zu 15 Prozent aller Covid-19-Erkrankten von Post-Covid-Syndrom betroffen

Bis zu 15 Prozent aller Covid-19-Erkrankten sind laut einer Mitte Juli veröffentlichten Diagnose-Leitlinie vom Post-Covid-Syndrom betroffen, das heißt, sie haben mehr als drei Monate anhaltende Beschwerden unterschiedlichster Art, etwa Kurzatmigkeit, Schwindel oder Konzentrationsstörungen. Von Long Covid spricht man, wenn nach einer überstandenen Infektion neue Symptome hinzukommen oder diese länger als vier Wochen bestehen.

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Der 40-jährige IT-Spezialist ist optimistisch, in absehbarer Zeit in den Job zurückkehren zu können. Zum Glück habe er keine mentalen Probleme, sagt er. Seine Ärzte hätten ihm Hoffnung gemacht, dass seine Lunge in einem Jahr nur noch zu maximal fünf Prozent geschädigt sein werde. Zur Reha in Bad Rothenfelde gehört Kraft-Ausdauer-Training an Geräten.

Chefarzt: „Die Menschen werden aus dem Leben geworfen“

Etwa 15 Long-Covid-Patienten werden in der Reha-Klinik der Deutschen Rentenversicherung zeitgleich behandelt, inzwischen waren es seit der Ankunft des ersten Betroffenen am 16. April 2020 insgesamt mehr als 130. Sehr viele leiden unter dem Chronischen Fatigue Syndrom (CFS), einer ständigen Erschöpfung und fehlenden Belastbarkeit. Diese schwere neuro-immunologische Erkrankung, die oft junge, zuvor völlig gesunde Menschen trifft, war schon vor der Corona-Pandemie bekannt – etwa nach einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus. Sie kann selbst nach leichten Covid-19-Verläufen auftreten. Betroffene sind teilweise so kraftlos, dass sie fast nur noch im Bett liegen.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

„Die Menschen werden aus dem Leben geworfen“, sagt Chefarzt Christoph Preu. Nach der drei- bis vierwöchigen Reha seien von den bisher in seiner Klinik behandelten Patienten nur 20 Prozent komplett arbeitsfähig entlassen worden. Weitere 20 Prozent machten eine stufenweise Wiedereingliederung in den Beruf. Wichtig sei, dass die Betroffenen nach der Reha weiterhin eng betreut und unterstützt würden, betont der Pneumologe. „Die Nachsorge muss gefördert werden.“

 Erkrankung ist viel komplexer als zu Beginn angenommen

Für eine flächendeckende Versorgung mit Post-Covid-Ambulanzen setzt sich die Betroffenen-Initiative Long Covid Deutschland ein. „Diese Erkrankung ist viel komplexer, als noch vor einem Jahr angenommen wurde“, sagt ein Sprecher der Organisation. Bisher gebe es nur sehr wenige Anlaufstellen mit einem interdisziplinären Ansatz.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Einmal in der Woche kommen die Long-Covid-Patienten in der Klinik zu einem Gesprächskreis zusammen. Der 40-jährige Hamburger ist nach dem ersten dieser Treffen erleichtert, dass er zwar geschädigte Lungen, aber immerhin keine Gedächtnis- oder Konzentrationsstörungen hat.