Hamburg/Berlin. Mehrere Linien fallen aus. Ausstand soll 48 Stunden dauern. Gewerkschaft will Corona-Prämie erzwingen.

Sechs Jahre nach dem letzten Lokführerstreik in Deutschland müssen Bahnkunden von heute an wieder mit zahlreichen Zugausfällen und langen Verspätungen rechnen. Seit zwei Uhr früh befinden sich die Mitglieder der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) im Arbeitskampf. Er soll 48 Stunden dauern. Betroffen ist neben dem Personenfern- und Regionalverkehr auch die S-Bahn in Hamburg.

Bei einer Urabstimmung hatten 95 Prozent der teilnehmenden GDL-Mitglieder zuvor für Streik gestimmt. Die Gewerkschaft fordert Einkommenssteigerungen von insgesamt 3,2 Prozent und eine Corona-Prämie von 600 Euro.

Hamburg: S-Bahnen fallen wegen Lokführerstreik aus

Die Verhandlungen seien festgefahren, sagte GDL-Chef Claus Weselsky. Man habe keine andere Möglichkeit mehr als Streik. Einwände, der Ausstand treffe Deutschland wegen der Corona-Situation und der Flutkatastrophe zur Unzeit, ließ Weselsky nicht gelten: „Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt für einen Streik bei der Eisenbahn. Bitte wenden sie sich an das DB-Management.“

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Die Bahn kritisierte den Streik scharf: „Gerade jetzt, wenn die Menschen wieder mehr reisen und die Bahn nutzen, macht die GDL-Spitze den Aufschwung zunichte, den wir in Anbetracht der massiven Corona-Schäden dringend brauchen“, teilte Personalchef Martin Seiler mit. Er kritisierte, die GDL habe sich nicht an ihre Ankündigung gehalten, den Kunden ausreichend Vorlauf vor dem Streikbeginn zu lassen. Der Fahrgastverband Pro Bahn nannte die Streikankündigung „deutlich zu kurzfristig“.

Tarifstreit ist ein Wettbewerb der Gewerkschaften

Brisant ist der Tarifstreit vor allem, weil bei der Bahn jetzt das neue „Tarifeinheitsgesetz“ angewendet werden soll. Es sieht vor, dass im Falle konkurrierender Gewerkschaften in einem Unternehmen immer nur ein Tarifvertrag gelten darf, und zwar der, den die mitgliederstärkere Gewerkschaft ausgehandelt hat. Bei der Bahn konkurrieren GDL und EVG. Letztere ist die größere Gewerkschaft. Und sie hat bereits einen Tarifvertrag abgeschlossen, der den Beschäftigten laut Deutschlandfunk „auf Jahre hinaus sinkende Realeinkommen“ beschert. Schließt die GDL für ihre Leute aber jetzt deutlich bessere Verträge ab, könnten sich die Mehrheitsverhältnisse schnell verschieben, woran weder die EVG noch der Bahn-Vorstand ein Interesse haben. 

Hamburg: Pendler müssen mit Zugausfällen rechnen

Für Pendler in und um Hamburg werden die kommenden Tage nervenaufreibend. Denn neben Fern- und Regionalzügen fahren auch die S-Bahnen nicht wie gewohnt. „Wir werden alles dafür tun, um die Einschränkungen für unsere Fahrgäste so gering wie möglich zu halten. Ziel ist es, während des Streiks am Mittwoch und Donnerstag ein Ersatzangebot für die Fahrgäste bereitzustellen“, sagte ein Bahnsprecher zum Abendblatt.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Die Linien der S 1, S 21 und S 3 sollen möglichst im 20-Minuten-Takt verkehren. Die Linien S 31, S 2 und S 11 müssen allerdings ausfallen. Die Bahn verwies darauf, dass es wohl nicht bei Verspätungen am Mittwoch und Donnerstag bleiben dürfte: „Es wird voraussichtlich auch am Freitagvormittag noch zu Einschränkungen kommen, weil zum Beispiel Rangierfahrten in der Nacht zum Freitag nicht stattfinden können.